Forscher arbeiten an neuen Netzkomponenten

Optische Switches schalten auf freie Fahrt für Photonen

15.12.2000
MÜNCHEN (jha) - Mit mehr als 200000 Kilometern pro Sekunde rasen die Photonen durch die Glasfasernetze. Ein entlang dem Äquator verlegter Glasfaserstrang könnte eine Nachricht in weniger als einer Viertelsekunde um die Erde jagen - gäbe es nicht das Problem der Vermittlung. Denn zurzeit findet noch in jedem Netzknoten eine photo-elektrische Wandlung statt. Das wird sich bald ändern, denn in den Forschungslabors entstehen die ersten optischen Switches.

Mit einem Netz aus haarfeinen Glasfasern überziehen die Carrier zurzeit die Erde, um den durch Internet und E-Business entstandenenen Kommunikationsansturm aufzufangen. Damit vertrauen die Betreiber auf eine Technik, die gar nicht so neu ist. "Erste Patente für die Glasfasertechnik wurden bereits in den 50er Jahren angemeldet", weiß etwa Horst Müller, Marketing-Manager bei der Alcatel AG in Stuttgart. Die deutsche Niederlassung der Franzosen installierte schon Anfang der 80er Jahre erste Glasfaserstrecken für die heutige Deutsche Telekom.

Einen solchen Erfahrungsschatz möchte man auch den Herstellern von optischen Vermittlungskomponenten wünschen, denn derzeit wird die glasfaserbasierte Highspeed-Übertragung noch an allen Knoten ausgebremst. Überall dort, wo Wegfindungsentscheidungen oder Umschaltvorgänge in einem Glasfasernetz gefordert sind, ist nach wie vor die Umsetzung des Photonenstroms in elektrische Signale erforderlich. Das kostet Zeit und drückt die Transferrate.

Kein Wunder also, dass die Arbeiten an optischen Vermittlungs- und Verstärkungskomponenten auf Hochtouren laufen. Viel Fantasie, das zeigte das von der Comconsult Akademie, Aachen, veranstaltete Seminar "Optische Netze", beweisen dabei die Forscher bei dem Problem, optische Signale zu schalten: Mitarbeiter aus den Lucent Bell Laboratories erdachten sich etwa eine Technik, die mit Spiegeln arbeitet. Das Prinzip ist relativ simpel: Vor einem Glasfaserende wird ein Minispiegel installiert, der sich aufklappen lässt. Im ungeschalteten Zustand passiert der Lichtstrahl den Spiegel, ohne dass er umgelenkt wird, und tritt wieder in einen Glasfaserstrang ein. Soll der Datenstrom jedoch geswitcht werden, richtet sich der Spiegel auf und reflektiert den Photonenstrahl auf eine andere Leitung.

In der Praxis ist dieses Prinzip nicht ganz einfach umzusetzen, immerhin haben die goldbeschichteten Spiegel eine Größe von lediglich rund 50 Mikrometer. "Problematisch ist dieses Verfahren auch, weil aufwändige Sammel- und Fokuslinsen erforderlich sind", erläutert der Unternehmensberater Franz-Joachim Kauffels, Aachen. Die Crux liegt darin, dass beim Austritt des Signals aus der Glasfaser das Lichtsignal gebündelt werden muss, damit es vom Spiegel bei Bedarf vollständig reflektiert wird. Nachdem es den Switch passiert hat, müssen die Photonen wiederum fokussiert werden, damit sie sich wieder in den Glasfaserstrang einspeisen lassen. Als Hindernis für sehr kurze Umschaltzeiten erweist sich trotz Miniaturisierung zudem die Masse des Spiegels, der nicht unbegrenzt schnell zu bewegen ist.

Derartige mechanische Probleme haben die Forscher nicht, die an einer halbleiterbasierten Switching-Variante, dem Lithium-Niobat-Inteferometer-Switch, arbeiten. Sie führen zwei integrierte Wellenleiter innerhalb eines Lithium-Niobat-Trägers nahe aneinander vorbei. Zwischen diesen optischen Übertragungskanälen entsteht eine Kopplung, wenn der Halbleiter durch eine von außen angelegten Spannung aktiviert wird. Dies bewirkt eine Veränderung des Brechungsindex der beiden eng beieinander liegenden optischen Übertragungskanäle, so dass die Lichtsignale abgelenkt werden und in das jeweils andere Feld übertreten. Ein in diesen Halbleiter eintretendes Lichtsignal lässt sich dadurch auf einen anderen Kanal dirigieren.

Thermo-Variante ist zu langsamDieses Verfahren kämpft jedoch noch mit einigen Kinderkrankheiten. So sind die Verluste beispielsweise sehr hoch, da der Photonenstrom innerhalb dieses Mini-Switches eine starke Dämpfung erfährt. Zudem ist das Ausgangssignal stark verunreinigt, denn es ist das Summenprodukt beider im Halbleiter anliegenden Signale. Um dieses Mischsignal wieder auseinander zu dividieren, schalten die Forscher diesem Halbleiter einen Mach-Zehnder-Interferometer nach, der eine Phasenverschiebung des Signals bewirkt und somit die Trennschärfe wieder erhöht.

Eine etwas abgewandelte Form des Lithium-Niobat-Verfahrens ist der thermo-optische Switch. Diese Variante arbeitet zwar nach dem gleichen Prinzip, also der Ändernung des Brechungsindex und einer damit verbundenen Kopplung des Signals auf einen benachbarten optischen Kanal, doch in diesem Fall löst eine Temperaturänderung den Schaltvorgang aus. Neben den negativen Effekten des Lithium-Niobat-Switches hat das thermische Verfahren jedoch den zusätzlichen Nachteil, langsam zu arbeiten. Ein Umschaltvorgang von rund einer Millisekunde ist für die Glasfaserübertragung zu langsam, so dass dieser Alternative der Schritt von den Labors in den Produktivbetrieb kaum gelingen dürfte.

Gute Chancen, einmal in die Massenproduktion zu gehen, hat der Vorschlag der HP-Tochter Agilent. Das Unternehmen, zuständig für die Fertigung und den Vertrieb von Druckern, hat Techniken aus seinem Kerngeschäft für das optische Switching weiterentwickelt. Herausgekommen ist der "Photonik Bubble Jet Switch", der folgendes Prinzip umsetzt: Der Lichtstrahl wird durch eine leere Kammer geführt, die er im Grundzustand unverändert passiert. Soll der Photonenstrom jedoch umgeleitet werden, wird die Kammer mit einer Flüssigkeit vollgepumpt, die das optische Signal bricht und auf einen anderen Ausgang umlenkt.

Dieses Verfahren ist laut Agilent sehr preisgünstig zu fertigen. Dazu werden zwei Wafer mit parallel zueinander angeordneten integrierten optischen Leitern um 90 Grad versetzt aufeinander gelegt. An den Kreuzungspunkten der optischen Übertragungswege werden Kammern eingeätzt, in die die Flüssigkeit einströmen kann. Von jeder Kammer führt zudem ein kleiner Kanal zu einem weiteren Hohlraum, der im Grundzustand das Fluid enthält. Dieser Bubble-Controller lässt sich durch elektrische Spannung dazu anregen, die Flüssigkeit in die Umlenkkammer zu pumpen.

Den Beweis, dass dieses Laborprodukt sich industriell fertigen lässt, hat Agilent bereits in Form eines Switches mit 32x32-Matrix angetreten. "Das ist schon erstaunlich", zeigt sich Berater Kauffels beeindruckt, "der Kern findet auf einem Baustein Platz, der nicht größer als ein Fünfzig-Pfennig-Stück ist. Der gesamte Switch umfasst dagegen ein 19-Zoll-Gehäuse." Das Gerät arbeitet bandbreitentransparent im Bereich von 1200 bis 1600 Nanometern, ein nicht unwesentliches Kriterium für optische Switches.

Doch alle Beispiele aus den Entwicklungsräumen der Hersteller und Universitäten zeigen, dass die reine optische Übertragung noch nicht unmittelbar vor der Tür steht. Zwar gelingt es den derzeit entstehenden optischen Switches, das Lichtsignal ohne photo-elektrische Wandlung zu schalten, doch bei der Vermittlungslogik greifen alle Forscher noch auf die herkömmliche Technik zurück. Zwangsläufig stellt sich daher die Frage, ob der Begriff des optischen Switches kein Etikettenschwindel ist.

Consultant Kauffels verneint dies: "Man spricht von einem optischen Switch, wenn das eigentliche Nachrichtensignal ganz in optischer Technik vermittelt wird. Ob dieses Signal teilweise in ein elektrisches Steuersignal umgewandelt wird, ist unerheblich." Seiner Auffassung zufolge sind die vorgestellten Verfahren optische Switches, weil der ungehinderte Fluss der optischen Nachrichten gesichert ist.

Damit ist der geforderten Geschwindigkeit in den optischen Netzes zunächst einmal Genüge getan, auch wenn der eigentliche Umschaltvorgang der optischen Switches noch relativ gemütlich vonstatten geht. Zwangsläufig werden diese neuen Vermittlungskomponenten keine mit heutigen Routern oder Switches vergleichbaren Aufgaben übernehmen. Während die aktuellen Layer-3-Geräte IP-Pakete analysieren, bevor sie sie weiterleiten, werden optische Switches nahezu leitungsvermittelnde Dienst übernehmen.

Um auch die Wegefindungsentscheidung auf Basis von Lichtsignalen treffen zu können, wäre eine optische Logik erforderlich - "die wird es aber in den nächsten fünf bis sechs Jahren sicher nicht geben", schätzt Kauffels und verweist auf Parallelen bei der Digitalisierung der TK-Welt: Ursprünglich wurden analoge Nachrichten von analogen Steuersignalen vermittelt. Im folgenden Entwicklungsschritt blieben die Übertragungsstrecken unangetastet, während die Vermittlungsstellen auf Digitaltechnik umgestellt wurden. Erst im letzten Schritt, der eine 20-jährige Evolution abschloss, sei die vollständige Digitalisierung umgesetzt worden. "Ich erwarte nicht, dass sich die optische Vermittlung wesentlich schneller entwickelt", vermutet der Berater. Zum Glück liegen die Anfänge der Glasfasertechnik schon mehr als ein Jahrzehnt zurück.

Abb.1: Photonic Bubble Jet Switch

Bubble-Technik: HPs Drucker-spin-off Agilent entwickelte einen optischen Switch, der Lichtsignale mit Hilfe einer Flüssigkeit umlenkt. Geswitcht wird, sobald die Kammer mit dem Fluid gefüllt ist. Quelle: Kauffels

Abb.2: Lithium-Niobat-Switch

Halbleiter-Switch: Das Lithium-Niobat-Substrat bewirkt eine Änderung des Brechungsindex. Dadurch entsteht eine Kopplung der Lichtsignale. Quelle: Kauffels