Zilch: "Sun wird verschwinden"

Oracle muss Hardware lernen

14.09.2011
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.

Akquisitionen

Anfang 2010 zog Sun Microsystems bei Oracle ein, seitdem arbeiten die Oracle-Verantwortlichen am gemeinsamen Portfolio und der Integration der Produktwelten. Seit diesem Zeitpunkt hat sich die Oracle-Strategie spürbar verändert. Das gilt in erster Linie für die zuvor aggressive Akquisitionspolitik. Seit 2005 hatte der US-Konzern eine beispiellose Serie von Zukäufen getätigt. Rund 70 Firmen standen in den vergangenen Jahren auf der Einkaufsliste des Oracle-Managements, darunter klangvolle Namen wie Peoplesoft, Siebel, Bea Systems und zuletzt eben Sun Microsystems. Schätzungen zufolge kostete den kalifornischen IT-Konzern seine Shopping-Tour weit über 40 Milliarden Dollar.

Seit einigen Monaten ist nun mehr Ruhe eingekehrt. Der Takt in Oracles Mergers-and-Acquisitions-Abteilung hat sich merklich verlangsamt. Bis auf ein paar wenige Übernahmen, die in erster Linie auf technische Verbesserungen im eigenen Portfolio zielten, hielten sich die Kalifornier zuletzt auffallend zurück.

Andreas Zilch, Vorstand des Analystenhauses Experton Group, sieht den derzeitigen Fokus der Oracle-Führung darin, Prozesse und Vertrieb zu optimieren. Zwar sei der Konzern von Haus aus schon gut und straff organisiert gewesen. Die internen Prozesse müsse ein Unternehmen wie Oracle allerdings immer wieder auf den Prüfstand stellen. Aus diesem Grund habe Ellison auch den von Hewlett-Packard geschassten CEO Mark Hurd als President verpflichtet, glaubt Zilch.

Oracles größte Übernahmen

  • Januar 2005: Peoplesoft (Enterprise-Software) für 10,3 Milliarden Dollar;

  • April 2005: Retek (Retail-Softwarelösung) für 630 Millionen Dollar;

  • August 2005: i-flex (Bankensoftware) für 900 Millionen Dollar;

  • Januar 2006: Siebel (Customer-Relationship-Management) für 5,85 Milliarden Dollar;

  • April 2006: Portal Software (Abrechnungslösung) für 220 Millionen Dollar;

  • Oktober 2006: Metasolv (Servicelösung für Telkos) für 219 Millionen Dollar;

  • November 2006: Stellent (Content-Management) für 440 Millionen Dollar;

  • März 2007: Hyperion (Enterprise-Performance-Management) für 3,3 Milliarden Dollar;

  • Mai 2007: Agile (Product-Lifecycle-Management) für 495 Millionen Dollar;

  • Januar 2008: Bea Systems (Middleware) für 8,5 Milliarden Dollar;

  • Januar 2010: Sun Microsystems (Server, Storage) für 7,4 Milliarden Dollar;

  • April 2010: Phase Forward (Healthcare-Softwarelösung) für 685 Millionen Dollar;

  • November 2010: Art Technology Group (E-Commerce-Software) für eine Milliarde Dollar.

Ein deutliches Zeichen für die strategische Wende sei das Ausscheiden von Charles Phillips, meint IDC-Analyst Rüdiger Spies. Der ehemalige Investment-Banker, der Oracle im Sommer vergangenen Jahres verlassen musste und daraufhin den Chefsessel beim ERP-Anbieter Infor übernahm, habe als treibende Kraft hinter der Akquisitionsstrategie Oracles gegolten. "Phillips ist von Ellison gezielt dafür geholt worden."

Mittlerweile hat Oracle die Integration von Sun abgeschlossen. Laut Zilch bedeutet das: Alle Oracle-Regeln gelten nun auch für Sun - inklusive höherer Maintenance-Preise und angepasster Partnerstrukturen. "Sun ist ein normaler Geschäftsbereich von Oracle, der dazu da ist, Profit abzuwerfen", konstatiert der Experton-Manager. "Alle Aktivitäten sind darauf ausgerichtet." Was sich finanziell nicht lohne, werde eingestellt. Oracle werde in den nächsten Jahren versuchen, so viel Geld wie möglich aus diesem Bereich herauszuholen. Zilchs Fazit: "Es ist traurig und schade, dass Sun nun ausgeschlachtet und zumindest mittelfristig vom Markt verschwinden wird."

Aus Sicht der Oracle-Kunden ging der Merger im Großen und Ganzen reibungslos über die Bühne, beobachtet Fried Saacke, Geschäftsführer der Deutschen Oracle-Anwendergruppe (Doag). Man habe zwar vereinzelt von Problemen bei Kunden gehört, die beispielsweise unzureichend informiert gewesen seien. In der Relation zur Dimension des Milliarden-Deals sei die Integration aber relativ ruhig abgelaufen. "Ich hatte im Vorfeld wesentlich mehr Unruhe erwartet", sagt der Anwendervertreter.

Angesichts der kulturellen Unterschiede beider Unternehmen war die Zusammenführung nicht einfach. Bei Sun habe sich der Campus-Spirit der alten Universitäts-Company lange gehalten, meint IDC-Analyst Spies. Das Klima sei ungewöhnlich kollegial und freundschaftlich gewesen. Oracle sei eher hierarchisch aufgestellt, die Fäden würden überwiegend im amerikanischen Headquarter gezogen. "Die Kulturen sind kollidiert, zusammengestoßen wie Feuer und Wasser", sagt Spies.

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