Grundsatzdiskussion über Personalinformationssysteme neu entfacht:

Opel: Paisy ruft Betriebsrat auf den Plan

30.07.1982

MÜNCHEN - Das von Softmark vertriebene Personal - Abrechnungs - und Informations - System "Paisy" (330 Installationen) steht im Mittelpunkt einer neu entfachten Grundsatzdiskussion über personenbezogene Daten und ihre Erfassung und Verarbeitung in Betriebsdatenerfassungssystemen. Anstoß gab die Einführung von Paisy bei Opel und innerhalb dieses Systems wiederum die sogenannten Krankheitsläufe. Der Opel - Betriebsrat will verhindern, daß "mit dem Computer ,Jagd auf kranke Kollegen' gemacht wird", wie "Der Spiegel" in seiner Ausgabe vom 19. Juli ein Flugblatt zitiert.

Paisy - Kritik wird auch unter dem Generalnenner "Personalinformationssysteme" in der gewerkschaftseigenen Publikation "Der Gewerkschafter" geübt. Karl - Heinz Janzen, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall, beruft sich mit seinem vier Punkte umfassenden "Kriterienkatalog" auf die Entschließung Nr. 18 des 13. ordentlichen Gewerkschaftstags. Darin steht unter anderem zu lesen: "Die Anwendung moderner Informationstechnologien zum Zwecke der Kontrolle von Verhalten und Leistung der Arbeitnehmer ist zu verhindern."

Ein Schritt dieser angepeilten Verhinderungsstrategie könnte nun, wie "Der Spiegel" herausgefunden haben will, der Gang des Opel -Betriebsrates "notfalls bis zum Bundesarbeitsgericht" sein.

Nach Auffassung des Frankfurter Anwalts der streitbaren Opelianer, Wolfgang Apitzsch, geht es nicht um derartige Maximalpositionen, sondern in erster Linie darum, EDV - gestützte Analysen der Krankenstatistik zu verhindern, wie sie durch Paisy gegeben seien. Der juristische Berater des Opel - Betriebsrates charakterisiert die gegenwärtige Situation als quasi beschlußlos; zur Zeit sind bei Opel Betriebsferien. Von einer Entscheidung der bei innerbetrieblichen Streitfragen vorgesehenen Einigungsstelle "gegen" den Betriebsrat, von der "Der Spiegel" berichtet hatte, könne allerdings auch nicht die Rede sein. Da der Betriebsrat bei der Einführung von Personalinformationssystemen ein Mitbestimmungsrecht habe, davon jedenfalls der Vorsitzende der Einigungssstelle, Heinz Kamphausen, aus, hätten sich die Geschäftsleitung und der Gesamtbetriebsrat über die Art und Weise der Einführung von Paisy zu einigen versucht.

Dieses Unterfangen scheiterte trotz Schiedsstelle an besagter Klausel über die Krankenstatistik. Für Anwalt Apitzsch ist die Frage allerdings offen, ob der Betriebsrat seinen Einspruch auf diesen Punkt im Schiedsstellengremium aufgestellten umfangreichen Regelungsentwurfs eingrenzen kann. Denn: "Man könnte auch der Meinung sein, daß man nicht beschränkt auf einen bestimmten Gebrauchsbereich des Systems dagegen vorgehen kann, sondern nur insgesamt." Die Absicht des Betriebsrates sei jedoch, daß auch gegen einen einzelnen Punkt Einspruch erhoben werden könne.

Das Schlagwort vom "gläsernen Menschen" taucht in der Berichterstattung, die die Auseinandersetzung begleitet, mehrfach auf. Im Zusammenhang mit Paisy resultiert dieser pauschale Hinweis auf das Datenschutzgesetz laut Apitzsch falschen Annahme, daß das System jeweils 10 000 Angaben je Opel - Beschäftigter speichere. Richtig sei hingegen, daß der Datenkatalog je 190 Daten aufweise: "Ich weiß allerdings nicht, ob die Firma damit einverstanden ist."

Der Rechtsvertreter des Betriebsrats versucht nun die Unwirksamkeit des Regelungsvorschlags zu erreichen. Wortlaut des strittigen Passus: "Jeder Arbeitnehmer, der über dem Prozentsatz von 66,7 Prozent über dem Durchschnitt der Kostenstelle (Krankheitstage pro Arbeitnehmer einer Abteilung; Anmerkung d. Red.) liegt, kann namentlich erfaßt weren."

Wolfgang Apitzsch betont, daß nicht die Datenverarbeitung im engeren Sinne oder die Möglichkeit, Personaldaten computerisiert zu verarbeiten, das Problem des streitbaren Betriebsrats gewesen sei, sondern ausschließlich die generelle Möglichkeit, per EDV "Trennlisten" beziehungsweise "schwarze Listen" zu erstellen.

Von grundsätzlicher Bedeutung dürfte der nun bei Opel erneut angefachte, an sich alte Streit insofern sein, als die Frage der Mitbestimmung bei der Einführung von Personalinformationssystemen generell als nicht geklärt gilt. Befragt nach den Aussichten der Opel - Belegschaft, ihre Forderung durchzusetzen, verweist ihr Anwalt auf die Literatur und den von Arbeitgeberseite häufig vertretenen Standpunkt, daß ein Mitbestimmungsrecht in dieser Sache überhaupt nicht akzeptabel sei.

Der Konfliktpunkt des vorgeschlagenen Regelungskatalogs beinhaltet nach Kenntnis von Apitzsch über seine eigentliche Bestimmung hinaus grundsätzlich anfechtbare Verfahrensweisen; so werde nach Arbeitern und Angestellten unterschieden, was "gleichheitswidrig" sei, nicht aber zwischen jüngeren und älteren Mitarbeitern, was doch wohl wünschenswert sei. Auch bleibe der Zeitraum undefiniert, innerhalb dessen der Krankeitsdurchschnitt festgestellt werden solle.

An diesen Schwachpunkten werde man anknüpfen können. Aber auch eine Präzisierung des strittigen Punktes stehe nicht zu erwarten; zunächst müsse ein Gericht die konkrete Regelung aufheben - dann könnten die Parteien von neuem anfangen zu verhandeln.

Zum Stand der Dinge befragt, konnte die Presseabteilung der Opel AG wegen der Betriebsferien keine Stellung nehmen.

Henning Stodte, der Chef des Paisy - Stammhauses Softmark, hält die ganze Geschichte für eine "prima Werbung".