Oracle startet mit Fusion Applications

29.11.2007
Ab 2008 will der Hersteller erste Bausteine seiner neuen Applikationslinie herausbringen und damit dem schärfsten Konkurrenten SAP Marktanteile abjagen.

Für Oracle beginnt im ersten Halbjahr 2008 ein neues Anwendungszeitalter, wirbt Jürgen Kunz, Senior Vice President und Managing Director von Oracle in Deutschland. Erst vor wenigen Tagen hatte Oracle-Chef Lawrence Ellison durchblicken lassen, dass in diesem Zeitraum die ersten Module der "Fusion"-Applikationslinie auf den Markt kommen sollen. Damit würde der Softwarehersteller seinen vor rund zwei Jahren aufgestellten Zeitplan zumindest teilweise einhalten. Denn die für 2008 in Aussicht gestellte komplette Softwaresuite liegt noch in weiter Ferne.

Oracle macht seine Support-Hausaufgaben

Die grundsätzliche Zufriedenheit der Oracle-Anwender mit der Supportqualität ist leicht gestiegen, meldet die Deutsche Oracle Anwendergruppe (Doag) zum Auftakt der 20. Jahreskonferenz in Nürnberg. Laut der jüngsten Umfrage, an der sich in den vergangenen Wochen 502 Doag-Mitgliedsunternehmen beteiligt hatten, äußerten sich 48 Prozent der Befragten zufrieden (40 Prozent) beziehungsweise sehr zufrieden (acht Prozent) mit der Servicegüte. 15 Prozent sind unzufrieden, fünf Prozent sehr unzufrieden. 2006 lag der Anteil der verärgerten Oracle-Servicekunden bei 22 Prozent. Mit zufrieden oder sehr zufrieden votierten im vergangenen Jahr 37 Prozent der befragten Oracle-Anwender.

Trotz dieses positiven Trends gibt es für die Doag-Verantwortlichen keinen Grund zur Entwarnung. Nach wie vor gebe es in Einzelfällen Probleme, beispielsweise bei der Behandlung von komplexen Problemen. Demnach fehle Oracles Servicemitarbeitern teilweise fachliches und sprachliches Know-how. Außerdem gingen Informationen verloren, wenn die Supportfälle rund um den Globus gereicht würden. "Die Prozesse und Abläufe bei den komplexen Supportanfragen müssen weiter verbessert werden", fordert Doag-Chef Fried Saacke.

Angesichts der Produktvielfalt könne Oracle den Anwendern Support in der Muttersprache nicht rund um die Uhr und in allen Zeitzonen zur Verfügung stellen, dämpft Dieter Weißhaar, verantwortlich für den Customer Service von Oracle in Nord- und Zentraleuropa, die Hoffnungen der Anwender. Das hätte höhere Supportgebühren zur Folge.

Weißhaar kündigte jedoch Verbesserungen an. Mit "Metalink 3.0" werde es eine neue Online-Support-Plattform mit zusätzlichen Funktionen geben. Weißhaar betont vor allem den "Software Configuration Manager". Mit diesem Tool könnten Anwender Informationen über ihre Oracle-Systemumgebung hinterlegen. Damit ließen sich die Antwort- und Bearbeitungszeiten verkürzen.

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Erste Fusion-Module für CRM

Zunächst startet der Konzern mit einzelnen Softwaremodulen in die Fusion-Ära. Den Anfang machen mit "Sales Prospector", "Sales Campaigns" und "Sales Library" Werkzeuge zur Vertriebsautomatisierung (Sales Force Automation). Weitere Bausteine sollen sukzessive folgen. Wann alle Funktionen der kompletten Suite auf Basis einer Service-orientierten Architektur (SOA) vorliegen werden, vermochte Kunz nicht zu sagen.

Die Anwender warten bereits gespannt auf die neue Anwendungsgeneration von Oracle, ließ Fried Saacke, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Oracle Anwendergruppe (Doag), am Rande der 20. Jahreskonferenz der User Group in Nürnberg durchblicken. Bislang habe der Hersteller allerdings nur wenig Einblick in die Entwicklung der Fusion-Anwendungsfamilie gewährt. Wenn die ersten Bausteine verfügbar seien, werde man feststellen können, ob Oracle seine Versprechen einer offenen, auf Standards basierenden und Service-orientierten Applikationsfamilie einhalten kann. Saacke äußerte die Hoffnung, dass die Anwender frühzeitig in die Beta-programme künftiger Entwicklungen eingebunden würden.

Oracle will sich seinen Kunden als Komplettanbieter präsentieren, der den ganzen Software-Stack von der Datenbank über die Middleware bis hin zu den Applikationen bieten kann. "Es wäre schön, wenn die Anwender ganz auf Oracle setzen", wünscht sich Kunz. Allerdings müsse man als Softwarehersteller realistisch genug sein, auch Third-Party-Produkte einzubinden. Kunz zufolge stehe das Thema Integration ganz oben auf der Prioritätenliste der Anwender. Deshalb gelte es für Oracle, das eigene Portfolio eng miteinander zu verzahnen und Schnittstellen zu Softwareprodukten anderer Anbieter zu schaffen.

Kein Zwangsumstieg

Oracle werde die Anwender nicht zwingen, auf die neue Produktgeneration umzusteigen, verspricht Kunz. Jeder Kunde könne wechseln, wann er wolle. Um die Anwendungskunden bis dahin bei der Stange zu halten, hat Oracle zugesichert, die bestehenden Produkte unter dem Programm "Applications Unlimited" unbefristet weiterzuentwickeln und mit Support zu unterstützen. Dieses Versprechen hat der Hersteller bis dato gehalten. Nachdem in diesem Jahr bereits eine ganze Reihe neuer Releases auf den Markt gekommen war, sind die nächsten Versionen bereits in Aussicht gestellt.

Der Lifetime Support löse jedoch nicht automatisch alle Probleme der Anwender, warnt Debra Lilley, Oracle-Expertin bei Fujitsu Services und Deputy Chairman der britischen Oracle User Group (OUG). Die Kunden müssten auf Abhängigkeiten zwischen verschiedenen Produktversionen achten. So werde es in Einzelfällen nicht möglich sein, nur ein Produkt auf den neuesten Stand zu bringen und ein anderes auf einem älteren Release-Stand zu halten. Positiv bewertet Lilley Oracles Entwicklungsanstrengungen. Früher habe der Konzern zwar immer seine Zeitpläne eingehalten, dafür aber teilweise nur halbfertige Produkte ausgeliefert. Heute habe sich die Qualität deutlich verbessert.

Oracles Deutschland-Chef Kunz hat keine Sorgen, sich mit der Entwicklung zu verzetteln. Der Konzern verfüge über die Ressourcen, den dafür notwendigen Aufwand neben der Entwicklung der neuen Applikationslinie zu stemmen. Die Verantwortlichen verweisen auf die rund 16 000 Entwickler in Diensten Oracles und einen Jahresetat von etwa 2,4 Milliarden Dollar.

Oracle-Kunden sind beunruhigt

Trotz aller Bemühungen gibt es aber nach wie vor Verunsicherung unter den Oracle-Kunden. Beispielsweise berichtet Stephan Klopfer, verantwortlich für die Hyperion-Produkte beim Weltbild-Verlag, von einer nach wie vor herrschenden Unruhe in der Hyperion-Community. Oracle hatte den Business-Intelligence-Anbieter Anfang März dieses Jahres übernommen. Klopfer glaubt nicht, dass alle Hyperion-Produkte weiterentwickelt werden, da es zum Teil deutliche Überschneidungen mit dem Oracle-Portfolio gebe. Man müsse nun abwarten, wie die Bereinigung des BI-Portfolios vonstatten gehe. Klopfer fürchtet Migrationen, deren finanzielle Folgen kaum abzuschätzen seien.

Kunz kündigte indes an, dass Oracle an seiner Akquisitionsstrategie festhalten werde. Seit 2005 hat der US-Konzern 37 Softwarefirmen geschluckt und dafür über 25 Milliarden Dollar ausgegeben. Der Übernahmeprozess sei mittlerweile regelrecht industrialisiert worden. Es gebe eigene Teams bei Oracle, die sich nur darum kümmerten.

Unter den Anwendern stößt Oracles Einkaufsstrategie nicht nur auf Zustimmung. Angesichts des Tempos verliere man leicht den Durchblick, klang auf der Doag-Konferenz durch. Außerdem werde es zunehmend schwierig, sich in dem breiten Softwaresortiment zurechtzufinden. Anwender ständen vor der Qual der Wahl, konstatiert User-Group-Vertreterin Lilley. Oracles Rat, das zu wählen, was das Beste für den Kunden sei, helfe nicht wirklich weiter.

Kunz bedauerte dies, erklärte jedoch im gleichen Atemzug, Oracle werde jede sich bietende Gelegenheit nutzen, um weitere Firmen zu übernehmen, deren Angebot die eigenen Produkte stärkt, auf einer offenen Architektur beruht und strategisch sowie aus Vertriebssicht in das Oracle-Portfolio passt. "Das wird nicht aufhören." (ba)