OSF: Totschweigen oder totlachen?

27.05.1988

3 von 4 Unternehmen haben sich von einem einzigen Computerhersteller abhängig gemacht. Unisys-Anzeige

Mit einem aber-"witzigen" Plan möchten einige DV-Hersteller unter der Führung von IBM und DEC den Open-Systems-Tacho wieder auf Null stellen: Sie wollen, an AT&T vorbei (Unix System V), einen neuen Betriebssystemstandard für Mittelklasserechner etablieren (siehe Seite 1 und CW Nr. 21 vom 20. Mai 198U, Kolumne: "Planet der Affen").

Wenn die Sache nicht so lustig wäre, man könnte sich totlachen. Die Gefahr einer Unix-Monopolisierung durch AT&T und Sun, so drücken die OSF-Founder auf die Tränendrüse, muß abgewendet werden. Deshalb sollen sich IBM-Chef John Akers und DECs Ken Olsen, die Erzrivalen, an einen Tisch gesetzt haben? Angesichts der Mißerfolge des US-Telefonriesen im Computergeschäft nimmt man Big Blue das OSF-Theater nicht ab. Nein, dem Mainframe-Monopolisten geht es einmal mehr darum, seine alten Proprietary-Reservate abzuschotten und gleichzeitig die Unix-Bewegung unter dem strategisch wichtigen Neukundenaspekt zu kontrollieren. Wer's nicht glaubt, sollte die Silverlake-Ankündigung abwarten.

Auch bei DEC und HP können Parkschutzmotive und Unix-Spaltungsabsichten unterstellt werden - alles einige Nummern kleiner natürlich, was die Marktpower betrifft. Hier haben wir den wahren Kern der OSF-(Unruhe-)Stiftung - die Europäer Siemens, Nixdorf, Bull und Philips sind in diesem Schelmenstück nur Staffage. Sie sind zur falschen Zeit auf den falschen Zug gesprungen. Hierzulande ist Unix ja bereits gegessen, die Polarisierung (IBM mit Proprietary-Systemen gegen den Rest der DV-Welt) zumindest im Bereich der mittleren Rechner längst da. Wozu also einen weiteren Standard - noch dazu ohne die Unix-Urmutter AT&T?

Wie gesagt, wenn es nicht so lustig wäre, man könnte sich totlachen. Andererseits ist Schadenfreude nicht angebracht. Bis die Nixdorfs und Siemens' den Trick kapiert haben, könnte immerhin doch eine Menge Portabilitäts-Porzellan bei Erstanwendern zerschlagen werden. Das Problem reduziert sich darauf, wie Großanwender und Behörden reagieren werden. In der X/Open-Gruppe und den Posix-Normungsgremien haben sie sich zuletzt stark engagiert. So ist nicht anzunehmen, daß sie der eigenmächtigen OSF-Hersteller-Initiative gesteigerte Beachtung schenken werden. Es ist schön, daß sich die IBM zu Unix committed - aus welchen Gründen auch immer. Ansonsten bliebt abzuwarten, wie sich Mother Blue, etwa bei SAA oder den Schrägstrichmaschinen, gegenüber ihren Kunden und Softwarepartnern verhalt. Die German Unix User Group (GUUG) hat sich bereits in diesem Sinne geäußert.

Vorerst läuft aber ein OSF-Krimi weiter in dem der Schurke offenbar entlarvt, aber einstweilen erst großzügig eingekreist wurde. Hohe Einschaltquoten sind freilich nicht mehr garantiert. Dem Publikum, sprich: dem mündigen Anwender, kann Qualität zugemutet werden. Mit "Open-Software"-Ankündigungen ohne "Specs" (Spezifikationen) fangt man keine MIS-Manager mehr (siehe: 3 von 4 . . .). Das müssen die Hersteller nunmehr zur Kenntnis nehmen.