Zweifel an Buchungspraktiken des Übernahmeobjekts

Oracle zieht alle Register im Kampf um Peoplesoft

28.11.2003
MÜNCHEN (CW) - Oracle hält an seinem Plan fest, Peoplesoft im Zuge einer feindlichen Übernahme zu schlucken. Mit der Behauptung, der ERP-Anbieter habe seine Umsätze falsch ausgewiesen, goss Oracle weiteres Öl ins Feuer.

In einer Telefonkonferenz am Montagabend traten Oracles Executive Vice President Chuck Phillips, der oberste Finanzverantwortliche Jeffrey Henley und Executive Vice President Safra Catz kursierenden Gerüchten entgegen, Oracle habe sein Übernahmeangebot zurückgezogen.

Man werde Peoplesoft nicht "zu jedem unsinnigen Preis" kaufen, halte aber an den Fusionplänen fest. Ferner gaben die drei Manager bekannt, Oracle werde im Januar nächsten Jahres vier eigene Kandidaten für das Board of Directors von Peoplesoft ins Rennen schicken. Zudem warfen die Führungskräfte Peoplesoft vor, seine Geschäftsergebnisse für das dritte Quartal besser dargestellt zu haben, als sie tatsächlich hätten bilanziert werden dürfen.

Der Hintergrund dieser Ankündigungen und Vorwürfe ist mittlerweile etwas komplizierter. Begonnen hatte alles damit, dass Peoplesoft kurz nach dem ersten Übernahmeangebot von Oracle im Juni 2003 eine Giftpille (Poison Pill) in Form eines "Customer Assurance Program" (CAP) verfertigte. Darin versprach das Unternehmen seinen Kunden die Rückzahlung ihrer Lizenzgebühren, sollten im Falle einer Übernahme durch Oracle bestimmte Bedingungen nicht erfüllt sein. Hierzu zählte unter anderem, dass Oracle sich verpflichten müsse, die Peoplesoft-Lösungen fortzuentwickeln und zu unterstützen.

Diese Bedingungen hatte Peoplesoft im Oktober noch einmal verschärft. Unter anderem haben Kunden nun schon dann Anspruch auf eine Entschädigungszahlung, wenn es einen Wechsel in den Mehrheitsverhältnissen des Peoplesoft-Boards gibt. Neubesetzungen im Verwaltungsrat müssen nach den neuen Richtlinien des Unternehmens nunmehr mindestens 120 statt bisher 60 Tage vor einer Hauptversammlung bekannt gegeben werden. Deshalb hat Oracle die Nennung seiner Kandidaten auf Anfang nächsten Jahres vorverlegt.

Den Vorwurf, Peoplesoft habe die Geschäftszahlen für das dritte Quartal geschönt, begründete Finanzvorstand Henley mit bilanztechnischen Überlegungen: Aufgrund der Giftpillen-Bestimmungen, die Peoplesoft selbst festlegte, hätte ein Teil der Umsätze, die das Unternehmen in seinem Geschäftsbericht für das dritte Quartal verbuchte, gar nicht eingerechnet werden dürfen. Ein Teil der Umsätze könne erst dann im Geschäftsbericht aufgeführt werden, wenn Ansprüche aus den Giftpillen-Bestimmungen verjährt sind.

Peoplesofts Unternehmenssprecher Steve Swasey wendet sich gegen diese Sicht. Oracles Behauptung, dass Zahlungsansprüche von Kunden aus dem CAP-Programm von Peoplesoft selbst beglichen werden müssten, sei nicht korrekt. (jm)