Wenn die U-Bahn stört oder die Peripherie weit weg ist:

Optische Kanäle überbrücken große Entfernungen

05.09.1986

MÜNCHEN (CW) - Nur selten stehen Großrechner und die dazugehörige Peripherie, vor allem Drucker, in unmittelbarer Nähe direkt nebeneinander. RZ-Leiter müssen, teils aus Platz-, teils aus Sicherheitsgründen, mit der Notwendigkeit leben, die Peripherie und/oder Zweitrechner an weiter entfernten Orten aufzustellen, sei es nur im Nebengebäude auf der gegenüberliegenden Straßenseite oder in der einige Kilometer entfernten Dependance der DV-Abteilung. Optische Kanäle können hier einige DV-Probleme lösen.

Ein Anwender optischer Kanalverlängerungen ist beispielsweise die Datev in Nürnberg. Sie stand vor dem Problem, 150 Bildschirme lokalisiert in einem Gebäude an eine CPU im 200 Meter entfernten Rechenzentrum anzuschließen. Diese Distanz ließ die Verwendung des konventionellen Koaxialkabels nicht als sinnvoll erscheinen. Ein zusätzlicher Minuspunkt der "alten" Übertragungsmethode war die Empfindlichkeit gegenüber elektromagnetischen Feldern: Unter der Straße, die CPU und Bildschirme voneinander trennt, fährt die U-Bahn. Die DV-Planer der Datev befürchteten erhebliche Störungen des Datenverkehrs durch elektromagnetische Induktion. Als beste Lösung, die störende Straße zu überbrücken, erwies sich hier die Glasfaser.

Bei einem weiteren Problem der Datenübertragung stellte sich die Frage nach dem Koaxialkabel erst gar nicht: Die Entfernung ist zu groß. Den wesentlichen Teil ihres Druckoutputs erledigt die Datev im neuen rund fünf Kilometer vom Rechenzentrum entfernten Gebäude. Wurden die Datenbänder zuvor per Lkw täglich transportiert, werden die Daten nun via Glasfaser auf die dort installierten Magnetbandeinheiten überspielt.

Hohe Anforderungen stellte diese Lösung an die Flexibilität der Deutschen Bundespost: Da Gebühren für Leitungen über öffentlichen Grund nach der transferierten Datenmenge berechnet werden, sollte die Datev nach der ersten theoretischen Kalkulation 120 000 Mark monatlich überweisen. Eindeutig zuviel für die Nürnberger Manager. Mit der 29. Änderungsverordnung für sogenannte passive Leiter reduzierten sich die monatlichen Kosten allerdings auf knappe 8000 Mark.

Leistungsfähige Alternative gegenüber Koax-Konvention

Das Beispiel belegt, daß der Einsatz der Glasfaser zur optischen Kanalverlängerung - abhängig von der Anwendung - eine wesentlich leistungsfähigere Alternative zur Datenübertragung gegenüber den konventionellen Standleitungen sein kann. Dabei sieht der Grundriß der neuen Technik recht einfach aus. Zwei Kanalverlängerungs-Adapter werden an Großrechner und Peripherieeinheiten mit industriekompatiblen Kanalschnittstellen angeschlossen. Sie bestehen aus je einem elektro-optischen Kanalwandler sowie einem ebenfalls elektro-optischen Steuereinheit-Wandler.

Der an dem Rechner lokal angeschlossene Kanalwandler setzt die parallelen elektrischen Signale in serielle Lichtsignale um. Der Ausgang des Steuereinheit-Wandlers leitet parallele elektrische Signale weiter. Auf diese Weise erfolgt die Datenübertragung vom Rechner zu Peripheriegeräten oder zum Zweitrechner. Die Datenübertragung in umgekehrter Richtung funktioniert nach dem gleichen Prinzip.

Die mögliche Länge eines Glasfaserkanals ist zum einen in der physikalischen Dämpfung der optischen Signale begründet und zum anderen in der Reaktionszeit. Unter der Reaktionszeit ist die vom Protokoll verlangte Laufzeit des Signals zu verstehen. Das ist die Zeit, in der die Steuereinheit eine Rückantwort erwartet. Für die Return-Strecke von 2000 Metern benötigt das Signal in der Regel eine Laufzeit von 20 Mikrosekunden. Größere Übertragungsgeschwindigkeiten könnten mit anderen Impulsgebern als den heute meist verwendeten LEDs, beispielsweise dem Laser, erreicht werden. Zudem hat die optische Datenübertragung einen angenehmen Nebeneffekt: Die Glasfaser ist abhörsicher.

Abhörsicherheit ist angenehmer Nebeneffekt

Fast alle Anbieter im IBM-kompatiblen Markt haben optische Kanäle im Programm. IBM selbst bietet die Glasfaser-Kanalverlängerung 3044 für den Betrieb von entfernt stehenden Peripheriegeräten mit den Prozessoren der IBM-Systeme 43XX, 308X oder 3090 an. Die Kanalverlängerung besteht aus zwei Verbindungseinheiten sowie einem Paar Glasfaser-Leitungen in einem Kabel. Mit dieser Verbindung ist es IBM möglich, E/A-Steuereinheiten, Umschalteinheiten und E/A-Geräte mit geringen bis mittleren Übertragungsgeschwindigkeiten (bis 1,25 MB pro Sekunde) in maximal zwei Kilometer Entfernung an Block- oder Bytemultiplexkanäle anzuschließen. Benutzt man die IBM 3044 in Verbindung mit der 3088-Kanalverbindungseinheit, können zwei oder mehr Prozessoren in Entfernungen bis zu vier Kilometer miteinander kommunizieren.

Zwei Glasfaserkanäle Typ GFU 7010 und 7020 werden von Siemens angeboten, die entweder kompatibel zu hauseigenen Siemens-Geräten oder zu IBM-Produkten sind. Die architektonische Struktur besteht ebenfalls aus zwei Adaptern und dem Glasfaserkabel mit einer Länge von maximal 2000 Metern. Amdahl hat kein eigenes Produkt zur optischen Datenübertragung. Der Anwender muß hier auf das IBM-Produkt zurückgreifen. Nixdorf bietet keine optische Kanalverlängerung an: Dieses Problem stellt sich im 8890-Bereich in der Regel nicht.

Datenübertragungsrate hängt von Entfernung ab

Das Modell 6044 C/D von BASF überträgt Daten über eine Entfernung bis zu zwei Kilometern im DC-Interlock-Modus. Die Datenübertragungsrate hängt dabei von der Entfernung ab. Über einen Kilometer Distanz werden 76 KB pro Sekunde erreicht. Das Modell BASF 6044 K/L verlängert den Kanal bis zu fünf Kilometern. Im High-Speed-Modus leistet es entfernungsunabhängig maximal 1,4 MB pro Sekunde. Im Low-Speed-Modus ist die Übertragungsrate bis zwei Kilometer mit der des Modells C/D identisch. Danach nimmt sie weiter ab bis auf 18 KB pro Sekunde bei der längstmöglichen Strecke von fünf Kilometern. Neben dem Anschluß von E/A-Einheiten mit langsamen Datenübertragungsraten verbindet das System auch schnelle Magnetbandspeicher, Grafik-Steuereinheiten und weitere CPUs über CTCAs mit der entfernt installierten CPU.