Konflikte zwischen Anwendern und Herstellern

OOP '96: Job-Boerse, Messe und Fachkonferenz fuer Entwickler

23.02.1996

Es fehlen OO-Spezialisten, sind sich die Hersteller, Beratungshaeuser und Anwender einig. Waehrend Anwendungsunternehmen ihre Mitarbeiter sukzessive und bei laufenden Projekten in die Welt der Objektorientierung einfuehren, hoffen die Hersteller auf Nachwuchs von den Hochschulen. "Der Markt ist leer", konstatierte etwa Rafael Laguna de la Vera, Projektleiter bei der Micado Produktsysteme GmbH, Hennef, unter Hinweis auf ergebnislose Stellenanzeigen in ueberregionalen Tageszeitungen.

Der Schwarze Peter liegt nach Ansicht der Produktanbieter bei den Hochschulen. "Wir bekommen gar nicht mit, dass es einen solchen Bedarf gibt", entgegnete Ulrich Frank. Anfragen nach SAP/R3- Entwicklern gingen dagegen jede Menge ein, sagte der Professor von der Universitaet Koblenz, der den Smalltalk-Abend der OOP moderierte. Zudem seien die Hersteller zu knauserig mit Hochschullizenzen ihrer Produkte, so dass den Studenten der notwendige Zugang fehle.

IBM-Vertreter Rainer Angstmann praezisierte das Profil der gewuenschten Fachkraefte. Bewerber muessten wissen, wie sich Baugruppen wiederverwenden liessen. Programmierkenntnisse gehoerten nicht unbedingt zur Voraussetzung. Vielmehr benoetige man Konstrukteure, die Methoden-, TCP/IP-, Host- und Client-Server- Know-how besaessen.

Georg Heeg, Chef der gleichnamigen Dortmunder Softwarefirma, bekundete ebenfalls Einstellungsinteressen: "Wir brauchen einfach Leute." Doch Bedingungen nannte auch er: "Die Spezialisten muessen ueber DV-Grundkenntnisse verfuegen, das DV-Schisma einer Trennung von Informationen und Prozeduren aber erst gar nicht im Kopf haben. Das bisschen Smalltalk bringe ich ihnen in zwei Stunden bei. Entwickler, die in 20 Jahren gelernt haben, kompliziert zu denken, sind geschockt, wenn sie erfahren, wie einfach eine Programmiersprache das Entwickeln machen kann."

Dass der Umstieg von klassischen auf objektorientierte Analyse- und Designmethoden kein Kulturschock sein muss, beweist unter anderem das Grossprojekt der bundesdeutschen Steuerverwaltung, das auf der OOP vorgestellt wurde. Ueber einen Zeitraum von zehn Jahren entsteht ein DV-System, in dem das gesamte Besteuerungsverfahren auf der Basis eines bundeseinheitlichen Datenmodells neu konzipiert und arbeitsteilig realisiert wird. Involviert sind etwa 100 Mitarbeiter. Nach einer Einfuehrung von zweimal drei Tagen in die objektorientierten Paradigmen und einem halbjaehrlichen projektbegleitenden Training konnten die Mitarbeiter das Projekt selbstaendig ohne weitere Schulung fortfuehren.

Ansonsten bot die Konferenz den zirka 700 Teilnehmern Fachthemen querbeet aus der Welt der objektorientierten Entwicklung. Waehrend sich die Hersteller dabei noch immer ueber Sprachen definieren, wollen die Anwender Schnittstellen zur Integration sowie Konzepte fuer flexible und robuste Architekturen. Das Internet und das Sun- C++-Derivat "Java" wurden im Konferenzteil der OOP kaum thematisiert, spielten aber unter den 70 Ausstellern sehr wohl eine Rolle.