IBMs neues Mainframe-Betriebssystem

OS/390 ist tot - lang lebe zOS

20.04.2001
MÜNCHEN (CW) - IBM hat die Version 1.1 von "zOS" vorgestellt. Das 64-Bit-Betriebssystem für Mainframes bietet eine Reihe von Neuerungen.

IBM hatte zOS bereits Ende vergangenen Jahres angekündigt. Damals wurde die Konsolidierung der gesamten Server unter dem Mantel "e-Serie" propagiert und die Großrechner "zSeries 900" (Codename "Freeway") vorgestellt. Genau für diesen Rechnertyp ist zOS maßgeschneidert. Zwar läuft das Betriebssystem auch auf den älteren "G5/G6"-Modellen der S/390-Familie und der "Multiprise 3000", diese können von den erweiterten Funktionen aber nur in beschränktem Umfang Gebrauch machen.

Läuft zOS auf einem Freeway-Server, dann unterstützt es die Speicheradressierung mit 64 Bit Breite. Damit wirkt sich der große Hauptspeicher dieser Server, der 5 bis 64 GB umfassen kann, auf die Leistung aus. Bislang wurden die Hauptspeicher der IBM-Mainframes (und der dazu kompatiblen) in 2-GB-Segmente aufgeteilt, so dass die Daten größerer Applikationen zwischen Main- und Expanded-Memory verschoben werden mussten. Mit zOS auf den Freeway-Rechnern kann nun der ganze Hauptspeicher von einer einzigen Anwendung genutzt werden. Die größere Hauptspeicheradressierung ermöglicht es IBM auch, die Multiprozessorfähigkeit der Hardware zu steigern: Die Modelle der z900-Serie lassen sich auf 16 Wege ausbauen. Die ersten Freeway-Server, die zur Jahreswende auf den Markt kamen, wurden noch mit dem 31-Bit-Betriebssystem OS/390 ausgeliefert.

Neben der größeren Hauptspeicheradressierung hat Big Blue dem neuen Betriebssystem den "Intelligent Resource Director" (IRD) eingepflanzt. Er sorgt dafür, dass in den z900-Servern einer Anwendung automatisch und während der Rechenoperationen mehr Rechen- und I/O-Kapazität zur Verfügung gestellt werden kann. Der Anwender kann dazu Prioritäten für die Abarbeitung der Arbeitslast über mehrere logische Partitionen (LPARs) vergeben.

IBM nennt drei hauptsächliche Funktionen von IRD. Das LPAR-CPU-Management erlaubt es dem Workload-Manager (WLM), in einem LPAR-Cluster die Rechenpower zu verteilen. Dazu wird dynamisch die Gewichtung eines LPAR-Segments erhöht, wenn die Arbeitsbelastung steigt. Der Workload-Manager teilt dann mehr CPU-Leistung zu und optimiert zugleich die Anzahl der logischen CPUs, die online jeder Partition zugeordnet sind. Wenn sich die Gewichtung der LPAR ändert, dann variiert auch die Zahl der logischen CPUs, die dafür online geschaltet sind. Ziel ist es, die logische CPU-Geschwindigkeit möglichst nahe an die physikalische anzupassen. Das funktioniert auch, wenn eine LPAR beispielsweise für eine Linux-Anwendung reserviert ist. Allerdings soll dies erst mit der zweiten Version von zOS möglich sein, die für Oktober geplant ist, wie der englische Branchendienst "Computergram" herausgefunden hat.

Die zweite IRD-Funktion betrifft die dynamische Zuteilung von I/O-Kanälen durch das "Dynamic Channel Path Management" (DCM). Auch dabei übernimmt der WLM die Zuordnung weiterer Ressourcen, in diesem Fall Escon-Kanäle, von einer Controller-Einheit an eine andere, wenn die Datenlast es erfordert. IBM sieht darin den Vorteil, dass die Speicherressourcen besser ausgenutzt werden. Zudem verschaffe es dem System mehr Ausfallsicherheit, da bei einem Hardwarefehler ein anderer Escon-Kanal dynamisch zugeordnet werden kann. Das DCM unterstützt zunächst allerdings nur Escon- und keine Ficon-Kanäle. Allerdings will IBM noch in diesem Jahr eine Ficon-Bridge anbieten.

Die dritte IRD-Funktion nennt sich "Channel Subsystem Priority Queuing", eine Weiterentwicklung des schon von MVS bekannten "I/O Priority Queuing". Auch dabei vergleicht das System, ob eine bestimmte Aufgabe schnell genug erledigt wird oder durch die Kanalbelastung verlangsamt abläuft. Tritt dieser Fall ein, erhält diese Workload eine höhere Priorität und damit mehr I/O-Bandbreite zum Subsystem.

Eine weitere Neuerung von zOS sind die "Hypersockets". Sie stellen dem Freeway ein internes TCP/IP-Netz zur Verfügung. Damit sollen die Applikationen in verschiedenen Partitions eines Systems schneller kommunizieren können. Beispielsweise erhalten Linux-Anwendungen über den Hypersocket schnellen Zugang zu einem Datenbank-Server, der unter zOS arbeitet. Die Hypersocket-Verbindung nutzt den Memory-Bus der Freeway-Server und ist damit sehr schnell, hat aber keinen Zugriff auf den Cache-Speicher der CPU, so dass andere Aktivitäten nicht beinträchtigt werden. IBM hat in einem ersten Test die Geschwindigkeit zwischen zwei Linux-LPARs gemessen und kam dabei auf einen Wert von 1 GB/s - ungefähr 100-mal schneller als eine typische Escon-Übertragung über einen Router.

Für Anwender von besonderer Bedeutung dürfte die neue Lizenzpolitik sein, die IBM mit zOS einführt. Der neue "License Manager" untersucht, wie die einzelnen Programme genutzt werden, und stellt die Kosten dafür in Rechnung. Die Abrechnung soll dann nach dem tatsächlichen Gebrauch erfolgen und nicht mehr anhand der gesamten Systemkapazität. IBM will diese Funktion kurz vor Veröffentlichung von zOS 1.2 zur Verfügung stellen.

Was bringt der Herbst?Das für Oktober angekündigte zOS 1.2 wird Verbesserungen beim Workload-Management, TCP/IP-Networking und durch einfachere Handhabung bringen, verspricht IBM. Außerdem soll ein neues Unix-File-System - "zSeries File System" - vorgestellt werden. Speziell für das E-Business werden Sicherheitsfunktionen wie digitale Signaturen, Verzeichnisservices und Kryptografie enthalten sein.

Zwei C++ -CompilerWenn im Oktober zOS 1.2 auf den Markt kommt, wird IBM zwei C++-Compiler mitliefern. Der eine erfüllt die Ansi-Standardnorm, der andere ist kompatibel zu OS/390. Der C-Compiler für zOS 1.2 ist eine Weiterentwicklung des OS/390-2.10-Compilers.