Zeitrahmen um das Doppelte ueberschritten

Oracle setzt objektbasiertes Softwareprojekt in den Sand

01.03.1996

Wie die CW-Schwesterpublikation "Computerworld" herausfand, sollte das Kundeninformationssystem mit dem Projektnamen "Sea Green" eine 22 Jahre alte Anwendung auf VSAM-Basis ersetzen. Der Vertrag mit Oracle sah die Fertigstellung bis zum Ende des vergangenen Jahres vor. Aber der durch seine Datenbank-Management- Software bekannt gewordene Anbieter musste eingestehen, dass er voraussichtlich noch zwei weitere Jahre benoetigen wuerde, um diesen Auftrag ausfuehren zu koennen. Da riss Duke Power der Geduldsfaden, und der Enegielieferant zog den Schlussstrich unter Sea Green.

Wieviel Geld die Suedstaatler dadurch verloren haben, wollen sie fuer sich behalten. Ein ehemaliger Mitarbeiter verriet jedoch, dass das Unternehmen eine Sonderabschreibung von zwoelf Millionen Dollar auf den 1995er Umsatz in Anspruch nehme.

Die Verantwortung fuer das gescheiterte Projekt lag bei Steve Perkins, Vice-President bei Oracle Consulting. Perkins macht kein Hehl aus seinem Misserfolg. "Die objektorientierten Methoden und Werkzeuge waren, wie sich herausstellte, nicht geeignet fuer ein Problem von diesem Umfang und solcher Komplexitaet."

Der waehrend der vergangenen zwei Jahre geleistete Arbeitsaufwand ist aber offenbar doch nicht ganz und gar fuer die Katz. Duke Power bemueht sich derzeit, die von den Oracle-Mitarbeitern definierten Geschaeftsregeln und Datenmodelle in eine dreistufige Architektur auf der Basis des IBM-eigenen Datenbank-Management-Systems "DB2" zu uebertragen.

Mehr Konkurrenz durch Deregulierung

Der neue Projektname spiegelt die wechselvolle Geschichte des Softwarevorhabens wider: Das Kundeninformations-System "Phoenix" wird voraussichtlich im Maerz 2000 seine Fluegel entfalten.

Projekt-Manager ist der Duke-Mitarbeiter Hugh McCutcheon. Seinen Angaben zufolge wird Phoenix in sieben Phasen ausgeliefert, waehrend derer er die Akzeptanz der Enduser staendig ueberpruefen will. "Die Benutzer koennen das System waehrend der Implementierung beobachten und notwendige Aenderungen vorschlagen", erlaeutert McCutcheon. Er betont den Unterschied zwischen diesem Ansatz und dem zuvor unternommenen Versuch, bei dem "irgend jemand" auf einen Schlag ausliefern sollte, "was das wichtigste System des Unternehmens darstellt" - ohne dass der Kunde eigentlich wusste, was er da bekommen wuerde.

Phoenix sei weit weniger ambitioniert als das Vorgaengerprojekt, raeumt McCutcheon ein. Allerdings verfolge das Unternehmen viele seiner urspruenglichen Ziele weiter. Dazu zaehle beispielsweise die Moeglichkeit, Rechnungen via Electronic Data Interchange (EDI) oder Internet zu begleichen.

Die Software-Aktivitaeten bei Duke sind kein Einzelfall. Sie muessen vor dem Hintergrund der US-amerikanischen Deregulierungswelle und der daraus entstehenden Konkurrenzsituation gesehen werden: Fast alle Energieunternehmen sind derzeit damit beschaeftigt, ihre Kundeninformationssysteme zu modernisieren, denn ein neues Gesetz wird den bislang an einen bestimmten Vertragspartner gebundenen Verbrauchern bald die Wahl ihres Lieferanten freistellen.

Bei Duke Power sollen in vier Jahren etwa 600 Call-Center- Mitarbeiter via Phoenix die Auftraege von rund einer Million Einwohnern bearbeiten.