Oracle wildert im Open-Source-Revier

14.02.2006
Sleepycat ist gekauft, Zend und Jboss stehen angeblich auf der Einkaufsliste.

Oracle hat für einen nicht genannten Betrag Sleepycat, den Anbieter der Open-Source-Datenbank "Berkeley DB", übernommen. Im Vorfeld der Akquisition hatte das US-Magazin "Business Week" berichtet, der Datenbankhersteller sei außerdem an Zend Technologies und Jboss interessiert. Insgesamt wollte sich Oracle die Einkaufstour durch die Open-Source-Gemeinde 600 Millionen Dollar kosten lassen.

Oracles Übernahmen

Januar 2005: Peoplesoft/J.D. Edwards (10,3 Mrd. $);

März 2005: Retek (650 Mio. $);

März 2005: Oblix (k.A.);

Juni 2005: Times Ten (k.A.), Profit Logic (k.A.);

August 2005: iFlex (900 Mio. $);

August 2005: Context Media (k.A.);

Januar 2006: Siebel Systems (5,85 Mrd. $);

Februar 2006: Sleepycat Software Zend Technologies? (600 Mio. $) Jboss?

Doch die Verhandlungen mit Zend und Jboss laufen offenbar nicht reibungslos. Angeblich fordern allein die Jboss-Verantwortlichen 400 Millionen Dollar. Das Angebot Oracles soll bei gerade einmal der Hälfte liegen. Bei Zend hieß es offiziell, man führe keine Übernahmeverhandlungen mit Oracle. Die Geschäftsbeziehungen zum weltweit zweitgrößten Softwarehaus seien ausgezeichnet, doch Zend wolle an seiner neutralen Positionierung im Markt festhalten.

Sollte es dennoch zu den Übernahmen kommen, könnte Oracle mit dem Application Server von Jboss, der Script-Sprache PHP von Zend und der Datenbank-Engine von Sleepycat wichtige Schaltstellen der Open-Source-Community unter seine Kontrolle bringen und damit die weiteren Entwicklungen beeinflussen.

"Statt den Open-Source-Trend zu bekämpfen, sollten wir lieber Wege finden, ihn zu unserem Vorteil zu nutzen", ließ Oracle-Boss Larry Ellison Anfang Februar auf einer Analystenkonferenz in San Francisco durchblicken.

Zudem ließen sich die Produkte einfach in die Infrastruktur des Datenbankanbieters integrieren. Ellison pries die Möglichkeiten an, den eigenen Middleware-Stack mit Open-Source-Lösungen zu kombinieren.

Die Oracle-Verantwortlichen versprechen sich davon eine breitere Kundenbasis. Anwender könnten mit dem Open-Source-Application-Server einsteigen und später weitere Oracle-Produkte wie beispielsweise Identity-Management oder die Business-Process-Management-Tools (BPM) einführen. Zudem arbeitet der Softwarekonzern verstärkt daran, seine Software als Service auf Mietbasis anzubieten. Schon in wenigen Jahren soll dieses Geschäft 50 Prozent zum Gesamtumsatz beitragen. Derzeit liegt der Anteil noch unter fünf Prozent. Mit den Open-Source-Produkten könnte Oracle seine Software-as-a-Service-Offerten (SaaS) preislich attraktiver gestalten.

Open-Source-Entwickler sollen angelockt werden

Letztendlich geht es für die großen Softwareanbieter heute darum, möglichst viele Entwickler auf die eigene Plattform zu ziehen, meint Rob Hailstone, Analyst von International Data Corp. (IDC). Mehr Produkte und Lösungen machen eine Plattform für die Kunden attraktiver und sorgten damit für steigende Wartungs- und Supporteinnahmen.

Die weltweite Open-Source-Gemeinde sieht das Oracle-Engagement mit Sorge. Ein Vorteil von quelloffener Software sei, technische Entscheidungen frei treffen zu können, ohne auf Marketing-Gesichtspunkte achten zu müssen, heißt es in einem Weblog-Beitrag. Zudem biete die Community ihren Kunden aufgrund der Vielfalt der Projekte eine große Auswahl. Sollten wenige einflussreiche Firmen die Kontrolle über die Open-Source-Welt gewinnen, seien diese Vorteile in Frage gestellt. Neben Oracle versuchen auch Firmen wie IBM und Sun Microsystems, Einfluss geltend zu machen. Hält dieser Trend an, werde die Szene in wenigen Jahren ganz anders aussehen - "ob besser, ist fraglich". (Lesen Sie auch unseren Oracle-Beitrag im Rahmen der Serie "IT-Giganten" auf Seite 14.) (ba)