OSF: Reminiszenz an einen Irrtum

22.05.1992

Welche Ziele hatte die Open Software Foundation (OSF)? Das wissen die OSF-Gründer womöglich selbst nicht mehr. Aber das ist nun auch egal. Offensichtlich wollen die Beteiligten so schnell wie möglich raus aus der Sache (CW Nr. 20 vom 15. Mai 1992, Seite 1: "OSF: Nein zu eigener Unix-V.4-Alternative"). Dabei hätten sie Grund zum Feiern: Beinahe auf den Tag genau vor vier Jahren wurde die Herstellervereinigung von IBM, DEC, HP, Apollo, Bull, Siemens, Nixdorf und Philips aus der Taufe gehoben. Und natürlich dachten sich IBM & Co. etwas dabei: "Die Errichtung der... ist die Antwort auf das drängende Verlangen nach einer offenen, vernünftigen und gerechten Vorgehensweise, um die Standards zu schaffen, die unsere Kunden verlangen und die ihre langfristigen Investitionen schützen" - keine Kurzfassung des kommunistischen Manifests fürs Kabarett, sondern ein Originalzitat aus dem Pressetext zur OSF-Ankündigung.

Hinter dieser Schmonzette verbarg sich eine Kriegserklärung an das konservative Unix-Lager - und die trotzige Erkenntnis: Lieber blau als AT&T. Davon wollen die OSF-Oberen heute nichts mehr wissen. Der Unix-Krieg hat nicht stattgefunden, weil die Anwender nicht hingegangen sind. Diese können sich - OSF hin, Unix International her - in jedem Fall als Sieger fühlen.

Nicht ganz falsch lag auch der CW-Kolumnist, als er vor 20 Monaten feststellte: "Das Kapitel OSF scheint abgeschlossen." Die Fortsetzung liest sich so: "Nicht wenige Unix-Kenner hielten die Stiftung der OSF vor zwei Jahren für eine Schnapsidee. Zwei Gründe sprachen nach ihrer Ansicht gegen die OSF-Möchtegerne: Was die Gründungsmitglieder als Motiv für das Bündnis angaben, nämlich ein Unix Monopol des Lizenzgebers AT&T zu verhindern, schien nicht glaubwürdig. Überdies wollten die Anwender keine Zweiklassen-Gesellschaft im Unix-Bereich" (Kolumne "Die OSF hat ihre Schuldigkeit getan" in der CW Nr. 32 vom 10. August 1990).

Schadenfreude ist nicht angebracht. Wenn die Hersteller aus dem unnötigen und für die Anwender nervenden Streit um Unix gelernt haben, dann kann das die weitere Entwicklung auf dem Open-Systems-Sektor nur positiv beeinflussen. Daß Rück fälle in proprietäres Gehabe vorkommen, auch weiterhin vorkommen werden sollte keine Veranlassung für übertriebenen Pessimismus sein.

Anwenderunternehmen, die ihre "Buying Power" gezielt einsetzen, indem sie offene Standards bei Ausschreibungen verbindlich vorschreiben, lassen sich das Heft, Stichwort: Käufermarkt, nicht mehr aus der Hand nehmen. Und auch wer (proprietäre Systeme) nicht kauft, sitzt gegenüber den Herstellern am längeren Hebel: Entgangener Umsatz - diese Sprache verstehen sie.