Oracle sucht neuen Kurs

15.02.2006
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.

Keiner will Kunden verlieren

Während das Tomorrow-Now-Management vom erfolgreichsten Jahr der Firmengeschichte spricht, pochen die Oracle-Verantwortlichen darauf, keine Kunden verloren zu haben. Es habe zwar Abwanderungen gegeben, diese datierten jedoch aus der Zeit des Übernahmestreits. Fast alle Peoplesoft- und J.D.-Edwards-Anwender hätten sich dazu entschlossen, an ihrer Lösung festzuhalten und weiter Support von Oracle zu beziehen. Der Datenbankspezialist hatte im vergangenen Jahr die SAP-Initiative mit einem eigenen Programm "Off SAP" gekontert. Es gebe durchaus Kunden, die ihre Plattformen auf Oracle-Basis konsolidiert hätten, hieß es. Eine genaue Zahl wollen die Verantwortlichen bislang jedoch nicht nennen. Wie nicht anders zu erwarten, weist auch SAP den Verdacht, Kunden an Oracle verloren zu haben, weit von sich.

Der erbittert geführte Kampf um die Anwendungskunden belegt, wie wichtig diese Sparte für Oracle geworden ist. Zwar macht das Applikationsgeschäft derzeit nicht einmal ein Drittel des gesamten Produktumsatzes aus, weist jedoch wegen der Zukäufe die höchsten Wachstumsraten aus. Im zurückliegenden zweiten Quartal verdiente Oracle 870 Millionen Dollar in diesem Bereich, 85 Prozent mehr als die 469 Millionen Dollar aus dem Vorjahresquartal.

Deutschland - ein schwieriges Pflaster

Speziell in Deutschland, dem Heimatmarkt von SAP, tut sich Oracle schwer. Die Walldorfer kamen hierzulande 2004 laut Gartner im Markt für Enterprise-Resource-Planning-Lösungen (ERP) auf einen Anteil von 61,6 Prozent. Rechnet man den Peoplesoft-Anteil dazu, erreichte Oracle mit gerade einmal 1,6 Prozent den fünften Platz. Während sich Oracle im internationalen Datenbankgeschäft ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit IBM liefert, dominierte Big Blue den deutschen Markt mit einem Anteil von 44,3 Prozent. Experten führen dies auf die Mainframe-Verbundenheit der deutschen Anwender zurück. Oracle folgte abgeschlagen auf Rang zwei mit 22,7 Prozent. Auch im Markt für Application Integration und Middleware (AIM) hatte IBM mit einem Anteil von 40,4 Prozent des deutschen Marktes die Nase vorn. Oracle rangiert hier mit fünf Prozent auf Platz vier.

Noch machen aber Datenbanken und Middleware-Produkte den Löwenanteil am Oracle-Geschäft aus. Rund 1,85 Milliarden Dollar des Produktumsatzes von 2,72 Milliarden Dollar gingen zuletzt auf das Konto dieser Sparte. Damit legte der Bereich im Vergleich zum Vorjahresquartal um lediglich fünf Prozent zu - zu wenig, gemessen an den hohen eigenen Ansprüchen der Vergangenheit. Ob die Datenbanken oder Produkte rund um Application Server und Integrationsplattform für dieses bescheidene Wachstum verantwortlich waren, lässt sich nicht sagen, da die Oracle-Verantwortlichen keine separaten Zahlen für beide Bereiche ausweisen. Da der weltweit zweitgrößte Softwareanbieter jedoch Quartal für Quartal Zuwächse im Middleware-Geschäft betont, über die Lage im Database-Segment dagegen schweigt, wird man das Wachstum der Middleware-Sparte zuschreiben dürfen. Das Datenbankgeschäft stagniert.