Kreativ oder Krise

Open Innovation - Ideen von Fans

07.11.2014
Von 
Julian Bahrs ist Senior Consultant bei der Intranet-Agentur IPI GmbH.

Kreativ oder Krise?

Weitsicht ist jedoch geboten: Bei manchen Ideenwettbewerben der Vergangenheit, die vornehmlich zur Fan-Aktivierung gedacht waren, schossen die Teilnehmer weit über das eigentliche Ziel hinaus. Als etwa die Fans der Facebook-Seite von Henkel in einem Wettbewerb kreative Designideen für das Spülmittel Pril einreichen sollten, sahen sie sich teilweise zu kuriosen Vorschlägen angespornt. Bekannt geworden ist etwa eine Flasche mit der Aufschrift "Schmeckt lecker nach Hähnchen". Als der Hersteller Henkel mit Zensur reagierte und das Voting-Verfahren nur noch für die vom Konzern bevorzugten Designs freigab, kam es zu Protesten in den sozialen Netzwerken.

Die Marketing-Strategen von Ritter Sport hingegen nahmen ähnlich kreative Beiträge mit Humor. Als vor einiger Zeit neue Schokoladenkreationen gesucht wurden, gingen auch Vorschläge wie "Toast Hawaii", "Döner Kebab" und "Blutwurst" ein. Diese wurden konsequent und souverän im eigenen Blog vorgestellt, wodurch der Schokoladenhersteller an Sympathie gewann.

Eine größere Herausforderung für die Produkt-Manager als "Spaßbeiträge" sind jedoch destruktive oder beleidigende Inhalte, die bei solchen Mitmach-Konzepten jederzeit auftauchen können. Generell stellt der Umgang mit entsprechenden Beiträgen oder auch Querschlägern unter den Ideen hohe Anforderungen an die Moderation.

Neudesign des Vorschlagswesens

Im Business to Business macht man sich das Prinzip der Open Innovation ebenfalls oft zunutze, indem man die Teilnehmer zuvor gezielt auswählt. So lassen sich etwa Softwarehersteller von ihren Anwender-Communitys konkret vorschlagen, an welchen Funktionalitäten demnächst Bedarf für ein zukunftsfähiges Business besteht. Bei einer solchen Zielsetzung herrscht häufig der Wunsch nach mehr Kontrolle über den Prozess und die integrierten Teilnehmer - und auch die Kunden geben ihre Vorschläge eher in einem kleineren Rahmen ab. Der Anbieter beabsichtigt hier vor allem die systematische Ideengenerierung für Innovationen oder auch die gezielte Weiterentwicklung bestehender Produkte. Dabei sollen die Innovationspotenziale auch insofern geschützt werden, als dass Wettbewerber nicht zu frühzeitig Einblicke erhalten dürfen. Damit die Qualität der eingereichten Ideen möglichst hoch ist und die Beiträge überwiegend wertschätzend bewertet werden, setzt man oft auf kleine, aber feine Communities. Auf diese Weise wird eine Balance zwischen Offenheit und Kontrolle geschaffen. Gleichzeitig lassen sich - wenn auch in begrenzterem Rahmen als bei völlig offenen Wettbewerben - neue Potenziale erschließen.

Wie kann ein solcher halboffener Innovationsprozess im Business to Business aussehen? Zwei Aspekte sind hierbei besonders relevant: zum einen die Auswahl der beteiligten Personen, zum anderen die Art der Beteiligung. Die Beschränkung auf eine bestimmte Teilnehmergruppe wie zum Beispiel Stammkunden oder Power-Nutzer sowie auch die Kommunikation mit Klarnamen schützt vor unseriösen Beiträgen oder Spam-Versuchen. In diesem Fall können vertrauliche oder fachlich detailliertere Situationen in der Aufgabenstellung berücksichtigt werden. Online-Diskussionsforen, die Vergabe von Punkten als Bewertungsmöglichkeit oder auch das von Facebook bekannte "Like" sind typische Elemente für die Ausgestaltung von B2B-orientierten Ideenportalen. Häufig nutzen Unternehmen diesen Ansatz, beschränkt auf ihre Mitarbeiter, für das interne Vorschlagswesen. So stellt etwa eine norddeutsche Großstadt intern eine Ideenplattform bereit, auf der die Mitarbeiter der Verwaltung gemeinsam Potenziale zur Verbesserung interner Prozesse entwickeln. Ähnlich geht ein Produktionsunternehmen für Rohrsysteme vor: Es lässt in einer internen Community Produktinnovationen vorschlagen und von den Mitarbeitern bewerten und diskutieren.

Foto: Sergey Niven, Fotolia.com

Nutzen muss man sofort erkennen

Auch bei diesen Beispielen wird der Mitarbeiter motiviert, das Unternehmen aktiv mitzugestalten. Für ihn muss daher als unmittelbarer Effekt der Nutzen entstehen, dass sich sein Arbeitsalltag verbessert. Wesentlich für den Erfolg solcher Ideen-Communitys sind die Einführungsstrategie, die nachhaltige Kommunikation und das Management der jeweiligen Plattformen. Vor allem bei unternehmens-internen Crowdsourcing-Strategien besteht eine weitere Herausforderung darin, sich an der bisherigen Form der internen Kommunikation zu orientieren, damit die Nutzer nicht durch zu viele neue Funktionen überfordert werden.

Innovationen, die das Produktportfolio bereichern, lassen sich indes häufig besser erarbeiten, wenn Kunden oder andere externe Bezugsgruppen eingebunden sind. Ein auf HR-Self-Services ausgerichteter Softwarehersteller bindet etwa seine Kunden ein, um künftige Produktversionen auf ihre Vorstellungen abzustimmen. Dazu wurde ein Extranet konzipiert, in dem unter anderem Interessenten, Vertriebspartner und bestehende Endanwender mitwirken. Hier können Kunden, Partner und Interessenten in einen Dialog treten und Erfahrungen austauschen. Zudem sollen Kunden auch explizit ihren Bedarf an Funktionalitäten mitteilen und so Einfluss auf die Weiterentwicklungen nehmen. Gleichzeitig lassen sich Erkenntnisse über bisherige Erfahrungen der Anwender gewinnen, weil diese über die Plattform auch ihre Anfragen an den Support richten. Künftig ist zudem geplant, für Teilgruppen gemeinsam mit Kooperationspartnern Ideenwettbewerbe auszurichten.

Das kreative Ideenpotenzial der Crowd lässt sich für jedes Unternehmen erschließen. Im ersten Schritt ist zu entscheiden, wie sich die jeweilige Community zusammensetzen soll. Dabei lassen sich Risiken wie unseriöse Beiträge oder Ideendiebstahl im Business to Business durch die Auswahl und durchdachte Ausgestaltung der jeweiligen Plattform verringern. Die Vorteile des Crowdsourcings überwiegen, denn der Aufwand wird durch konsequente Ideengenierung und eine marktnahe und somit verkaufsstärkere Produktentwicklung belohnt. Auch die Kunden- und Partnerbindung, die durch Open Innovation erreicht wird, trägt gezielt zum langfristigen Erfolg der Unternehmen bei.