Open Source statt nur Linux

29.11.2006
Von 
Ludger Schmitz war freiberuflicher IT-Journalist in Kelheim. Er ist spezialisiert auf Open Source und neue Open-Initiativen.
Wenige Tage vor der Kölner Linuxworld hatten Manöver von Oracle und Microsoft für Schlagzeilen gesorgt. Der Trend zu Open-Source-Anwendungen galt auf der Kongressmesse trotzdem als unaufhaltsam.

Es ist überall einfach da und selbstverständlich: Linux. Niemand hält noch flammende Reden über seine Vorteile. Wer von einem "Nischenprodukt" redet, erntet bestenfalls ein bemitleidendes Lächeln - auch von Leuten, die "Closed-Source"-Software verkaufen. An Linux kommt keiner mehr vorbei, kein Anwender und kein Anbieter.

Hier lesen Sie ...

  • wie die Open-Source- Gemeinde die jüngsten Manöver von Oracle und Microsoft beurteilt;

  • dass sich der Fokus von Linux auf Open-Source- Anwendungen verlagert;

  • welche Folgen die Verwendung quelloffener Systeme für vor Ort tätige IT-Anbieter hat.

Firmenstrategien im Wandel

Derzeit billigen die Analysten von Gartner nur den Open-Source-Anwendungen in wenigen Einsatzbereichen einen genügenden Reifestand zu. Allerdings sind viele bekannt gute quelloffene Programme, wie unter anderem Samba, Firefox und Open Office, nicht in die Bewertung eingeflossen. (Quelle: Gartner)
Derzeit billigen die Analysten von Gartner nur den Open-Source-Anwendungen in wenigen Einsatzbereichen einen genügenden Reifestand zu. Allerdings sind viele bekannt gute quelloffene Programme, wie unter anderem Samba, Firefox und Open Office, nicht in die Bewertung eingeflossen. (Quelle: Gartner)

"Sie versuchen nur, sich auf Linux einzurichten", war dann auch ein gängiger Kommentar zu den jüngsten Manövern von Oracle und Microsoft. Oracle will einen Red-Hat-Clone herausbringen und Supportservices auch für Umgebungen des Distributors zum halben Preis anbieten. Microsoft verspricht in einem Vertrag mit Novell den Entwicklern von Suse Linux, eventuelle Patentverletzungen durch das quelloffene Betriebssystem nicht zu verfolgen. Beides sieht nach einem Angriff auf Red Hat aus und damit auf einen der wichtigsten Codelieferanten für Linux.

Aber das macht der Szene größtenteils herzlich wenig Sorgen. Hinter vorgehaltener Hand gibt es Stimmen, die es durchaus begrüßen würden, wenn Oracle Red Hat dazu bewegen könnte, Mängel im Support des Distributors zu beheben. Oracle wolle den Distributor nicht zerstören, sondern brauche ihn als Erst- entwickler für sein geplantes Linux.

In Bezug auf Linux werde eine Umschichtung der Marktverhältnisse allenfalls geringfügig zu Ungunsten von Red Hat ausfallen. Die Stoßrichtung von Oracle könne vielmehr eine ganz andere sein: Microsoft. Denn mit dem durchaus attraktiven Angebot von Support und Services für das Betriebssystem und die Datenbank aus einer Hand würde Ellisons Team den SQL-Server-Vertriebsbeauftragten aus Redmond ein vorteilhaftes Argument zunichte machen. Die Frage sei nur, ob Oracles Support seinen lädierten Ruf wieder aufpolieren könne, hieß es auf der Linuxworld.

Unbestimmbar sind die Folgen der Allianz zwischen Microsoft und Novell. Letzterer Anbieter hat sein Image als "Netware-Company" dadurch bestätigt, dass er in Sachen Patente ostentativ mit Redmond Frieden geschlossen hat. Die Absolution von Microsoft könne manche Anwender eher zu Novell als zu Red Hat neigen lassen. Aber nur vielleicht. Denn Novell rede zwar viel von Linux, in der Praxis aber verdiene jeder Vertriebsbeauftragte ein Vielfaches mehr mit einem Vertrag über "eDirectory" als über Suse. Damit wäre Linux als Thema eigentlich durch gewesen, wäre da nicht Dirk Hohndel gewesen.

Linux ist weitere Mühe wert

Der einstige Cheftechniker von Suse und heutige oberste Open-Source-Stratege von Intel widersprach in seiner Keynote-Rede der zu euphorischen Ansicht, Linux sei "ein alter Hut", der keine Mühe mehr wert sei. Gut bis sehr gut seien die Perspektiven für das Betriebssystem im Embedded-Bereich und selbst bei noch problematischen Umgebungen mit tausenden Servern. Allerdings müsse das Thema Sicherheit bei Linux mit seiner zunehmenden Verbreitung und damit wachsenden Attraktivität für Hacker auf die Tagesordnung.