Neue Prozessortechnologie bietet zwar große Leistungssteigerung, doch:

Optoelektronische Chips erst in 20 Jahren

01.10.1982

CHAMPAIGN, Ill. (cw) - Schaltzeiten von nur etwa einem Zehntel im Vergleich mit heutigen Siliziumschaltungen stellen optoelektronische Chips in Aussicht, an denen Forscher der University of Illinois arbeiten. Auch die Wärmeabgabe durch Verlustleistung ist extrem niedrig, so daß sie höhere Packungsdichten ermöglichen als herkömmliche Chips.

Bis zum Abschluß der Entwicklungsarbeiten können zwar noch 20 Jahre vergehen, doch ist dieser Zeitaufwand durchaus gerechtfertigt, da diese Technologie nach Ansicht der Forscher die Struktur der Prozessoren grundlegend ändern wird. Die Optoelektronik hat die Entwicklung von Prozessoren zum Ziel, die durch Photonen anstelle von Elektronen betrieben werden. Photonen oder Lichtquanten sind bekanntlich masselose, mit Lichtgeschwindigkeit sich bewegende Elementarteilchen, die Energiequanten der elektromagnetischen Strahlung, sagte Professor James J. Coleman, Professor der Elektrotechnik, der zusammen mit drei anderen Wissenschaftlern an dem Projekt arbeitet.

Wie Coleman weiter ausführte, haben die Wärmeentwicklung durch Verlustleistung und die elektromagnetischen Störungen dicht gepackter Schaltungen die Entwicklungsingenieure vor kaum noch zu lösende Probleme gestellt. Da der elektronische Chip aber sowohl elektrische als auch optische Formen der elektromagnetischen Strahlung verarbeitet, können Störfelder und die Verlustleistung drastisch reduziert werden.

Im Mittelpunkt der Optoelektronik-Technologie steht ein neuartiges Fertigungsverfahren, das metallorganisch-chemische Aufdampfen. Mit seiner Hilfe erzeugt man Überstrukturen (superlattices). Dies sind Kristallgefüge aus gemischten Schichten von Gallium- und Aluminiumarsenid, die sich zu außerordentlich komplizierten Strukturbildern kombinieren lassen und den Lichtdurchgang durch den Chip bestimmen, sagte Professor Nick Holonyak, der an der Spitze des Forschungsteams steht.

Bekanntlich erhalten integrierte Siliziumschaltungen das den Elektronenfluß bestimmende Leiterbild durch eine komplizierte Folge von Aufdampf- und Ätzverfahren. Entsprechend lassen sich Überstrukturen erzeugen, die Photonen durch den Chip leiten. So läßt sich jedes gewünschte Leiterbild erzeugen, und außer Licht kann auch elektrische Energie durch den Chip geleitet werden.

Coleman verwies aber auch auf die beträchtlichen Schwierigkeiten, denen sich die Forscher der University of Illinois gegenübergestellt sehen. So ist beispielsweise Galliumarsenid schwieriger zu verarbeiten als Silizium, wodurch die Herstellung von Galliumarsenid-Chips mit einem wesentlich höheren Kostenaufwand verbunden ist, als es bei Silizium-Chips der Fall ist. Manche Forscher und Halbleiterhersteller bezweifeln daher, daß Galliumarsenid gegenüber Silizium echte Marktchancen haben wird, wenn man von Spezialabfällen absieht. Andererseits steckt die Galliumarsenid-Technologie noch in den Kinderschuhen, und mit der Verbesserung der Produktionsverfahren dürfte auch der Kostenaufwand drastisch gesenkt werden können.

"Silizium wird uns wohl für immer begleiten, doch bieten die Optoelektronik-Chips uns Möglichkeiten, die mit der Silizium-Technologie nicht zu erreichen sind", sagte Holonyak. "Auf jeden Fall werden die Optoelektronik-Chips die Silizium-Chips ergänzen."

Optoelektronik-Chips werden aber nicht nur die Rechnerstrukturen nachhaltig ändern, sie werden darüber hinaus auch für andere Systeme verwendet werden, beispielsweise für Laser und lichtemittierende Geräte. Ihre Entwicklung dürfte mit Sicherheit schon viel früher zum Erfolg führen als die der optoelektronischen Prozessoren.

Die Arbeiten der Forschergruppe werden durch Förderungsmittel der National Science Foundation und des U. S. Army Research Office unterstützt.

* Der Autor gehört zum Stab der COMPUTERWORLD.

Aus COMPUTERWORLD vom 16. August 1982 übersetzt von Hans J. Hoelzgen, Böblingen.