Oracle und SAP buhlen um den Handel

10.04.2007
Softwareanbieter drängen in den lukrativen Retail-Markt. Dort allerdings werden die Angebote der Hersteller skeptisch gesehen.

Von CW-Redakteur Martin Bayer

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Handelsunternehmen müssten ihre IT-Infrastrukturen ausbauen, um den immer komplexeren Anforderungen der Märkte zu begegnen, lautet das Fazit von Mark Dorgan, Retail-Experte von Fujitsu Services. Auf dem World Retail Congress (WRC) Ende März in Barcelona prognostizierte der Berater, dass sich das Geschäft vom traditionellen Point-of-Sale zu einem Point-of-Customer verlagere. Künftig müssten Kunden auf verschiedenen Kanälen adressiert werden, egal, wo sie sich gerade aufhielten. "Multi-Channel ist da. Es ist nur noch die Frage, wie schnell sich die Händler darauf einstellen."

Auf allen Kanälen senden

Moderne IT-Architekturen könnten den Unternehmen dabei helfen, beispielsweise Marketing-Informationen auf verschiedenen Wegen zum Kunden zu bringen, etwa über das Handy oder einen Personal Digital Assistant (PDA), schlägt Dorgan vor. Bei den meisten Händlern sei die IT-Landschaft aber zu unflexibel, um dies zu unterstützen. Das liege daran, dass die Infrastrukturen in der Vergangenheit in der Regel unstrukturiert gewachsen seien. Service-orientierte Architekturen (SOA) könnten den Firmen jedoch helfen, ihre Legacy-Applikationen mit modernen Anwendungen zu verknüpfen und damit die Prozesse flexibler zu gestalten.

Davon profitieren wollen in erster Linie die Anbieter von Business-Software. Speziell SAP und Oracle liefern sich seit einiger Zeit einen erbitterten Kampf um die Handelsbranche. Spätestens seit dem Übernahmepoker um den Retail-Spezialisten Retek im Jahr 2005, den Oracle-Chef Lawrence Ellison für sich entschieden hatte, trat die Rivalität offen zutage. Beide Softwareanbieter hatten in der Folge ihr Handels-Know-how mit Akquisitionen verstärkt; Oracle kaufte 360Commerce, und SAP schluckte Triversity und Khimetrics.

SAP adressiert BRIC-Staaten

Auch auf dem Handelskongress in Spanien machten beide Softwarekonzerne ihre Ansprüche auf den Markt geltend. Duncan Angove, General Manager für den Bereich Retail bei Oracle, forderte die Handelsfirmen auf, eine klare Strategie in Sachen IT auszuarbeiten. Nur wer über seine Kunden genau Bescheid wisse und die Wirkung von verschiedenen Marktstrategien exakt einschätzen könne, sei in der Lage, die richtigen Geschäftsentscheidungen zu treffen. Dabei könne IT einen entscheidenden Beitrag leisten, um die dafür notwendigen Informationen zu erhalten.

Gerade Investoren, die im Handelsbereich aktiv seien, würden verstärkt auf die technische Ausstattung der Konzern achten, berichtete Angove. Ihnen liege daran, die Effizienz des Geschäfts möglichst schnell zu verbessern, damit sich ihr Investment innerhalb weniger Jahre bezahlt mache. Der Oracle-Manager warb in diesem Zusammenhang natürlich für die Applikationen aus dem eigenen Haus, mit denen angeblich ein schneller Return on invested Capital (Roic) möglich sei.

SAP will sich dagegen vor allem auf neue Märkte konzentrieren, um die eigenen Retail-Geschäfte voranzubringen. Westeuropa habe mittlerweile eine gewisse Sättigung erreicht, sagte Darryl Owen, Vice President für das Segment Retail and Wholesale bei SAP in Europa. Die Expansion in internationale Märkte sichere dagegen das künftige Umsatzwachstum in diesem Bereich. Zu den größten Wachstumsmärkten zählen laut SAP-Angaben Brasilien, Russland, Indien und China. "Die Wirtschaftsräume der aufstrebenden Industrienationen sind für nationale wie internationale Handelsunternehmen zunehmend attraktiv", heißt es in einer Mitteilung des Softwarekonzerns.

Marketing-Schlacht

Um ihre Claims abzustecken, erinnern Oracle wie SAP an die eigenen Erfolge. In den zurückliegenden zwölf Monaten hätten 850 Händler einen Vertrag mit SAP geschlossen. Insgesamt versorge man mittlerweile 4100 Kunden in diesem Segment. In Indien hätten die Geschäfte im vergangenen Jahr um 70 Prozent, in Russland und der Ukraine sogar um 95 Prozent zugelegt. Oracle zufolge haben sich die Lizenzeinnahmen mit Retail-Software im zweiten Quartal des laufenden Geschäftsjahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum verdreifacht. Für die zweite Hälfte des Fiskaljahres rechnen die Verantwortlichen in der Firmenzentrale in Redwood Shores mit noch höheren Steigerungsraten.

Diese Erfolgsmeldungen wollen jedoch nicht so recht zu den IT-Signalen aus der Retail-Branche passen. In den zurückliegenden Jahren war zwar immer wieder zu hören, die Händler müssten ihre zum Teil hoffnungslos veralteten IT-Infrastrukturen modernisieren. Meist fehlte dazu jedoch das notwendige Kleingeld.

Händler wollen investieren

Das könnte sich in den kommenden Jahren ändern. Laut einer Untersuchung von Forrester Research scheinen sich die IT-Budgets der Handelsunternehmen weltweit nach Jahren mit zum Teil massiven Kürzungen wieder zu stabilisieren. Zwar bleibe das Marktumfeld für viele Firmen unsicher. Allerdings hätten die Unternehmen keinen Spielraum, die Kosten noch weiter zu drücken. Außerdem seien die Händler gefordert, neues Geschäftspotenzial zu erschließen sowie ihre Klientel zu sichern beziehungsweise zusätzliche Käuferschichten anzusprechen. Das gelinge jedoch nur mit Hilfe besserer IT-Systeme.

Forrester zufolge gehen nur fünf Prozent der befragten Händler davon aus, dass ihr IT-Budget im laufenden Jahr kleiner ausfällt als 2006. Vor zwei Jahren hatten noch 29 Prozent der Unternehmen Kürzungen einkalkuliert. Allerdings rechnen auch weniger Firmen mit wachsenden Budgets. Lag deren Anteil 2005 noch bei 62 Prozent, waren es ein Jahr später nur noch 47 Prozent. Dagegen wuchs der Anteil der Firmen, die von gleichbleibenden IT-Ausgaben ausgingen, von neun auf 38 Prozent.

Mit innovativen Ideen beschäftigen sich momentan noch die wenigsten. Auf der Prioritätenliste stehen für knapp zwei Drittel der Befragten die Aspekte Integration und Sicherheit ganz oben. Lediglich ein Viertel nannte SOA als ein wichtiges Thema für das eigene Unternehmen.