Enterprise Content Management

OpenText kauft Dells Documentum-Geschäft für 1,6 Milliarden

12.09.2016
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Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.
Wolfgang Herrmann war Editorial Manager CIO Magazin bei IDG Business Media. Zuvor war er unter anderem Deputy Editorial Director der IDG-Publikationen COMPUTERWOCHE und CIO und Chefredakteur der Schwesterpublikation TecChannel.
Der kanadische Spezialist für Enterprise Content Management (ECM) OpenText kauft für 1,62 Milliarden Dollar Dells ECM-Division und bringt sich so in den Besitz der Produkte Documentum, InfoArchive und LEAP. In der Branche stößt der Deal auf ein geteiltes Echo.

Die Übernahme der angeblich "hochprofitablen" Enterprise Content Division von DellEMC werde OpenText erlauben, sich auf seine wichtigste Mission zu konzentrieren, sagte Mark Barrenechea, der CEO und CTO des kanadischen Softwarehauses. Nun könne man vor allem in Asien und Afrika Marktanteile gewinnen, wo OpenText bislang nicht so stark gewesen sei. Außerdem sei der Softwareriese für einige Branchen, insbesondere Healthcare und die Öl produzierende Wirtschaft, deutlich besser aufgestellt.

Mark Barrenechea, CEO und CTO von Opentext, baut sein ECM-Imperium massiv aus.
Mark Barrenechea, CEO und CTO von Opentext, baut sein ECM-Imperium massiv aus.
Foto: Harald Weiss

OpenText gehört zu den großen ECM-Playern, die Unternehmen beim Organisieren, Speichern und Ablegen digitalisierter Dokumente unterstützen. Mit den entsprechenden Aktivitäten von Dell und EMC gewinnt das Softwarehaus nicht nur wichtige Großkunden hinzu, es erwirbt auch marktführende Content- und Dokumenten-Management-Lösungen. Sowohl OpenText als auch DellEMC haben in diesen Bereichen kräftig in die Zukunft investiert und ihre Fühler auch in Richtung Cloud- und Collaboration-Business ausgestreckt.

Allerdings dürften auf OpenText nun schwierige Konsolidierungs- und Integrationsaufgaben zukommen, zumal das Unternehmen in den vergangenen Monaten einige Firmen zugekauft hat. Gerade erst übernahmen die Kanadier HPs Customer Communication Management Suite (inklusive HP Exstream), HP Web Experience Management, davor die Firmen Recommind (eDiscovery, Information Analytics) und Daegis (Datenbank-Management-Tools) . Im vergangenen Jahr war unter anderem die Actuate Corp. (Analytics und Customer Communications software) geschluckt worden.

Documentum, InfoArchive und LEAP

Mit der Übernahme bringt OpenText drei wichtige Marken in seinen Besitz. So gehört Documentum zu den großen Playern im Markt für Dokumenten-Management und Archivierung. EMC hatte sich das Softwarehaus 2003 stolze 1,7 Milliarden Dollar kosten lassen. EMC hoffte damals, sein Speicher-Business mit geeigneter Software für die Dokumentenverwaltung aufwerten zu können. Auch EMC InfoArchive ist als eine einheitliche Plattform für die Archivierung gut im Markt eingeführt. Und LEAP ist eine erst zum Jahresbeginn vorgestellte Reihe Cloud-nativer, innovativer Apps für das Enterprise Content Management.

Bei Dell geht unterdessen der Ausverkauf in die nächste Runde (siehe auch: Dell schließt Übernahme von EMC ab). Unter anderem übergab das Unternehmen seine - mit Perot Systems übernommene - IT-Service-Division für 3,05 Milliarden Dollar an NTT Data. Zudem übernahmen die Investment-Firmen Elliott Management und San Francisco Partners die Dell-Töchter Quest Software und SonicWall für rund 2,4 Milliarden Dollar. Weiteres Geld konnte Dell mit dem Börsengang der Security-Tochter SecureWorks einnehmen. Diese Transaktionen sind notwendig, damit Dell gemeinsam mit seinem Partner Silverlake Partners die rund 67 Milliarden Dollar teure Übernahme von EMC stemmen kann. Offenbar gehörte EMCs Enterprise Content Division (ECD) dabei nicht zu den Rosinen, auf die es Dell abgesehen hatte.

Kritische Reaktionen in der ECM-Branche

Diese Einschätzung teilen nicht wenige Experten in der Branche. Documentum habe nie richtig in das klassische EMC-Porfolio gepasst, kommentierte etwa Marko Sillanpaa, Mitgründer des Blogs Big Men On Content und ehemaliger Mitarbeiter von EMC and Documentum. Die erhofften Synergien zwischen Documentum und den anderen ECM-Bereichen hätten sich nie eingestellt.

Tony Byrne, Gründer des amerikanischen Beratungsunternehmens Real Story Group, bewertet die Übernahme kritisch. "Kunden müssen sich darüber im Klaren sein, dass OpenText nun ECM-Tools aus drei unterschiedlichen Produktfamilien unter einen Hut bringen muss", sagte er dem Brancheninformationsdienst CMSWire.com. Dazu zählten die hauseigenen Systeme, Hummingbird-Produkte und nun auch noch Documentum, die allesamt durch diverse Übernahmen ins Portfolio gekommen seien.

Analysten wie Alan Pelz-Sharpe von der Digital Clarity Group heben indes auch die positiven Seiten hervor: "Der Deal ergibt für beide Seiten Sinn. Es war kein Geheimnis, dass sich EMC in den vergangenen Jahren nach einem Käufer für Documentum umgesehen hat." Nach seiner Einschätzung kamen dafür eigentlich nur OpenText oder ein privater Investor in Frage. Er erwartet für den ECM-Markt nun ein spannendes Duell zwischen OpenText und IBM. OpenText befinde sich nach der Übernahme auf Augenhöhe mit dem IT-Konzern.

Altlasten im OpenText-Portfolio

Die vom Dokumenten-Management-Experten Ulrich Kampffmeyer geleitete Unternehmensberatung Project Consult kommt zu einer ähnlichen Einschätzung, weist jedoch auch auf mögliche Probleme hin. Mit der Übernahme stehe OpenText "weltweit als der unumstrittene Führer bei der Software zum Thema Enterprise Information Management da", schreibt Project Consult in einem ersten Statement. Und weiter: "An die Problematik der Integration, der Schaffung eines stabilen Unternehmens und eines durchgängigen Portfolios wagt man kaum zu denken - denn auch bei EMC war vieles nicht richtig zusammengeführt, zum Beispiel InfoArchive, LEAP und andere Module."

Vieles von dem, was OpenText und Documentum im Kern ausmache, befinde sich zudem schon jenseits des "Lebenszyklushöhepunktes, sprich vieles ist veraltet", urteilen die Berater. Für Documentum-Anwender und -Integratoren stellten sich nun etliche Fragen, wie es weitergehe: "Einige Unternehmen - auch in Deutschland - haben ihre Documentum-Lösungen in jüngerer Vergangenheit in Frage gestellt, weil es auch mit der Weiterentwicklung, der Roadmap und dem Support durch EMC nicht so toll aussah.

Diese werden sich jetzt noch mehr beeilen und Migrationen planen." Andere dagegen müssten ihre Strategie erst bewerten, denn vor allem in großen Unternehmen einiger Branchen sei Documentum weiterhin gesetzt. Die Erkenntnis, dass die Auswahl im Markt kleiner geworden sei, werde vor allem größeren und internationalen Kunden aber kaum schmecken. Unterm Strich bleibt aus der Sicht von Project Consult noch "die Frage wer schneller mit Umstiegslösungs- und Migrationsangeboten für Documentum-Lösungen da ist - OpenText selbst auf Opentext, Alfresco" oder ein anderer Kokurrent?