OS2: Nichts als Marketing

01.09.1989

Eine amerikanische Organisation hat Interesse an Softwarehilfen bekundet, die OS/2-Anwendungen auch unter MS-DOS zur Verfügung stellen, berichtet das US-Magazin "Datamation". Beim "National Center for Manufacturing Sciences" wurden neue Anwendungen auf PS/2-Systemen im OS/2-Betrieb eingeführt, doch die Benutzer wollen in ihrer vertrauten MS-DOS-Umgebung bleiben. Daraus folgt zweierlei: Die Anwender machen nicht ohne Not jeden technischen Schnickschnack mit, was den Anbietern wiederum eine Lehre sein sollte, nichts

gegen die Interessen der Benutzer zu tun. Furchtbarer Gedanke: Das ganze Marketing-Blabla ginge über Bord, wenn sich die Hersteller an diese Regel hielten.

Sie tun es, Bill Gates sei Dank, nicht. Im Gegenteil: Was da von Microsoft und IBM auf dem OS/2-Brettl inszeniert wird - nichts als Marketing, nichts als Marketing. Nirgends weicht die Produktpolitik der Anbieter so weit von der Marktrealität ab - was die alerten Analysten der International Data Corporation (IDC) freilich nicht hindert, lichtblaue Prognosen für die Entwicklung des OS/2-Marktes in die Welt zu setzen. Man lese und staune: An die 2,5 Millionen OS/2-Auslieferungen sollen laut IDC 1992 erreicht werden. Welch ein Anstieg: Im vergangenen Jahr wurden gerade 65 000 OS/2-Systeme abgesetzt, heuer sollen 125 000 Einheiten einen Abnehmer finden.

Doch was sind schon zwei Millionen Einheiten, die zur OS/2-Wende fehlen, wenn die IBM den Erfolg will? Einen Anwenderauftrag kann sie aus der OS/2-Situation freilich nicht herleiten. Also müssen andere Wege beschritten werden. Von IBM-nahen Softwarehäusern und Beratern wird verlangt, daß sie den OS-Refrain ("Friß oder wirb") immer wieder vorsingen. Noch fügen die Anwender ein kräftiges "D" hinzu. Fragt sich nur, wer den längeren Atem hat.