IBM-Manager Tom Rosamilia

"Oracle hat mehr Integrationsarbeit zu leisten als IBM"

15.07.2008
Von 
Wolfgang Herrmann war Editorial Manager CIO Magazin bei IDG Business Media. Zuvor war er unter anderem Deputy Editorial Director der IDG-Publikationen COMPUTERWOCHE und CIO und Chefredakteur der Schwesterpublikation TecChannel.

Rosamilia: Die große Klammer heißt Middleware. Wir bewegen uns nicht im Markt für Anwendungs-Software. Aber wir ermöglichen es unseren Kunden, ihre Programme so zu kombinieren, dass der Geschäftsnutzen für das Unternehmen steigt. Ähnliches gilt für Betriebssysteme, die ich mit meinem Portfolio ebenfalls nicht abdecke. Middleware ist der Kit, der alles zusammenhält.

CW: Das Kernproblem solch umfassender Softwarestacks ist meistens die Integration der einzelnen Komponenten. Ihr Konkurrent Oracle behauptet, sein Stack sei besser integriert als der Bauchladen der IBM. Was antworten Sie?

Rosamilia: Die vielen Zukäufe Oracles lassen eher darauf schließen, dass dort wesentlich mehr Integrationsarbeit zu leisten ist. Allein die Übernahme von Bea Systems erfordert jede Menge Aufräumarbeiten. Im Portal-Bereich scheint das Oracle-eigene System das Rennen zu machen. Geht es um Application Server, heißt die Lösung jetzt WebLogic (siehe dazu: Oracles Pläne für Bea-Produkte). Mich interessiert dabei weniger, was Oracle tut, sondern was jetzt auf die Anwender zukommt. Da stehen jede Menge Migrationsprojekte an. Oracles Kunden sind auch unsere Kunden.

CW: Konkurrenz erwächst IBM nicht nur von Oracle sondern zunehmend auch durch Open-Source-Anbieter wie Red Hat oder auch Sun Microsystems. Wie reagieren Sie darauf?

Rosamilia: Open Source ist ein überzeugendes Entwicklungsmodell. Ich bin glücklich damit, quelloffene Systeme für unsere Produkte zu nutzen und umgekehrt der Community etwas zurückzugeben. Wir setzen Open-Source-Produkte schon seit den Anfängen von WebSphere ein. Weniger effektiv ist das Modell wenn es darum geht, einen finanziellen Nutzen daraus zu ziehen. Die zum Teil enttäuschenden Erfahrungen unserer Konkurrenten belegen, dass dies ungleich schwieriger ist, als ein robustes Entwicklungsmodell zu schaffen.

CW: IBM setzt mit seinem Middleware-Angebot stark auf das Thema SOA. Inzwischen gibt es etliche Analystenberichte über SOA-Projekte, die ihre Ziele verfehlen. IT-Verantwortliche gehen das Thema eher zögerlich an. Ist der SOA-Hype passé?

Rosamilia: Das glaube ich nicht. Aber lassen sich mich ein Wort zu diesen Berichten sagen. Wenn ich ein Analyst wäre, würde ich dafür sorgen, dass es genug Missverständnisse gibt und ich die nötige Klarheit schaffe. Die nackten Zahlen sehen so aus: Wir haben derzeit mehr als 6500 SOA-Kunden, die unsere Softwareprodukte und Services nutzen. Die Erhebungen zeigen, dass viele dieser Unternehmen noch dabei sind, die Grundlagen für eine Service-orientierte Architektur zu schaffen. Es geht beispielsweise darum, Web-Services einzusetzen und diese wiederzuverwenden. Nur 30 Prozent der Anwender versuchen bereits, Services über Abteilungsgrenzen hinweg zu nutzen. Die übrigen zehn Prozent beginnen damit, eine SOA-Infrastruktur als Grundlage für eine Transformation ihres Geschäfts und für mehr Agilität nutzen. Hier kommt dann beispielsweise Business-Process-Management (BPM) ins Spiel.

CW: Früher hieß das klassische Thema in Ihrem Marktsegment Enterprise Application Integration (EAI). Davon sprechen Marketing-Manager heute nicht mehr. Aber wie steht es um Ihre Kunden? Kämpfen sie nicht mit den gleichen Integrationsproblemen wie in der EAI-Ära?

Rosamilia: Diese Diskussion habe ich erst kürzlich mit Kunden geführt. Der Begriff SOA entstand ja schon in den späten 90er Jahren. Aber erst ab dem Jahr 2005 hob das Thema richtig ab. Die Konzepte von EAI und SOA ähneln sich. Nehmen Sie den Service-Bus, der Programme über eine zentrale Instanz verbindet, also nicht Punkt-zu-Punkt. Der Unterschied zu EAI besteht in den heute vorhandenen Standards, beispielsweise BPEL oder die diversen Web-Services-Spezifikationen. Aus meiner Sicht verwendet SOA eine ganze Menge der EAI-Konzepte und verbindet sie mit Industriestandards.