Unix für den Datenbankeinsatz besser geeignet

Oracle auf Bull-Mainframes ist keine echte Alternative

03.04.1992

FRANKFURT (CW) - Orientierungshilfen erhielten Bull-Anwender auf einem Oracle-Workshop, den die Münchner Angewandte Computer Software GmbH (ACS) veranstaltet hat. Während der Einsatz des Datenbanksystems auf Unix-Rechnern keine größeren Probleme aufwerfe, so ein Ergebnis der Veranstaltung, könne Oracle auf einem Bull-Mainframe nicht als empfehlenswerte Lösung gelten.

Gesamtkosten, Aktualität der Oracle-Versionen und die Verfügbarkeit moderner Entwicklungswerkzeuge sind demnach Kriterien, die gegen den Einsatz des Datenbanksystems auf DPS7/7000-Rechnern sprechen. Abgesehen von einigen Sonderfällen mache es Sinn, einen unabhängigen Unix-Rechner als zusätzliche Datenbankplattform zu installieren. Zu diesem Ergebnis kommen ACS-Gesellschafter Helmut Merz und Geschäftsführer Ulrich von Welck. Oracle stelle sehr hohe Anforderungen an Hauptspeicher und Rechnerleistung - beides zähle aber nicht zu den Stärken des Mainframes.

Zwar wirke sich der Hauptspeichermangel bei Großrechnern wegen der effizienten Bewältigung von Aufgaben wie Paging, Swapping und Disk-I/O weniger aus, doch lasse sich feststellen, daß das Datenbanksystem aufgrund seiner Konzeption von den eigentlichen Stärken des Mainframes keinen Gebrauch machen könne.

Bevor Anwender also Oracle auf einer DPS7/7000 einsetzten, sei die Überprüfung folgender Aspekte ratsam:

- Was kostet eine Unix-Alternative?

- Bringt der Oracle-Einsatz unter dem Strich wirklich Vorteile gegenüber der Beibehaltung einer konventionellen Ufas-Datenverwaltung?

-Ist sichergestellt, daß die Oracle-Lizenz bei einem späteren Umstieg auf Unix (auch auf das Unix anderer Hersteller) oder eine andere Datenbankplattform angemessen angerechnet wird?

- Reicht die Rechnerleistung aus?

Ist die Entscheidung für Oracle auf dem Bull-Großrechner einmal gefallen, so sollten zeitgemäße Entwicklungswerkzeuge gezählt werden. Allerdings ist dies keine leichte Aufgabe. Von einer Entwicklung unter GCOS7 mit SQL-Forms 2.3 im Blockmodus sowie mit Cobol/ TDS in Verbindung mit Embedded SQL wird abgeraten. Funktionalität und Erscheinungsbild der SQL-Forms-Version 2.3 entsprächen - im Gegensatz zur neuesten Version 3.0 - bei weitem nicht dem State of the Art. Cobol/TDS mit Embedded SQL biete sich lediglich dort an, wo eine enge Einbindung in bestehende Anwendungen vorzunehmen sei.

Soll SQL-Forms in der Version 3.0 zum Einsatz kommen, so müssen im Rahmen einer Client-Server-Architektur als Arbeitsplätze PCs über SQL-Net angebunden werden. Dies funktioniert via Ethernet-TCP/IP über das neue Modul "Open 7", das zur Zeit nur für die DPS7/7000 verfügbar ist. Ethernet-TCP/IP wird unmittelbar an den Großrechner angeschlossen, so daß dieser die ganze Protokollabwicklung übernehmen muß - eine zusätzliche Rechnerbelastung, so waren sich die Seminarteilnehmer einig, steht zu erwarten.

Das auf der Veranstaltung herausgearbeitete Ergebnis, wonach der Betrieb von Ufas-Dateien, IDSII- und Oracle-Datenbanken auf einem Bull-Rechner nur in Ausnahmefällen Sinn macht. entspricht nach Einschätzung des Seminarveranstalters keineswegs der Bull-Strategie.

Der Hersteller plane sogar eine eigene Oracle-Konfiguration für die DPS7/7000.

Der Einsatz von Oracle auf den proprietären Rechnermodellen DPS4/4000, DPS8/80/ 8000 und DPS9/9000 sei insofern ohne Belang, als Bull diese Strategie nicht weiter verfolge. Oracle könne hier auf einem Unix-Rechner installiert werden, wobei Kommunikationswege mit hohen Übertragungsraten zur Verfügung stünden.

Die Unix-Rechner von Bull sind nach Einschätzung von ACS ähnlich wie die meisten anderen Unix-Maschinen für den Einsatz von Oracle gut geeignet. Für Anwender proprietärer Bull-Systeme hätten die DPX-Modelle den zusätzlichen Vorteil, das proprietäre Protokoll DSA zu unterstützen. Die Einbindung des Rechners in eine proprietäre Bull-Umgebung könne besonders gut unterstützt.

Die DPX-Rechner eigneten sich nicht nur als Oracle-Plattform, sondern auch als Kommunikationsrechner zwischen Host und Unix-Netz (TCP/IP). Nicht ganz unproblematisch bei einem Oracle-Einsatz unter DPX sei die derzeit eingeschränkte Leistungsfähigkeit der Systeme: Produkte von Hewlett-Packard, Pyramid oder Sequent erreichten gegenwärtig die fünffachen Transaktionsraten (siehe Tabelle unten).

Die Veranstalter sparten in ihren Ausführungen nicht mit Kritik. Bull erleide derzeit dramatische Verluste bei Kunden proprietärer Systeme. Zudem sei das französische Unternehmen dem Druck ausgesetzt, dem Zeittrend entsprechend über offene Systeme sprechen zu müssen, ohne über ausreichend leistungsfähige Unix-Rechner zu verfügen.

Diese Fakten widersprächen der Tatsache, daß sich Bull schon sehr früh um offene Systeme gekümmert und für sein Unix-Derivat als erstes Unternehmen überhaupt das X/Open-Zertifikat erhalten habe. Diesen Erfolg habe man aber nicht in einen entsprechenden Bekanntheitsgrad ummünzen können. Die Unix-Rechner von Bull könnten leistungsmäßig nicht mit denen anderer Anbieter Schritt halten.

In diesem Zusammenhang bedauerten die Veranstalter, daß Bull es versäumt habe, sich mit Hewlett-Packard, einem erfolgreichen Workstation-Spezialisten mit positivem Image, zusammenzuschließen.

Man werde jetzt gespannt verfolgen, wie die Franzosen ihre DPX-Plattformen künftig neben der in den Vertrieb übernommenen RS/6000 positionieren werde.