Organisationsprüfung - mehr Sieherheit für EDV-Projekte

30.11.1979

Dipl.-Kfm. Dr. Herbert J. Schmitz, Leiter des Referates Finanzwesen in der Betriebsorganisation der R + V Versicherung, Wiesbaden

Die organisatorische Gestaltung betrieblicher Anwendungssysteme stellt immer noch ein äußerst schlechtstrukturiertes Problem dar. Bei Projektbeginn besteht im allgemeinen keine präzise Definition der Gestaltungsaufgabe; Anforderungen an das zu entwickelnde System werden grob und unvonständig vorgegeben. Häufig ist nicht mehr vorhanden als der konkrete Anlaß zu einer Svstemänderung, sei es, daß das bestehende System ineffizient geworden ist, schwere Mängel aufweist, die Benutzeranforderungen sich geändert haben oder neue Technologien und Verfahren eine wirtschaftlichere Lösung versprechen.

Erschwerend tritt hinzu, daß oftmals keine exakten Lösungsmethoden existieren und Entscheidungen über die Ausprägungen des geplanten Systems bei unvonkommener Information getroffen werden, weil die Systemtransparenz gering und der Informationsstand über die Auswirkungen des projektierten Systems sowie über spezifische Anpassungserfordernisse niedrig ist.

In dem Maße, wie der Gestaltungsaufgabe dieser Ungewißheitscharakter anhaftet, besteht auch die Gefahr einer unerwünschten Entwicklung der Projektaktivitäten und Projektergebnisse - es bestehen Entwicklungsrisiken. Projektarbeit unter nicht kalkulierten Risiken heißt Fehlc;ntwicklungen bewußt in Kauf nehmen. Es können unvorhergesehene - nicht unbedingt unvorhersehbare - Ereignisse folgen, bei deren Eintreten sich gefällte Entscheidungen als Fehlentscheidungen erweisen. Projektleiter und EDV-Manager fürchten diese "show-stopper", die - trotz sorgfältiger Planung und methodischem Vorgehen - unverhofft die Arbeit von Wochen in Frage stellen. ja sogar bei irreversiblen Fehlern den völligen Neubeginn eines Projektes bedeuten können.

Deshalb wurden in der Vergangenheit Planungstechniken, Gestaltungsmethoden und Projektmanagementverfahren zunehmend verbessert und verfeinert. Allein angewandt, bieten sie dennoch keinen ausreichenden Schutz gegen Fehlplanungen und Projektflops. Notwendige Ergänzung dieser Maßnahmen ist eine Organisationsprüfung, die störende Einflüsse auf die organisatorischen Gestaltungsprozesse prognostizieren und Fehlentwicklungen bereits im Ansatz aufdecken kann.

Prophylaktische Diagnose

Die präventive Organisationsprüfung, die sich im Gegensatz zur traditionellen Revision weniger vergangenheitsorientiert korrigierend als vielmehr prophylaktisch diagnostizierend versteht, ist ein geeignetes Instrument des EDV-Managements zur Prüfung des Geplanten, zur Feststellung des Realisierten und zur Absicherung getroffener wie zur Vorbereitung zukünftiger Entscheidungen. Bei der Entwicklung von Anwendungssystemen fällt der Organisationsprüfung die Aufgabe zu, Mängel und Inkonsistenzen projektierter Systeme im Vorfeld der Systemeinführung zu erkennen. Sie muß Konzeptionen überprüfen, Planungen evaluieren, Entscheidungsalternativen bewerten, neuralgische Punkte und Probleme entdecken und jederzeit den aktuellen Projektstatus objektiv ermitteln.

Durchgeführt wird die Organisationsprüfung von einer interinstitutional besetzten Prüfungseinheit, der Organisatoren, EDV-Spezialisten, Revisoren und Mitarbeiter der projekttangierten Fachabteilungen angehören. Diese temporäre, auf Projektdauer angelegte Prüfungsinstitution ist disziplinarisch direkt der Geschäftsleitung unterstellt. Die einzelnen Mitglieder der Prüfungseinheit sollen

- prophylaktisch wirken, das heißt die überwachten Projektmitarbeiter aus der Kenntnis der Überwachung heraus zu normkonformem Handeln anhalten und

- diagnostisch wirken, das heißt Organisationsmängel frühzeitig feststellen und beseitigen helfen.

Berater mindern Risiken

Die Organisationsprüfer werden damit zu neutralen Beratern der jeweiligen Projektteams. Als Regler in einem kybernetisch interpretierten Gestaltungsprozeß steuern sie die Effizienz der Gestaltungsaktivitäten. Ihre ausgewogene Ergebnisbeurteilung, Abweichungsanalyse und Informationsaufbereitung dient der, Absorption von Ungewißheit und folglich der Beseitigung von Entwicklungsrisiken.

Dagegen stehen die Vorbehalte des Managements und die Wider-stände der betroffenen Personengruppen. Organisationsprüfung - das weckt Assoziationen wie Mißtrauen, Leistungskontrolle, Reglementierung, erzeugt Ängste, kompensatorisches Verhalten, Vorstellungen und Vorurteile, die auf Unkenntnis basieren. Zwar ist die Tatsache einer Verhaltensbeeinflussung unbestritten und im positiven Sinne auch beabsichtigt, sie ist jedoch nicht das Hauptanliegen der Organisationsprüfung. Es geht vielmehr darum, die Projektbeteiligten durch gemeinsame Identifikation mit den Projektzielen zu motivieren. Kooperative, sich ergänzende Zusammenarbeit von Projekt- und Prüfungsteam ist das anzustrebende Ergebnis eines solchen Identifikationsprozesses. Organisationsprüfung erweist sich so als wertvolles Instrument des "riskmanagement" zur Sicherung von EDV-Projekten.