Scrum, Soft Skills, Sozialkompetenz

Open-Source-Entwickler sind oft die bessere Wahl

15.07.2013
Von 
Ludger Schmitz war freiberuflicher IT-Journalist in Kelheim. Er ist spezialisiert auf Open Source und neue Open-Initiativen.
Die Offenheit von Open-Source-Software prägt ihre Entwickler. Sie teilen Wissen und greifen auf Erfahrungen anderer zurück. Arbeitgeber wissen die Kombination aus fachlichen und sozialen Kompetenzen zu schätzen.
Raymond Siebert, 1&1: "Mit Open-Source-Profis können wir schneller unsere Produkte entwickeln."
Raymond Siebert, 1&1: "Mit Open-Source-Profis können wir schneller unsere Produkte entwickeln."
Foto: 1&1

Günstige Lizenzkosten und offene Standardschnittstellen sprechen für den Einsatz von Open-Source-Software. Für den Internet-Service-Anbieter 1&1, den man hierzulande zu den größten Open-Source-Anwendern zählen kann, sind das aber nur zwei Argumente unter vielen. Ein weiterer Grund ist beispielsweise, dass das Wissen um quelloffene Software mittlerweile weit verbreitet ist. Die Suche nach neuen IT-Mitarbeitern fällt leichter, sagt Raymond Siebert, Senior Datenbankadministrator beim internen IT-Dienstleister von 1&1 in Karlsruhe. Das Unternehmen profitiere zudem auch nach der Einstellung der Spezialisten, so Siebert: "Deren Open-Source-Wissen macht es uns möglich, auf Basis solcher Software schneller neue Produkte für das Unternehmen zu entwickeln und dadurch insgesamt die IT kosteneffizient zu betreiben."

Geld spielt keine große Rolle

Open Source vereinfacht es, quelloffene Softwarebausteine von anderen Programmierern zu verwenden. Wer als Entwickler diese Arbeitsweise gewohnt ist und die Suchmechanismen kennt, kann schneller und folglich zu geringeren Kosten Applikationen entwickeln als andere.

Martin Krill, Hager Unternehmensberatung: "Bei der Rekrutierung von Entwicklern stehen immer noch die technischen Skills im Vordergrund."
Martin Krill, Hager Unternehmensberatung: "Bei der Rekrutierung von Entwicklern stehen immer noch die technischen Skills im Vordergrund."
Foto: Privat

"Bei der Einstellung der IT-Mitarbeiter stehen immer noch die technischen Skills an erster Stelle", sagt Personalberater Martin Krill, Geschäftsführer der Hager Unternehmensberatung in Frankfurt am Main. Haben IT-Fachkräfte aber Erfahrungen in der Community gesammelt, bringen sie laut Krill oft "einen hohen Idealismus, ein starkes fachliches Interesse und den Wunsch, eine wirklich gute Lösung zu schaffen", mit. Zugleich schlage sich das von einer Community gebotene Gemeinschaftsgefühl darin nieder, dass ihre Mitglieder weniger mit Geld oder Karriere zu reizen seien als durch "ein angenehmes Klima unter Gleichgesinnten und Freiraum in ihrer Tätigkeit". Allerdings seien solche Aspekte in der jüngeren Generation, für die Open Source gelebter Alltag ist, schon wieder weniger ausgeprägt.

Wissen zu teilen ist normal

Personalberaterin Katja Hoppe, Managerin IT bei Norecu Executive Search in Dornach, sieht es ähnlich: "Einerseits sind die entsprechenden technischen Skills gefragt, zum anderen auch die Open-Source-Denke." Ihrer Ansicht nach sind eine Reihe von Eigenschaften unter Open-Source-Kennern häufig anzutreffen: "Ihr persönlicher Einsatz ist groß, sie haben Interesse daran, Lösungen kontinuierlich zu verbessern, sie teilen Wissen und greifen auf Erfahrungen anderer zurück. Sie arbeiten aktiv miteinander, haben Lust darauf, Ideen zu entwickeln und einzubringen. Eigene Lösungen kommunizieren sie und betrachten sie nicht als geistiges Eigentum, sondern als Beitrag für die Community." Entwickler mit diesen Eigenschaften sind für Arbeitgeber besonders attraktiv.

Empathie als Schlüsselqualifikation

Wolfgang Franz, Geschäftsführer der Münchner ICA Intercom Akademie, macht weitere Skills aus, durch die sich IT-Profis, die mit quelloffener Software umgehen, von anderen abheben: "Menschen, die sich aktiv im Open-Source-Umfeld betätigen, blicken oft über den Tellerrand hinaus, denken häufig sehr viel mehr an den Nutzen ihrer Arbeit für die Gesellschaft und fühlen sich somit dem Gemeinwohl stärker verpflichtet als IT-Spezialisten aus der proprietären Welt."

Das habe durchaus etwas mit Softwareentwicklung zu tun, so Franz: "Empathie ist der Schlüsselfaktor für eine gute Kommunikation und Zusammenarbeit, deren Ergebnisse dann die Basis für das Erreichen einer hohen Qualität bilden. Die Fähigkeit, sich in andere Menschen hineinzuversetzen, ist im Berufsleben ein enorm wichtiger Faktor für den Erfolg. Dies gilt in besonderem Maße für die Softwareentwicklung, da Programme letztlich für Menschen gemacht werden."

Pluspunkt Qualitätsbewusstsein

Die Offenheit der Open-Source-Software präge ihre Entwickler und spreche bestimmte Typen an, meint Franz: "Wer Open-Source-Software entwickelt, macht dies quasi unter den kritischen Augen der Öffentlichkeit. Laden Menschen Besuch zu sich ein, räumen sie ihre Wohnung in aller Regel vorher ordentlich auf. So ähnlich ist es auch beim Open-Source-Quellcode: Entwickler, die den von ihnen geschriebenen Quellcode veröffentlichen, werden in aller Regel Wert auf eine gute Qualität legen, zum Beispiel auf eine möglichst große Fehlerfreiheit, saubere Struktur und angemessene Dokumentation."

Gleichwohl sind solche Eigenschaften nicht nur bei Open-Source-Engagierten anzutreffen. Personalberater Krill verweist auf den Umkehrschluss: "Wir haben es noch nicht erlebt, dass Anwenderunternehmen mit proprietären Systemen Open-Source-Experten einstellen, weil die sozialer seien."

Katja Hoppe, Norecu: "Open-Source-Entwickler betrachten ihre Lösung nicht als eigenes geistiges Eigentum, sondern als einen Beitrag zur Community."
Katja Hoppe, Norecu: "Open-Source-Entwickler betrachten ihre Lösung nicht als eigenes geistiges Eigentum, sondern als einen Beitrag zur Community."
Foto: Norecu Executive Search GmbH

Hochwertige Arbeit und soziale Skills sind also nicht prinzipiell mit der Open-Source-Entwicklung verbunden. Im IT-Betrieb sind so oder so Engagement und die flexible Anpassung an ständig neue Business-Anforderungen gefragt. "Service-orientierte Strukturen, Standardisierung und Modularisierung findet man auch völlig losgelöst von Open Source", sagt Norecu-Managerin Hoppe. Trotzdem sieht sie Vorteile beim nichtproprietären Ansatz: "Ich glaube, der Open-Source-Trend sowie die Denk- und Arbeitsweise der entsprechenden Entwickler können diese Ansätze unterstützen, um sie aus der reinen Theorie leichter in den gelebten Alltag zu bringen."

Scrum hilft Open Source

Darauf, dass moderne IT-Arbeit gut zu Open Source passt, verweist auch Klaus Behrla, Geschäftsführer beim Linux Professional Institute (LPI) Central Europe: "Die zunehmende Verbreitung von Open Source liegt auch an der Einführung von Scrum als Projekt-Management- und Softwareentwicklungs-Methode in vielen Unternehmen." Das Vorgehen nach dem agilen Entwicklungsmodell Scrum ist kaum auf einen Plan fixiert und betont Zwischenschritte bei starker Kommunikation mit den Endanwendern. Dieser Ansatz ähnelt der typischen Arbeitsweise in Open-Source-Projekten: Auch hier bestimmen in der Regel Wünsche der Softwareanwender die nächsten technischen Etappen.

Behrla hat beobachtet: "Unter der agilen Entwicklung mit Scrum kommt häufiger Open-Source-Software zum Einsatz als bei älteren Methoden." Dazu würden Open-Source-Kenner, insbesondere die in Projekten engagierten, gut passen, so Behrla: "Diese Leute bringen oft Transparenz, Offenheit sowie selbständiges und eigenverantwortliches Handeln mit."

Ohne Druck sind sie kreativer

Open-Source-Software und ihre Entwickler stellen ein breites Themenspektrum dar.
Open-Source-Software und ihre Entwickler stellen ein breites Themenspektrum dar.
Foto: fotolia.com/XtravaganT

Allerdings ist es ein Unterschied, ob jemand in seiner Freizeit für ein Open-Source-Projekt programmiert oder ob er damit seinen Lebensunterhalt bestreitet. Die Motivation und die Arbeitsweisen der eigenen Umgebung lassen sich nur bedingt auf die Berufswelt übertragen. So berichtet Behrla von einem Fall bei Bosch, in dem Entwickler in ihrer Freizeit eine App für Smartphones programmierten. Diese wurde daraufhin zu einem kommerziellen Produkt weiterentwickelt. Das zeigt nach Ansicht von Behrla exemplarisch, "dass bestimmte Qualitäten, beispielsweise Kreativität, eher zum Tragen kommen, wenn gute Softwareentwickler ohne Produktionsdruck arbeiten und frei experimentieren können".

Open-Source-Kenner zeigten eine "große Bereitschaft zur umfassenden Anwendung agiler Methoden", meint IT-Ausbilder Franz - mit Konsequenzen für den Arbeitsmarkt: "Abgesehen von guten IT-Kenntnissen für den jeweiligen Einsatzbereich ist vor allem eine umfassende soziale Kompetenz wichtig für Arbeitgeber. Hierbei spielt die Empathie zusammen mit einem ausgeprägten Qualitätsbewusstsein eine wesentliche Rolle. Arbeitgeber wissen das zu schätzen."

Treffen die zitierten Beobachtungen zu, haben Open-Source-Entwickler gute Chancen auf dem IT-Arbeitsmarkt. Die sind nicht nur dem allgemeinen Trend zu quelloffener Software geschuldet. Open-Source-Profis haben Erfahrungen mit Entwicklungs- und Arbeitsmethoden, die dem modernen IT-Betrieb entgegenkommen und sich für Arbeitgeber auszahlen. Wenn dann noch aus der Erfahrung mit Open Source gewachsene persönliche Eigenschaften hinzukommen, gewinnen beide Seiten. (am/hk)