Open Source statt nur Linux

29.11.2006
Von 
Ludger Schmitz war freiberuflicher IT-Journalist in Kelheim. Er ist spezialisiert auf Open Source und neue Open-Initiativen.

Am anderen Ende, im Desktop-Bereich, schaue die Lage trister aus, so Hohndel: "Linux auf dem Desktop ist weit davon entfernt, den Anforderungen der Benutzer gerecht zu werden." Es sei "absolut unbrauchbar", wo Microsoft-Office-Dokumente verarbeitet werden müssen. Unproblematisch sind Linux-Desktops da, wo es nur um Dateneingabe geht, wo also im Prinzip wie zu Mainframe-Terminal-Zeiten Eingabefelder - heute in einer schicken Benutzeroberfläche - gefüllt werden. Das ist beispielsweise bei vielen Anwendungen in der öffentlichen Verwaltung oder bei Banken, Versicherungen und im Handel der Fall.

Jetzt geht’s um Anwendungen

Nicht um Linux, auch nicht um Linux-fähige Applikationen, sondern um quelloffene Anwendungen ging es den meisten auf der Kölner Kongressmesse. So zeigte sich der langjährige Oracle-Topmanager und heutige Ingres-Technikchef Dave Dargo im Gespräch mit der computerwoche überzeugt, "der einst mit Linux begonnene Trend findet seine Fortsetzung bei Open-Source-Anwendungen". Deren unschlagbar niedriger Preis werde die Lizenzkosten proprietärer Software deutlich drücken und die Qualität des Supports zum kaufentscheidenden Kriterium machen. Das sei ohnehin an der Zeit: "Heute zahlt man mit Lizenzen nicht für Innovationen, sondern man finanziert Firmenübernahmen."

Die zunehmende Verbreitung von Open-Source-Software in deutschen Behörden und die Folgen für die IT-Unternehmen hat das Fraunhofer-Institut Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) untersucht. Nach den Ergebnissen verfolgen 59 Prozent der öffentlichen Verwaltungen die Umstellung auf Open Source als Teil ihrer mittel- oder langfristigen IT-Strategie.

Bye-bye "Linux"-World?

Erstmals fand die Linuxworld in diesem Jahr in Köln statt. Nach sechs Veranstaltungen in Frankfurt am Main scheint sich der Ortswechsel auf den ersten Blick nicht gelohnt zu haben. Zu verzeichnen waren weniger Ausstellungsfläche, weniger Aussteller und weniger Besucher; die Zahlen lagen bis Redaktionsschluss nicht vor. Unübersehbar ist wie auch schon beim konkurrierenden "Linuxtag", dass das Thema Linux alleine nur noch wenige Interessenten aus dem Schreibtischstuhl auf eine Messe zieht.

Erreicht wurde nach Veranstalterangaben das Ziel, zusätzliche Zielgruppen anzusprechen. Neue Besucher seien vor allem aus der öffentlichen Verwaltung (unübersehbar durch etliche Uniformträger), aus dem produzierenden Gewerbe (hier viele Mittelständler) und von Telekommunikations-Dienstleistern gekommen. 75 Prozent der Besucher waren laut Veranstalter erstmals auf der Linuxworld.

Die Aussteller berichten durchweg, wegen Linux sei kaum ein Besucher erschienen. Das Interesse richtete sich stattdessen auf konkrete Open-Source- Lösungen. Der Titel "Open-Source-World" hätte also eher als der jetzige Messename dem Informationsbedürfnis entsprochen und vielleicht auch mehr Besucher angelockt.

Enttäuschend dürfte für die Besucher das Fehlen berühmter Anbieter gewesen sein. Obwohl sie inzwischen ein reges bis geschäftskritisches Interesse an Linux und Open-Source-Lösungen haben, waren sämtliche Branchengrößen nicht oder nicht adäquat vertreten.

Eine Ausnahme war die Virtualisierungskonferenz im Rahmen der Linuxworld. Ihrem Organisator, IBMs Linux-Evangelist Tom Schwaller, ist es gelungen, sämtliche Player in diesem IT-Segment zusammenzutrommeln. Auch hier ging es nicht um eine Betriebssystem-Plattform, sondern um Möglichkeiten, Probleme und Wege der technischen Realisierung. Prompt saßen die vielen prominenten Sprecher einem internationalen Publikum mit Gästen aus Saudi-Arabien, Kuwait, Russland und dem europäischen Ausland gegenüber.