Datenbankhersteller will Anwenderveranstaltungen beeinflussen

Oracle sucht die Konfrontation mit internationalen User Groups

26.01.1996

"David bekommt kalte Fuesse", beschreibt Claus Rautenstrauch, Communication Director der European Oracle User Group (EOUG), die Situation der Anwendervertretung. Oracle droht offenbar auch hier trotz bestehender Vertraege mit einer Gegenveranstaltung zu der im Jahresrhythmus stattfindenden Benutzerkonferenz, deren Hausherr noch die EOUG ist. Zumindest hat der Datenbankhersteller bereits fuer dieses Jahr ein Anwendertreffen mit der Bezeichnung "Oracle Open World" angekuendigt.

Damit verpasst der Hersteller seiner Anwenderkonferenz, die in diesem Jahr vom 14. bis 17. April in Amsterdam stattfinden soll, kurzerhand und ohne Zustimmung der User Group ein eigenes Label. Rautenstrauch registriert enttaeuscht: "Der Widerstand in der EOUG weicht bereits auf."

Das habe mehrere Gruende so der User-Vertreter weiter. Zum einen besteht die europaeische Benutzervertretung zum ueberwiegenden Teil aus Repraesentanten von Oracle-Partnerfirmen, die sich keine Kontra-Politik erlauben koennen. Ausserdem finanziert sich das Gremium nicht aus Mitgliedsbeitraegen, so dass die Unabhaengigkeit der Gruppe ohnehin auf toenernen Fuessen steht.

Statt Anwenderwissen Showtime fuer Consumer

Auch Ueberschuesse aus den Einnahmen fuer die Konferenzen decken die Millionenbetraege nicht, die notwendig sind, um die Veranstaltungen ohne Zugabe von Oracle vorzufinanzieren. Zudem kamen bislang sowohl in amerikanischen als auch in europaeischen Konferenzen etwa 60 Prozent der Fachvortraege von Oracle-Mitarbeitern. Streicht Oracle die Unterstuetzung, fallen die Vorfinanzierung, Einnahmen aus dem Verkauf von Eintrittskarten und die Vortraege weg.

Fred Janssen, Director Marketing bei Oracle und zustaendig fuer Europa, den Mittleren Osten und Afrika, dementiert sowohl die Ankuendigung einer europaeischen Oracle Open World als auch die Absicht, kritische Anwenderbeitraege aus dem Veranstaltungsprogramm zu streichen. Bis zum Jahr 2000 regelten Vertraege das Zusammenspiel mit der EOUG-Konferenz wie die Teilnahme von Oracle- Mitarbeitern und die angebundene Messe. An eine Aufkuendigung der Kooperation sei nicht gedacht. Man intendiere lediglich eine weltweite Namensaenderung der Benutzerveranstaltungen. Mit den bisherigen Bezeichnungen der Veranstaltungen wie "International User Week" koennten die Anwender nichts anfangen, waehrend die Oracle Open World selbst im Consumer-Markt Bedeutung erlangen koenne.

Adressiert wird mit den unbenannten Konferenzen nicht mehr der Fachbesucher aus Anwendungsunternehmen, wie EOUG-Mitglied Rautenstrauch beobachtet, sondern in erster Linie der Konsument.

In Amerika, wo die Benutzergruppe ihre Veranstaltungen nicht unter dem Oracle-Segel stattfinden lassen will, fuehrt der Konflikt zunaechst zu zwei Veranstaltungen; die IOUW wird in diesem Jahr vom 15. bis 20. September stattfinden. Zack Nelson, Vice-President of Marketing bei Oracle: "Wir unterstuetzen diese Veranstaltung weder mit Geld noch mit Vortraegen und ebensowenig mit Ausstellungen." Bislang investierte Oracle etwa zehn Millionen Dollar pro Konferenz. Zugleich hat Oracle nach Informationen der CW- Schwesterpublikation "Computerworld" Vertreter regionaler Benutzergruppen dazu aufgefordert, fuer die Open World vom 3. bis 7. November in San Franzisko Beitraege zu liefern.

Waehrend John Kievit, Produkt-Manager bei der Western Exploration and Production Inc., Houston, sich noch fragt, auf welcher Veranstaltung er sich kuenftig weiterbilden wird, steht fuer Gerd Wassermann, stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Oracle Anwendergruppe (DOAG), bereits fest, dass lediglich die Oracle- Messe ueberlebt. Der IOUG-A fehlten das Geld und die Infrastruktur zum Ueberleben. Wassermann betont, aufgrund der Unabhaengigkeit der deutschen Anwendervereinigung sei Vergleichbares hierzulande kaum denkbar.