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Oracle darf feindliche Übernahme von Peoplesoft fortsetzen

10.09.2004
Der US-Bundesrichter Vaughn Walker hat die Kartellklage des DOJ gegen Oracles Peoplesoft-Übernahme glatt abgewiesen. Dies könnte allgemein eine Konsolidierung des Softwaremarktes nach sich ziehen.

Ein US-Bundesrichter hat die Kartellklage des US-Justiministeriums abgeschmettert und entschieden, dass Oracle weiter versuchen darf, den Wettbewerber Peoplesoft für 7,7 Milliarden Dollar zu übernehmen. Die seit 15 Monaten andauernde Übernahmeschlacht geht damit in die nächste Runde.

Indem Richter Vaughn Walker vom U.S. District Court in San Francisco in seiner 164-seitigen Entscheidung die Bedenken der US-amerikanischen Kartellwächter wegwischte, macht er möglicherweise den Weg frei für eine seit langem erwartete Konsolidierung im auf 170 Milliarden Dollar geschätzten Markt für Unternehmenssoftware. Nachdem Oracle Peoplesoft im Juni 2003 ins Visier genommen hatte, hatten Konkurrenten wie Microsoft, SAP und IBM bereits eigene Merger angedacht.

Oracle stehen vor einer möglichen Übernahme von Peoplesoft immer noch allerlei Hürden im Weg - unter anderem weitere Kartellermittlungen in der EU sowie in Australien -, in jedem Fall wächst durch die Entscheidung aber der Druck auf Peoplesofts Chefetage, Oracles aktuelle Offerte von 21 Dollar pro Aktie nochmals genauer zu überdenken. Im vergangenen Mai hatte Peoplesofts Verwaltungsrat diese einhellig abgelehnt. Im nachbörslichen Handel zog Peoplesofts Aktienkurs gestern nach Bekanntwerden des Urteils um 14 Prozent auf 20,14 Dollar an und näherte sich damit wieder Oracles Angebot an.

Oracle-Chef Lawrence "Larry" Ellison und Chairman Jeff Henley schrieben in einer Stellungnahme: "Die Verpflichtung liegt nun klar auf Seiten des Peoplesoft-Boards, sich mit uns zu treffen", sodass die Peoplesoft-Aktionäre Oracles Angebot prüfen könnten. Oracle verlängerte nebenbei die Offerte, die eigentlich heute ausgelaufen wäre, erneut um zwei Wochen bis zunächst zum 24. September.

Peoplesoft erklärte, es werde die Auswirkungen der Entscheidungen prüfen. Bislang hatten der Verwaltungsrat und CEO Craig Conway ihre Weigerung, sich mit Oracle-Managern zu Verhandlungen zu treffen, vornehmlich mit Kartellargumenten untermauert. In einer Stellungnahme verwies Peoplesoft außerdem auf seine bereits im Mai gemachte (und von Citigroup sowie Goldman Sache bestätigte) Einschätzung, Oracles Angebot bewerte die Firma nicht angemessen.

Peoplesoft führte außerdem nochmals seine Schadenersatzklage gegen Oracle ins Feld, die Anfang November im kalifornischen Oakland verhandelt werden soll. Peoplesoft fordert dort über eine Milliarde Dollar plus noch festzusetzende Geldstrafen, weil Oracle durch den Versuch der feindlichen Übernahme sein Geschäft geschädigt und seine Kunden irregeführt haben soll.

Oracle ist hinter Microsoft der nach Umsatz zweitgrößte Softwareanbieter weltweit, erwirtschaftet allerdings den Großteil seiner Einnahmen mit Datenbanken und anderer Infrastruktursoftware. Im Markt für betriebswirtschaftliche Standardsoftware würde das Unternehmen durch die Übernahme von Peoplesoft (das seinerseits zuvor J.D. Edwards geschluckt hatte) zum wichtigsten Wettbewerber für die SAP, läge beim Marktanteil allerdings immer noch hinter den Walldorfern. Das US-Justizministerium hatte gegen Oracle geklagt und unterstellt, die Übernahme würde den Wettbewerb im Markt für Unternehmenssoftware stark einschränken, wodurch Kunden höhere Preise drohten.

Richter Walker ließ in seiner Entscheidung die Argumentation des DOJ (Department of Justice) nicht gelten, "große, komplexe Firmen" unterschieden sich grundsätzlich von kleineren und hätte im Prinzip nur die Wahl zwischen Softwareprodukten von SAP, Oracle und Peoplesoft. Er befand, eher könnten andere Wettbewerber wie Microsoft oder große Outsourcer Oracle zu wettbewerbswidrigem Verhalten nötigen. Ein solches Urteil gegen die US-amerikanischen Justizbehörden ist eher ungewöhnlich.

Oracle hatte in dem vorhergehenden Verfahren argumentiert, auch große Anwender hätten durchaus mehr Wahlmöglichkeiten als vom DOJ behauptet, teils durch Nischenanbieter in vertikalen Märkten, aber auch durch IT-Dienstleister. Außerdem, so Oracle, strebe auch Microsoft, das mit seinen Produkten bislang nur kleine und mittelständische Anwender bedient, ebenfalls ins Highend.

Vaughn ließ außerdem Bedenken von Anwendern ungehört verhallen, die im Prozess die Befürchtung geäußert hatten, Oracle würde nach einer Übernahme Peoplesofts bisheriges Produktportfolio mehr oder weniger einstampfen. "Unbegründete Kundenängste sind kein Ersatz für harte Beweise", schreibt der Richter. David Balo, Kartellanwalt bei der Kanzlei Robins, Kaplan, Miller & Ceresi, bezeichnte das Urteil als "unerhört. Es ignoriert die Aussagen von Kunden, die die Fusion einhellig abgelehnt haben."

Hewitt Pate, Chef der Kartellabteilung des US-Justizministeriums, äußerte sich enttäuscht angesichts der Entscheidung von Richter Vaughn und erklärte, das Ministerium "prüfe seine Optionen". Die Regierung glaube weiterhin, der Merger werde "zu einer substanziellen Verringerung des Wettbewerbs" für Business-Software führen. Dieser Tenor lässt eine Berufung als wahrscheinlich erscheinen.

Eine persönliche Genugtuung ist Vaughns Entscheidung für Larry Ellison. Der Oracle-Chef vertritt seit geraumer Zeit die Ansicht, eine Konsolidierung der Softwarebranche sei nötig, weil zu viele Unternehmen um Anteile an den IT-Budgets der Unternehmen wetteiferten, deren Investitionen schwerlich wieder auf das übertriebene Niveau von Ende der 90er Jahre steigen würden. Mark Benioff, CEO von Salesforce.com und wie Peoplesoft-Chef Conway ein früherer Ellison-Untergebener, sieht die Übernahmeschlacht als Sache des persönlichen Stolzes von Ellison, der neben seinem Job ein passionierter Skipper ist. "Für Larry ist das wie der America''s Cup - er will gewinnen", so Benioff.

Falls Peoplesoft Verhandlungen ablehnt, wird Oracle versuchen, rechtlich gegen Peoplesofts "Giftpillen"-Maßnahmen zur Verhinderung einer Übernahme vorzugehen. Eine Klage dazu ist vor einem Gericht in Delaware anhängig und soll am 27. September verhandelt werden. Oracle würde dort argumentieren, Peoplesoft habe durch Ablehnung des Angebots seine treuhänderischen Pflichten gegenüber seinen Aktionären verletzt. Außerdem will Oracle gegen Peoplesofts "Customer Assurance Program" vorgehen, das Kunden im Falle einer Übernahme Geld-zurück-Garantien zusichert.

Wenn Peoplesoft sich auf Verhandlungen einlässt, dann in geschwächter Position. Oracles Angebot und die öffentliche Aufregung um die Kartellklage haben sich bereits auf die Finanzen ausgewirkt - im zweiten Fiskalquartal ging Peoplesofts Nettogewinn um fast 70 Prozent zurück, und der Umsatz blieb hinter den eigenen Erwartungen zurück. Mit 615 Millionen Dollar Umsatz mit neuen Softwarelizenzen für die zwölf Monate bis Ende Mai verdrängte Oracle Peoplesoft erstmals als zweitgrößten Anbieter von Unternehmenssoftware - die Firma aus dem kalifornischen Pleasanton kam in den zwölf Monaten bis Ende Juni nur noch auf 606 Millionen Lizenzerlös.

Oracle reduzierte im Mai dieses Jahres sein Übernahmeangebot von 26 auf 21 Dollar je Peoplesoft-Anteilschein und begründete dies mit dem schwachen Abschneiden und gesunkenen Aktienkurs des Konkurrenten. Allerdings leidet die Firma auch selbst unter dem Hickhack - seine Aktie notierte nach mehrere Downgrades in der Nähe eines 52-Wochen-Tiefs. Nachdem das Papier gestern zum Fixing bei 9,93 Dollar geschlossen hatte, stieg der Kurs nachbörslich auf 10,23 Dollar.

Die gestrige Entscheidung könnte Peoplesoft dazu ermuntern, sich nach einem freundlich gesinnten "Weißen Ritter" umzusehen. "Kommt noch jemand anderes ins Spiel?", zitiert das "Wall Street Journal" den Mohr-Davidow-Ventures-Analysten und früheren Microsoftler Sam Jadallah. Sprecher von Microsoft, SAP und IBM wollten die Angelegenheit nicht kommentieren.

Amnon Landan, Chairman und CEO von Mercury Interactive, erwartet, dass die Entscheidung wahrscheinlich die Mergers-and-Acquisitions-Aktivitäten im Softwaremarkt beflügelt. "Man sollte den Marktkräften ihren Lauf lassen", meint der Manager. Mögliche Opfer einer Konsolidierung könnten Nischen-Softwareanbieter wie Veritas Software, Siebel Systems, BMC Software oder Bea Systems werden, von denen viele zuletzt ihre finanziellen Ziele verfehlt hatten.

Jim Sheperd von AMR Research ist wie viele Beobachter übrigens der Ansicht, der große Gewinner der Entscheidung sei die SAP. Der deutsche Konzern hatte zuletzt vom Streit zwischen Oracle und Peoplesoft profitiert und dürfte dies vorerst auch weiterhin tun. "Die glücklichsten Menschen auf diesem Planeten sind in diesem Moment die Jungs in Walldorf", vermutet Sheperd. "Die Entscheidung belässt Oracle für lange Zeit gebunden und abgelenkt und nimmt Peoplesoft aus dem Markt."

Wer das komplette Urteil von Richter Walker nachlesen möchte, kann es beim "Wall Street Journal" als PDF-Datei herunterladen. (tc)