Zilch: "Sun wird verschwinden"

Oracle muss Hardware lernen

14.09.2011
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.

HP fordert Einlenken von Oracle

Das HP-Management dementierte alle Spekulationen, der Konzern wolle sich von Itanium verabschieden, und verwies auf eine weitreichende Roadmap für seine Itanium-basierenden Integrity-Server. HPs Executive Vice President Dave Donatelli warf Oracle vor, Unternehmen und Behörden dem Risiko auszusetzen, Hunderte Millionen Dollar an Investitionen zu verlieren. Die Strategie des Konkurrenten geißelte er als schamlosen Versuch, den fairen Wettbewerb zu behindern. Donatelli verwies auf rechtlich bindende Vereinbarungen, die Oracle gegenüber HP und den betroffenen 140.000 Kunden eingegangen sei: "Wir glauben, dass dies der gesetzwidrige Versuch ist, Kunden von der HP-Itanium-Plattform auf Oracles eigene Plattform zu drängen." HP forderte Oracle auf, seine Software weiterhin für Itanium bereitzustellen, und drohte mit rechtlichen Schritten.

Davon wollen sich die Oracle-Verantwortlichen nicht einschüchtern lassen. Zu tief ist angesichts strittiger Personalentscheidungen im Topmanagement beider Unternehmen die Kluft geworden. Nachdem der langjährige HP-Chef Mark Hurd - zum Entsetzen der HP-Spitze - von seinem Freund Ellison ins Topmanagement von Oracle gelockt worden war, hatte Oracle dem Rivalen die langfristige Itanium-Unterstützung zugesagt, um die Gemüter zu beruhigen. Dazu wäre es nie gekommen, schrieb Oracle kürzlich in neu bei Gericht eingereichten Unterlagen, wenn man gewusst hätte, dass Hewlett-Packard den früheren SAP-Chef Léo Apotheker zum neuen CEO und Ellisons einstige Nummer zwei Ray Lane zum Chef des Verwaltungsrats ernennen würde. HP habe augenscheinlich versucht, so Oracle, sich "ein scheinbar dauerhaftes und kostenloses Softwareentwicklungs-Commitment für die Intel-Itanium-Plattform" zu erschleichen und dabei verschwiegen, dass die Verpflichtung von Lane und Apotheker unmittelbar bevorstand. Lane war vor Jahren von Ellison geschasst worden und gilt heute als einer der schärfsten Kritiker seines früheren Brötchengebers. Und in der Amtszeit von Léo Apotheker als SAP-Chef hatte Oracle das Walldorfer Softwarehaus wegen des Diebstahls geistigen Eigentums durch die einstige Wartungstochter TomorrowNow vor Gericht gezerrt.

HP stellt sich unterdessen auf den Standpunkt, Oracle sei den Kunden und HP gegenüber rechtlich und moralisch verpflichtet. Aus Sicht von Zilch war es indes ein geschickter Schachzug Ellisons, die Itanium-Unterstützung aufzukündigen. Oracle-Anwender würden gezwungen, von HP/UX auf eine andere Plattform zu migrieren. Sun könne dabei eine der Alternativen sein. Zudem werde HP von der künftigen Oracle-Entwicklung abgeschnitten: "Das ist extrem schmerzhaft für HP, da es eine große Zahl gemeinsamer Kunden gebe." Spies zufolge kommt Oracle gar nicht darum herum, sich mit HP anzulegen. Interessant sei, dass dabei auch persönliche Motive eine Rolle spielten: "Das zeugt jedenfalls an dieser Stelle von mangelnder Professionalität." Auch die Anwendervertreter zeigen sich irritiert. Zwar habe es bis dato keine negativen Rückmeldungen gegeben, berichtet Doag-Vorstand Neugebauer. Die Tatsache, dass Oracle so eine Entscheidung von heute auf morgen fälle, habe aber für Aufsehen gesorgt: "Das hat die Glaubwürdigkeit von Oracle in Frage gestellt." Etliche Anwender fragten sich, ob sie damit rechnen müssten, dass der Konzern in anderen Bereichen ähnlich spontan über die Zukunft von Produkten richte.