Ob UEFA oder Siemens - von Frankreich in die Welt

Orange: Morgens Merck, nachmittags Tour de France, abends EURO

06.07.2016
Von 


Simon Hülsbömer betreut als Senior Research Manager Studienprojekte in der Marktforschung von CIO, CSO und COMPUTERWOCHE. Zuvor entwickelte er Executive-Weiterbildungen und war rund zehn Jahre lang als (leitender) Redakteur tätig. Hier zeichnete er u.a. für die Themen IT-Sicherheit und Datenschutz verantwortlich.

Bei SDN schon sehr weit

Ein weiteres großes Orange-Projekt ist das Software-defined-Network-Programm (SDN). Im vierten Quartal 2016 will man global mit "Network as a Service" starten - maßgeschneiderte Netzwerk-Infrastruktur auf Software-Basis für seine Kunden bereitstellen. "Schon heute können wir dafür mit acht Rechenzentren in der ganzen Welt operieren", berichtet Connectivity-Spartenchef Pierre-Louis Biaggi. "Bis Ende 2017 werden es 18 sein, bis Ende 2019 mehr als 40." Als einer der wenigen für SDN trommelnden Player ist man bei Orange aber auch tatsächlich schon heute in der Lage, mit nur wenigen Klicks über eine Browser-Oberfläche sich sein Software-defined Network zusammen zu klicken - das präsentierte das Netzwerk-Team in dieser Woche stolz im Rahmen einer Präsentation in den "Orange Gardens", dem hauseigenen Technologie- und Forschungszentrum mitten in Paris.

Security, Analytics, IoT

Neben den Bestrebungen, eine orange-eigene Threat-Ingelligence-Datenbank gegen Cyberrisiken zu bauen, kooperiert Orange mit dem unabhängigen europäischen CERT Lexsi, um dem Denial of Service (DoS) Einhalt zu gebieten. "Security und Cyber-Defense sind mit die wichtigsten Geschäftsfelder unseres Unternehmens", unterstreicht Thierry Bonhomme, CEO von Orange Business Services. Und auch in den Bereichen Internet der Dinge / Industrie 4.0 möchte man sich nicht lumpen lassen und kündigt mit "Datavenue" ein Großprojekt an, dass neben Analytics-Lösungen auch die Plattform für neue Industriesteuerungssysteme und Smart-Home-Lösungen geben soll.

"Datavenue" soll als Plattform für alle Orange-Aktivitäten rund um das Internet der Dinge dienen.
"Datavenue" soll als Plattform für alle Orange-Aktivitäten rund um das Internet der Dinge dienen.

Wie die Wachstumspläne aussehen

Darüber, was Orange Business Services in nächster Zeit international plant, haben wir exklusiv mit dem Österreicher Helmut Reisinger, dem Executive Vice President International, gesprochen.

CW: Herr Reisinger, Sie verantworten das gesamte Kundengeschäft von Orange Business Services außerhalb Frankreichs. Wen adressieren Sie genau?

HELMUT REISINGER: Wir kümmern uns primär um internationale Großkunden, weil es für uns keinen Sinn macht, beispielsweise ein Projekt mit einer lokalen Krankenkasse in einem deutschen Bundesland anzugehen. Da heben wir nicht unsere globalen Infrastruktur-Ressourcen. In Märkten, wo wir ein inländisches Netzwerk haben - wie in Polen, der Slowakei oder Frankreich - kümmern wir uns aber auch um kleine und mittelständische Unternehmen.

Helmut Reisiniger verantwortet seit Anfang 2015 alle nicht-französischen Kunden von Orange Business Services.
Helmut Reisiniger verantwortet seit Anfang 2015 alle nicht-französischen Kunden von Orange Business Services.
Foto: Orange Business Services

CW: Wenn Sie sich die verschiedenen Ländern und auch die Unternehmensgrößen einmal anschauen: Wie steht es um die digitale Transformation, wo liegen die Unterschiede?

REISINGER: Ich würde keine Regel ausgeben, dass der Mittelstand benachteiligt oder weniger innovativ ist im Vergleich mit den Konzernen. Ich sehe ihn sogar eher als Innovationstreiber, weil kleinere Unternehmen mit ihren Ideen schneller am Markt sind und ihre Projekte schneller ausrollen können. Zudem können sie schneller Gelegenheiten nutzen, die sich durch die Digitalisierung ergeben. Die großen, internationalen Konzerne hingegen sind indes eher die, die die Trends schneller erkennen - dadurch, dass sie weltumspannend tätig sind und mögliche neue Konkurrenten beispielsweise schneller auf dem Schirm haben.

Was den Ländervergleich angeht: Beispielsweise war ich gerade in Südamerika unterwegs. Das Einzelhandelsgeschäft in Chile ist genauso der digitalen Transformation unterworfen wie es in Deutschland, in Österreich oder in Frankreich der Fall ist. Da sehe ich auch länderbezogen keine großen Unterschiede. Die Start-Up-Szene ist gut in Berlin, in Wien, in London, in Paris, auch in kleineren Ländern. Nicht die Geographie ist entscheidend, sondern eher die Rahmenbedingungen für den Innovationsgeist. Da ist es egal, ob es sich um ein großes oder ein kleines Unternehmen handelt.

Europa hat viel geschaffen in punkto Preistransparenz und Wettbewerbsfähigkeit. Nur muss man aufpassen, dass Freiräume für Forschung und Entwicklung bestehen bleiben. Europa hat 500 Millionen Einwohner, aber über 100 Carrier. Die USA haben 360 Millionen Einwohner, aber nur drei große und ein paar kleinere Carrier. Hieraus ergibt sich die Frage, wieviel man als Carrier für Innovationen wo investieren kann.

Mobile Payment als wichtiger Baustein

CW: Wie wichtig ist das Thema Innovation für den Orange-Konzern?

REISINGER: Wir geben 800 Millionen Euro jährlich für die Bereiche Forschung und Entwicklung aus. 3000 Ingenieure arbeiten hier in unserem Innovationszentrum "Orange Gardens" in Paris, wir haben weitere Standorte in Seoul, San Francisco, im jordanischen Amman, an der Elfenbeinküste oder auch in Polen. Insgesamt sind es 15 Forschungszentren weltweit, jedes mit einem bestimmten Schwerpunkt. Zwei wichtige Projekte, an denen wir gerade arbeiten, sind die Themen Blockchain und Mobile Payment - in beide Bereiche hat Orange Ventures kräftig investiert.

CW: Wie sieht Ihre Mobile-Payment-Strategie aus?

REISINGER: Beim mobilen Bezahlen haben wir schon früh begonnen - so haben wir in Afrika bereits 120 Millionen Mobile-Payment-Kunden, von denen 18,5 Millionen unseren Service "Orange Money" für simple Überweisungen nutzen. In Afrika ersetzt das Telefon bei sehr vielen Menschen das Bankkonto, deshalb sind die mobilen Bezahldienste gerade hier so erfolgreich. Darüber hinaus bieten wir mit "Orange Cash" in Partnerschaft mit den großen Kreditkartenunternehmen NFC-Bezahlung direkt am Point of Sale an. Und zu guter Letzt haben wir kürzlich 65 Prozent der französischen Groupama Banque übernommen, weil wir glauben, dass sich aus der Verknüpfung von Finanzdienstleistungen und Mobile sehr gute neue Lösungen schaffen lassen. Das treibt zum einen die Innovation und zum anderen auch unsere Diversifikation.

"Deutschland ist einfach fantastisch"

CW: Orange Business Services setzt auch bei deutschen Konzernen große Transformationsprojekte um, beispielsweise bei Siemens und Henkel, neuerdings auch bei Merck. Was bedeutet der deutsche Markt für Sie?

REISINGER: Deutschland ist für uns ein sehr wichtiger Markt - wenig erstaunlich, weil es in Europa eine der großen Heimatbasen für multinationale Unternehmen ist - egal, ob große oder mittlere Unternehmen. Im Bereich E-Health setzen wir aktuell beispielsweise mit einem deutschen Mittelständler ein großes Internet-of-Things-Projekt gemeinsam um. Deutschland ist einfach fantastisch, weil die Kunden dort weltweit agieren. Ungefähr 350 unserer Ingenieure sind in Deutschland und Österreich tätig - wir haben beide Länder zu einer gemeinsamen Organisation zusammengefasst.

Unsere deutschen Kunden legen wegen ihrer starken Exportausrichtung viel Wert auf Kosteneffizienz, deshalb hat sich der Hybrid-Network-Trend hier auch schon früh abgezeichnet. Im Vergleich zu anderen Ländern ist auch das Thema Security in Deutschland wichtig. Aktuell beschäftigen sich darüber hinaus viele unserer deutschen Kunden mit der Migration auf Office 365 und legen viel Wert darauf, dass die Applikationserfahrung beim Service-Provider stark ausgeprägt ist. Darüber hinaus sind zentrale Ansprechpartner für Projekte und die schnelle Integrationsfähigkeit bei Akquisitionen gefragt.

CW: Wie bewerten Sie den Brexit?

REISINGER: Sowohl Orange Business Services als auch die Orange Group haben am Freitagmittag eine interne Mitteilung an alle Mitarbeiter herausgegeben, dass wir auch weiterhin Geschäfte im bisherigen Umfang mit Großbritannien tätigen wollen. Wir haben große Kunden in England. Makroönomisch gesehen ist es aus meiner Sicht eine bedauernswerte Entscheidung. Man wird sehen, was passiert - ich hoffe darauf, dass es einen "Exit vom Brexit" gibt.

Disclaimer: Orange Business Services übernahm im Rahmen einer Internationalen Pressetour nach Paris sämtliche Reise- und Logiskosten der Teilnehmer, u.a. auch für den Redakteur der COMPUTERWOCHE.