Customer Data Hub bindet heterogene Umgebungen ein

Oracle drängt ins Integrationsgeschäft

13.02.2004
MÜNCHEN (fn) - Hatte sich Oracle bisher auf das Geschäft mit Datenbanken und Business-Software konzentriert, versucht der Konzern mit dem "Customer Data Hub" sein Glück als lntegrator. Nachdem der Hersteller Integrationswerkzeuge bisher nur mit seiner "E-Business Suite" verkauft hatte, offeriert er den Hub als eigenständiges Produkt auch für Kunden, die keine ERP-Software des Anbieters nutzen.

Die Einbindung von Drittprodukten zählte bisher nicht zu Oracles Stärken. An Integrationswerkzeugen lieferte der Konzern nur das Nötigste: Mit dem "XML-Gateway" oder den Enterprise-Application-Integration-(EAI-)Tools "Interconnect" und "Processconnect" können Anwender der E-Business Suite fremde Software ankoppeln, doch spielten diese Tools außerhalb der eigenen Anwendungen nie eine herausragende Rolle.

Redundanzen beseitigen

Das soll sich nun ändern. Wie andere ERP-Player versucht Oracle, sich künftig auch als Infrastrukturlieferant zu empfehlen, und stellte auf seiner Anwenderkonferenz "Appsworld" in San Diego den "Customer Data Hub" vor. Mit ihm sollen Firmen Kundeninformationen aus unterschiedlichen Applikationen einbinden und an zentraler Stelle in einem vordefinierten Datenmodell speichern. Oft verwalten Großfir-men Daten in unterschiedlichen Systemen. Dies führt zwangsläufig zu Redundanzen und erschwert Anwendern eine umfassende Sicht auf Kundendaten. Oracle verspricht den Anwendern, mit dem Customer Data Hub für Transparenz zu sorgen: Alle Daten über einen Kunden fließen an einer Stelle zusammen. Dabei versteht Oracle sein neues Produkt nicht als Alternative zu Data Warehouses. Denn statt historischer Daten soll der Hub zeitnahe, operative Informationen aus Transaktionssystemen aufnehmen. Die aus Business-Applikationen abgegriffenen Daten enthalten unter anderem Informationen über die Aufträge eines Kunden und deren Status. Diese werden ständig aktualisiert: Ändert sich beispielsweise der Datenbestand in einer angekoppelten CRM-Anwendung, erhält Oracles zentraler Informationsspeicher ein Update.

Das Rad neu erfunden hat Oracle mit dem Customer Data Hub indes nicht. Abgesehen davon, dass sich Business-Intelligence-Spezialisten schon seit einiger Zeit mit diesem Thema beschäftigen, setzt sich das Angebot von Oracle nahezu ausschließlich aus bestehenden Produkten des Hauses zusammen. Die Grundlage bildet die Datenbank "Oracle 10g". Sie enthält ein Datenmodell für Geschäftsinformationen, das aus der E-Business Suite stammt. Oracles integriertes Softwarepaket bietet ähnlich wie SAPs "Mysap Business Suite" neben ERP- auch CRM- und SCM-Funktionen, wobei alle Komponenten ein einzelnes, zentrales Informationsmodell verwenden. Die Laufzeitumgebung stellt der J2EE-fähige "Oracle Application Server" bereit. Er enthält die in Processconnect gebündelten Integrationsfunktionen zum Anzapfen von Applikationen und Datenbanken. Das EAI-Werkzeug bindet beispielsweise Anwendungen von SAP und Siebel sowie Integrationsplattformen wie die von Tibco über Web-Services-Schnittstellen beziehungsweise spezielle Adapter ein.

Für die Datenpflege sieht Oracle zwei Werkzeuge vor, die es ebenfalls schon gibt und die gemeinsam mit Dienstleistungen der Abteilung "Professional Services" angeboten werden. Mit den grafischen Tools "Customers Online" und "Data Librarian" verwalten Anwender Kundendaten und stellen deren Integrität und Qualität sicher. Zudem liefern die Softwareprodukte Mechanismen, um Informationen aus unterschiedlichen Quellen zu konsolidieren. Neben den Administrationsfunktionen stellen die Programme auch Analyse-Features zur Verfügung. Customers Online und Data Librarian werden sich über Oracles Portal bedienen lassen, entsprechende Integrationsmodule (Portlets) sind in Arbeit.

Laut Robert Fleming, Senior Director Applications and Industry Marketing Emea (Europa, Naher Osten und Afrika), eignet sich der Customer Data Hub prinzipiell auch dazu, Produktdaten und Informationen über Lieferanten zu verwalten. "Das Datenmodell ist für diese Informationen ausgelegt, es hängt vom Kunden ab, welche Daten er abgreifen möchte." Ferner sei es möglich, bei der Analyse von Geschäftsdaten die operativen Informationen aus dem Hub mit denen der Data Warehouses zu kombinieren. Mit Hilfe des Hub gelinge dies, ohne die Applikationsumgebungen mit Abfragen zu belasten.

Oracle wird den Customer Data Hub als eigenes Produkt anbieten sowie als Bestandteil der für Mitte des Jahres angekündigten Version 11i.10 seiner Applikationssuite ausliefern. Der Hersteller hofft, mit Kunden ins Geschäft zu kommen, die zwar die Datenbanken nutzen, jedoch ihre Business-Applikationen bei Wettbewerbern erworben haben. Damit verfolgt der Datenbankspezialist in Sachen Integrationslösungen eine andere Strategie als Konkurrent SAP, der seine Infrastrukturplattform Netweaver in erster Linie Mysap-Nutzern verkaufen möchte, die damit ihre verschiedenen SAP-Programme untereinander integrieren beziehungsweise Fremdsysteme anbinden sollen.

Kunden sollen modernisieren

Die Integration von Daten aus bestehenden Anwendungen, insbesondere alten Mainframe-Systemen, zählt zu den größten Schwierigkeiten bei der Einführung von Standardsoftware. Auch SAP hat den Bedarf an Funktionen zur Konsolidierung von Stammdaten erkannt und offeriert mit "Master Data Management" eine entsprechende Lösung, die einige Monate vor Oracles Customer Data Hub auf den Markt kam.

Obwohl es Oracle nicht offen ausspricht, eignet sich der Customer Data Hub auch dazu, diverse Applikationen beim Kunden auf die E-Business Suite zu migrieren. Wenn die Daten erst einmal im zur Applikationsumgebung kompatiblen Datenmodell vorliegen, ist ein wesentlicher Schritt zum Umstieg vollzogen. Unklar ist noch, welches Preismodell Oracle für den Customer Data Hub wählen wird.

Datenbanken im Winterschlussverkauf

Oracle muss sich im Datenbankgeschäft gegen die Konkurrenten Microsoft und IBM behaupten. Insbesondere bei Produkten für mittelständische Kunden ist ein Preiskampf entbrannt. Nun hat der Datenbankprimus den Preis des Einsteigerprodukts "Oracle 10g Standard Edition One" gesenkt: Pro CPU kostet sie 4995 Dollar und somit etwa 1000 Dollar weniger. Auch die Kosten für einen Named User fielen von 195 Dollar auf 149 Dollar. Den Europreis gibt der Anbieter mit 4192 Euro beziehungsweise 125 Euro an, wobei Kunden mindestens fünf Client-Lizenzen abnehmen müssen. Die Standard Edition One kann neuerdings für zwei CPUs freigeschaltet werden. Der Konzern will damit vor allem Microsofts "SQL Server 2000" angreifen. "Dies ist das erste Mal, dass unser Preis pro CPU dem von Microsoft gleicht", frohlockt President Chuck Phillips. Die Gates-Company lässt das kalt: "Im Preis von SQL Server sind Data-Mining- , Olap- und Reporting-Funktionen enthalten", entgegnet Tom Rizzo, Produktverantwortlicher für die Microsoft-Datenbank. "In sechs Monaten wird Oracle erneut die Preise ändern", prophezeit der Konkurrent aus Redmond.

Oracles "Standard Edition" wurde zwar nicht günstiger, sie wird jedoch nun mit der Funktion "Real Application Cluster" (RAC) ohne Extrakosten ausgeliefert. Bisher war RAC ausschließlich für die "Enterprise Edition" erhältlich, und zwar als kostenpflichtige Zusatzoption. Für die Highend-Datenbank gilt dies auch weiterhin. Pro Prozessor verlangt Oracle für die Standard Edition 12 589 Euro beziehungsweise 252 Euro für einen Named User. Mit Real Application Cluster lässt sich die Oracle-Datenbank unter Windows, Linux und Unix im Cluster betreiben.

Abb: Konsolidierte Datenhaltung

Mit Customer Data Hub sollen Anwender ihre Kundenstammdaten konsolidieren. Die Lösung setzt sich aus bestehenden Oracle-Produkten und -Dienstleistungen zusammen. Quelle: Oracle