Oracle will im Middleware-Markt Gas geben

27.09.2005
Der Datenbankspezialist trifft im Geschäft mit Java-Infrastruktur auf Bea und IBM.

Datenbanken sind Oracles Haupteinnahmequelle. Doch ausgerechnet in diesem Segment legte das Unternehmen im ersten Geschäftsquartal nur wenig zu. Bis Ende August nahm der Hersteller 492 Millionen Dollar mit Datenbank und Middleware ein, was einem Zuwachs von einem Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum entspricht. Allerdings sei der darin enthaltene Middleware-Absatz um 33 Prozent gestiegen, so dass Analysten von einem Rückgang der Datenbankverkäufe ausgehen.

Open World News

Mietlösungen

Software zur Miete, wie sie Salesforce.com arbeitet, sollen innerhalb Oracles CRM-Produktphilosophie eine herausragende Rolle spielen. "Wir werden unsere Anstrengungen in diesem Segment verdoppeln", so Ellison. Die übernommene Firma Siebel bietet mit "On Demand CRM" bereits Mietprodukte an, kooperiert hier allerdings eng mit IBM. Ob das so bleibt, ist derzeit fraglich.

Offen für Websphere

Oracle legte dar, dass künftig neben der eigenen Infrastruktur 10g auch IBMs konkurrierende Websphere-Umgebung als Plattform für Business-Lösungen zur Verfügung steht. Einerseits kann Oracle auf diese Weise seine Applikationen auch an Websphere-Kunden veräußern, andererseits kommt der Hersteller auf diese Weise Anwendern von zugekauften ERP-Produkten entgegen, die mit IBMs Produkt arbeiten.

Vertriebspartner Dell

Dell vermarktet bereits Oracle-Datenbanken und Middleware gemeinsam mit den eigenen Server-Produkten. Nun wird das Unternehmen seine Computer auch mit der ERP-Lösung "E-Business Suite" und den Programmen von J.D. Edwards im Paket feilbieten. Erwerben können Kunden dabei auch gleich einen dreijährigen Supportvertrag.

Lifetime-Support für ERP

Das "Lifetime Support Programm" richtet sich an Peoplesoft-, J.D.-Edwards- und Siebel-Kunden, die eine Migration auf die Fusion-Produkte ablehnen. Konditionen für die verlängerte Wartung liegen nicht vor.

Organisches Wachstum

Sorgen macht sich Oracle-Chef Larry Ellison wegen der Absatzschwäche des Kernprodukts aber angeblich nicht. Vielmehr gab er auf der Hausmesse "Open World" die Devise aus, die Nummer eins im Middleware-Markt werden zu wollen. Dies ist eine Kampfansage an die Platzhirsche in dem Geschäft mit Java-basierender Middleware: Bea Systems und IBM. Jedoch sieht hier Ellison anders als im Applikationssektor die Möglichkeit, organisch zu wachsen. Und Potenzial gibt es anscheinend genügend. "Viele Firmen haben noch keine Middleware, aber es gibt kaum jemanden, der keine Datenbank besitzt", so Andy Cleverly, Director Oracle Technology Marketing Emea, im Gespräch mit der computerwoche. Früher hatten Hersteller von Business-Software viele Funktionen etwa für Sicherheit und Benutzerverwaltung im Quellcode der ERP-Applikation untergebracht. Diese Features würden vermehrt in die Middleware wandern.

Oracle benötigt Middleware in großem Maße in der eigenen Entwicklung. Die zahlreichen Zukäufe von Herstellern von Business-Software erfordern Integration. Die "Fusion Middleware" dient als Grundlage, um die Funktionsbausteine der unterschiedlich programmierten Produkte von Peoplesoft, J.D. Edwards, I-flex und künftig auch Siebel im Rahmen von Project Fusion zu einer Applikationsplattform zusammenzufassen. Somit sind die Kunden der gekauften Firmen potenzielle Abnehmer der Oracle-Middleware.

Websphere geduldet

Im Gegensatz zu Oracle verfügen Bea und IBM nicht über eigene Applikationen, sondern suchen Softwarehersteller, die ihre Programme an die Plattform "Weblogic" beziehungsweise "Websphere" anpassen. Zu den Websphere-Partnern der IBM zählten auch die von Oracle geschluckten Hersteller Peoplesoft, Retek, J.D. Edwards und Siebel. Zähneknirschend entschloss sich Oracle deshalb, Websphere als Plattform für seine Business-Software ebenfalls zuzulassen. Kunden können somit wählen, ob sie die Fusion-Applikationen auf Fusion- oder der IBM-Middleware betreiben wollen. Auf diese Weise könnten Oracles Bestandskunden, deren ERP-Systeme heute auf Websphere laufen, diese Umgebung auch bei einer Migration auf die Fusion Middleware weiter nutzen. Die ersten integrierten ERP-Anwendungen des Fusion-Projekts sollen im Jahr 2008 erhältlich sein. In Richtung Koexistenz bewegt sich Oracle schon jetzt: Das nächste Release des "10g Application Server", das Ende 2006 auf den Markt kommt, soll besser als bisher IBM- und Microsoft-Produkte ankoppeln können (siehe Seite 19).

Weit weniger aufgeschlossen ist Oracle gegenüber der Forderung, konkurrierende Datenbanken mit der künftigen Middleware zu unterstützen. Fusion-Kunden wären dann in der Lage, ihre Datenbanken bei IBM oder Microsoft zu kaufen. Eine definitive Aussage dazu wird es nach Angaben von Oracle-President Charles Phillips in sechs bis neun Monaten geben. Die Verantwortlichen müssen dabei zwischen den Wünschen der Kunden und der eigenen Strategie abwägen: Bleiben Konkurrenzdatenbanken außen vor, könnte dies ERP-Kunden verärgern und so manchen zum Wechsel ihres Lieferanten veranlassen.

Datenbankstrategie unklar

Eine Öffnung der Plattform für Datenbanksysteme der Wettbewerber könnte hingegen Oracles Kerngeschäft schädigen. "Wir betrachten das Thema Datenbanken nicht religiös, aber Oracle muss garantieren, dass die Business-Applikationen performant laufen", begründet Cleverly die Denkpause seines Unternehmens. Er spielt darauf an, dass die Datenbanksysteme von IBM und Microsoft unter Umständen keine vergleichbaren Leistungsmerkmale bieten können wie das eigene Produkt.

Um möglichst viele Applikationskunden bei der Stange zu halten, hat sich Oracle auch dazu durchgerungen, die bestehenden ERP-Linien der übernommenen Softwareanbieter auch über 2013 hinaus zu pflegen. Diese Offerte richtet sich an Firmen, die eine künftige Migration auf die Fusion-Applikationen nicht vollziehen möchten.