Open-Source-Lizenzen: Kostenlos heißt nicht frei

12.09.2006
Von Ralph Schweikert

Ausnahmen, die die Regel bestätigen

Doch gibt es Ausnahmen: Wenn Änderungen des Quellcodes eigenständige Softwarebestandteile darstellen und losgelöst von GPL verbreitet werden, besteht keine Offenlegungspflicht. Dies ist möglicherweise der Fall, wenn die Bestandteile zwar nur zusammen funktionieren, aber getrennt installiert werden können. In diesem Fall müssen die Änderungen nicht wieder unter die GPL gestellt werden.

Ähnlich lässt sich die gesetzliche Lage innerhalb einer kommerziellen Software bewerten, wenn der unter GPL lizenzierte Code von vernachlässigenswertem Umfang ist, also wenn es sich zum Beispiel um eine kleine Sanduhr oder einen Ladebalken handelt. Allerdings sind die Juristen hier unterschiedlicher Auffassung. Deshalb wurde eine weitere Variante der Copyleft-Lizenzen geschaffen: Die beschränkte Copyleft-Lizenz soll die Kombination von Software unter verschiedenen Lizenztypen erleichtern. Sie besagt, dass Modifikationen an der OSS als kommerzielle Software verbreitet werden können, sofern sie als eigenständige Programmbestandteile umgesetzt sind.

Kollision mit deutschem Recht

Die Situation wird sicher nicht einfacher dadurch, dass die GPL teilweise mit deutschem Recht kollidiert. So schließt Paragraf 11 GPL jegliche Gewährleistung für die Software mit der Begründung aus, dass sie kostenlos zur Verfügung gestellt wird. Dieser "Gewährleistungsausschluss" hält als Formularvertrag der AGB-rechtlichen Kontrolle sowie den BGB-Paragrafen 307 und folgende nur teilweise stand.

Am deutschen Recht scheitert auch der Versuch des Paragrafen 12 GPL, den Programmierer von jeglicher Haftung zu befreien. Denn hierzulande ist ein vertraglicher Haftungsausschluss für Vorsatz unzulässig. Hier greifen die gesetzlichen Vorschriften des BGB.

Bei eingehender Prüfung kommt es darauf an, ob die freie Software isoliert oder als Distribution zusammen mit weiteren Leistungspaketen vertrieben wird. Im Normalfall, wenn Software unter einer OSS-Lizenz kostenlos zum Download angeboten wird, geht der Gesetzgeber von einer "Schenkung" aus. Da derjenige, der etwas verschenkt, nicht über Gebühr für das Verschenkte verantwortlich sein soll, sieht das BGB nur eine Haftung für "arglistig verschwiegene Mängel" vor. Wer also nicht weiß, dass sein Programm funktionsunfähig ist, muss auch nicht für auftretende Mängel einstehen.