IT im Marketing

Online-Werbung: Banner an der Spitze

05.05.2000
IT ist eine wichtige, wenn nicht entscheidende Voraussetzung für professionelles Online-Advertising geworden. Doch liegt es nicht an den technischen Systemen, dass sich werbetreibende Unternehmen noch zu sehr an quantitativen Bewertungsfaktoren wie der Klickrate orientieren. Winfried Gertz* hat sich unter Werbern und Anwendern umgehört.

"Wer nicht wirbt, verdirbt", dachte sich Dwight J. Cribb, Personalberater in Hamburg. Doch mit der herkömmlichen Schaltung von Anzeigen, selbst in Online-Stellenbörsen, kommt heute kein Headhunter an die begehrten Softwareentwickler mehr heran. Also versuchte Cribb sein Glück mit einem neuen Instrument. 600000-mal schaltete er zwei Flash Banner, um Kontakte zu rund 100 Kandidaten zu knüpfen. Der Clou: Die Internet-Werbung wurde auf weltweit 1800 Sites geschaltet und nur an Internet-Surfer mit deutschen IP-Adressen "ausgestrahlt."

Internet-Werbung scheint sich im Mediengeschäft zu etablieren. Immer mehr werbetreibende Unternehmen schichten ihre Budgets um: Nach Angaben der Baseler Prognos AG wachsen traditionelle Werbeformen im Print-, Radio- und TV-Bereich bis 2010 nur noch moderat, während die Online-Werbung mit einer Rate von 15 Prozent (vergleichbar dem Fernsehen zu Beginn der 90er Jahre) zulegen soll. Großer Beliebtheit erfreut sich die Bannerwerbung. Nach einer Umfrage der Mediengruppe München (MGM) führt sie mit einem Anteil von 80 Prozent vor Einträgen in Suchmaschinen (77 Prozent).

Es muss ja nicht gleich die virtuelle Moorhuhnjagd sein - auch Banner mit statischen, grafischen, animierten oder "Rich-Media"-Formaten sowie Unterbrecherwerbung, Popup-Advertisements oder Werbeeinblendungen auf Basis der neuen Flash-Technik lassen die Herzen der Werber höher schlagen. Und sie haben gut zu tun: Laut Jupiter Communications sollen die Internet-Werbeausgaben in Europa von 1998 bis 2003 um 1235 Prozent zulegen. Nach Angaben des Deutschen Multimedia Verbands (DMMV) wird das Werbevolumen von 150 Millionen im Jahr 1999 auf 500 Millionen Mark in diesem Jahr steigen.

Doch es gibt auch vorsichtigere Stimmen. Lothar Leonhard, Präsident des Gesamtsverbands deutscher Werbeagenturen (GWA) und Chef von Ogilvy & Mather in Frankfurt: "Wir haben gerade erst die Dampfmaschine erfunden." Während das Geschäft für ihn erst in einigen Jahren mit dem Durchbruch des Internet-Fernsehens ins Rollen kommen wird, monieren andere Experten wie Martina Bohnenstiel von der Münchener Foco Media GmbH die mangelnde Kreativität beim Einsatz der neuen Werbeformen: "Jeder macht ein und dasselbe." Neuland wollen die Foco-Designer mit einem Web-basierten Screensaver betreten. Er werde den Internet-Surfer schnurstracks zur Werbebotschaft oder zu einem gesponserten Newsletter führen.

Obwohl die Branche ständig über neue Werbeformen nachdenkt und neue Technologien einfordert, ist das Banner zurzeit die Online-Werbeform Nummer eins im World Wide Web. Um Marken zu etablieren, Werbebotschaften zu transportieren oder einfach nur Adressen potenzieller Kunden zu sammeln, werden insbesondere statische, grafische und zunehmend HTML-basierte Bannerkonzepte favorisiert.

Die Internet- der TV-Werbung annähernAuf den ersten Blick schränken sie die Interaktionsmöglichkeiten erheblich ein; doch selbst ohne Animation, die zu erhöhter Aufmerksamkeit der Surfer führt, können auch statische Banner mit sehr hohen Klickraten aufwarten. Etwa wenn sie als Windows-Systemmeldungsfenster getarnt sind oder wenn typische Bedienungselemente wie Scrollbars eine Funktion vortäuschen, die den Betrachter auf die falsche Fährte locken und schließlich einen Klick auf das Banner provozieren.

Werbeexperten sind sich jedoch einig, dass die Zukunft der neuen Bannergeneration gehört. Sven Hoffmann, Geschäftsführer der Kölner Werbeagentur Rosengarten.Net und Leiter des Arbeitskreises Werbung beim DMMV: "Rich Media wird die Internet-Werbung dem Look and Feel der TV-Werbung annähern."

Hohe Aufmerksamkeits- und Aktivierungspotenziale versprechen sich die Experten von Unterbrecherwerbung, die vergleichbar einer Werbepause im Fernsehen automatisch auf dem Bildschirm erscheinen und nicht gleichzeitig mit anderen Bannern um Aufmerksamkeit buhlen müssen.

Weil solche "Webmercials" aber höhere Dateivolumen aufweisen, werden nach Hoffmanns Meinung vor allem die Breitbandtechnologien ADSL (384 bis 9000 KB/s) und Kabelmodem (10000 KB/s) den neuen Werbeformen zum Durchbruch verhelfen. Broadband-Advertising verspreche den "Spot on Demand" und mache tatsächliche Interaktion erstmals möglich. Die neue Generation der Internet-Werbung zeichne eine hohe Video- und Audioqualität aus, lange Warte- und Download-Zeiten sollten dagegen der Vergangenheit angehören.

Ein weiterer Stern am Werbehimmel geht für Hoffmann momentan mit der Flash-Technologie auf. Während der User nur einen Browser der neuesten Generation mit installiertem Flash Plugin benötige, müsse das Rich-Media-Format auf dem Server konfiguriert sein. Laut Hoffmann sind bereits die meisten Ad-Server in der Lage, das neue Format, das (wie etwa Shockwave) Animation auf Vektorbasis ermöglicht, zu bearbeiten. Zur Entwicklung gäbe es bereits ausgereifte Tools. Solche Banner hätten trotz geringer Dateigröße eine starke Wirkung und ermöglichten umfassende Interaktion. Rosengarten.Net hat beispielsweise hinter einem Flash-Banner einen virtuellen Katalog aus rund 50 Produkten versteckt, der mit einer Verkaufsplattform gekoppelt ist.

Ad-Server steuern die WerbeverwaltungFür welches Instrument sich Unternehmen auch immer entscheiden - sie profitieren von ausgeklügelten Verfahren und Systemen, die das gesamte Werbe-Management vereinfachen. Am besten aufgehoben sind sie bei global agierenden Agenturgruppen oder Vermarktern, die ein großflächiges Netz aus Ad-Servern unterhalten und den weltweiten Internet-Werbemarkt kontrollieren. Mit Hilfe eines Ad-Servers lässt sich die gesamte Werbeverwaltung steuern: von der Buchung über die Schaltung bis zur Resonanzauswertung.

Nach vorgegebenen Parametern übernimmt das System die Steuerung der zu schaltenden Werbung auf den gebuchten Werbeflächen. Hierzu lässt sich, je nach Ad-Server-Technologie, ein unterschiedlich leistungsfähiges Paket an Regeln festlegen, nach denen der Ad-Server entscheidet, welches Motiv gezeigt wird. Der Ad-Server sorgt also dafür, dass die richtige Werbung zum richtigen Zeitpunkt auf den gebuchten Werbeplätzen ausgeliefert wird. Voraussetzung für den Einsatz dieser Technologien ist eine extrem hohe System-Performance. Nach einem genau definierten Regelwerk, auch Targeting genannt, muss in Bruchteilen von Sekunden entschieden werden.

Targeting steuert die Werbung zielgruppen- und nutzerorientiert. Durch die Vorgabe bestimmter Zielgruppenprofile wie Wohnort, Alter und Geschlecht kann eine Werbeschaltung optimiert werden.

Favorisiert werden folgende Parameter:

-per HTTP-Protokoll: Browser, Browser-Version, Betriebssystem;

-per Cookie: Alter, Geschlecht, Einkommen, Postleitzahl, Beruf, Herkunftsland, Hobbys etc.

-per IP-Datenbank und Analysesoftware (ohne den Einsatz von Cookies): Land (auch .com, .net, .org), Gebiet (Nielsen, Bundesland, Vorwahl), Branche;

-per Internet-Zugang: Top-Level-Domain, Land (außer .com,.net, .org), Provider;

-per Content: Suchwort, Frequenz, Inhalt, Thema, Website, Directory, Sektion, Seite, Seitenposition.

Ohne den Einsatz professioneller Ad-Server gibt es kein hinreichendes Reporting - für Werbekunden ein entscheidendes Instrument, um die Effizienz einer Werbestrategie zu ermitteln. Auch für Werbeträger, etwa ein Online-Magazin, ist Reporting ein ausschlaggebendes Qualitätsmerkmal für Werbekunden. Im Unterschied zu Print-, Hörfunk- und Fernsehmedien kann ein Ad-Server-basiertes Reporting wöchentlich, täglich, ja sogar stündlich den Erfolg der geschalteten Banner dokumentieren. Favorisiert werden einfache Basisdaten wie Ad-Requests oder Ad-Clicks oder ausgefeilte Auswertungen. Denn immer häufiger fordern Werbung Treibende neue Parameter wie Viewtime oder das Verhältnis aus Visit und Request. Einige Ad-Server bieten bereits das so genannte Direct Response Banner Advertising, also eine permanente Optimierung von Werbeschaltungen. Banner mit unbefriedigenden Klickraten werden automatisch auf anderen Contents platziert, oder es werden Banner-Motive ausgetauscht.

Auf die Dienstleistungen eines Online-Werbevermarkters vertrauen auch die Spezialisten von IDG Interactive in München. Laut Berater Philipp Johnssen arbeitet man intensiv mit Double Click, einem international führenden Anbieter solcher Online-Services, zusammen. Das Unternehmen unterhält ein weltweites Netz aus 24 Datenzentren und garantiert seinen Kunden eine nahezu 100-prozentige Ausfallsicherheit durch redundant ausgelegte Speicher und entsprechende Datenspiegelungsressourcen. Mit Double Click kooperieren auch andere Mediengruppen wie VWD, Tomorrow.online, RTL/Super RTL und die Verlagsgruppe Handelsblatt.

Über das von Double Click selbst entwickelte Management-System Dart (Dynamic Ad-Reporting and Targeting), von Forrester Research jüngst zum Sieger seiner Klasse ausgezeichnet, wird der komplexe Buchungs- und Abwicklungsprozess gesteuert. Wie Andreas Koschinsky, technischer Berater von IDG Interactive, berichtet, erhält Dart per Passwort Zugriff auf das IDG-Interface und fährt seine Banner je nach Vorgabe und Verfügbarkeit hoch. Automatisch erfasst das System alle relevanten Bewegungen auf den Seiten und sämtliche Zugriffe auf die geschalteten Banner. Special-Interest-Medien seien bei Agenturen und Vermarktern sehr gefragt, so Koschinsky. Auch bei IDG Interactive entwickle sich der Online-Werbeumsatz sprunghaft. Dennoch warnt der Experte davor, Klickraten als einziges Bewertungsinstrument einer Werbemaßnahme zu sehen. "Umfeld sowie Image und Visability sind weitaus wichtigere Faktoren."

Die Zielgruppe auch ohne Klick erreichenDieser Meinung schließt sich auch Rosengarten.Net-Chef Hoffmann an: "Ziel kann nicht sein, Klickraten von 0,5 auf 0,7 Prozent zu steigern. Vielmehr sollte die Zielgruppe erreicht werden, ohne dass sie klicken muss." Dass solche qualitativen Bewertungsmaßstäbe zu wenig beachtet werden, darauf verweist auch die aktuelle Werbewirkungsforschung. Einer amerikanischen Untersuchung zufolge sind rezipientenbezogene Variablen, die Aufschluss darüber geben, warum und mit welchen Erwartungen Anwender das Internet nutzen und ob Gestaltungsmerkmale von Werbeformen hinreichend darauf eingehen, nach wie vor im Hintertreffen. Hätte Personalberater Cribb rechtzeitig davon erfahren, hätte er seine virtuelle Suche nach Softwareentwicklern vielleicht anders konzipiert. "Zwar war die Klickrate von 1,6 Prozent befriedigend, doch am Ende bewarb sich nur eine Hand voll Interessenten." Daraus hat Cribb vor allem eines gelernt: "Im Vergleich zur Online-Stellenbörse und dem Direct Search ist die Bannerwerbung noch ohne reelle Chance."

* Winfried Gertz ist freier Journalist in München.

Auswahl: AD-ServerAccipter, http://www.accipter.com

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Adtech, http://www.adtech.de

Double Click, http://www.doubleclick.com

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Net Gravity, http://www.netgravity.com

Real Media, http://www.realmedia.com

Media.sektor, http://media.sektor.de