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Pater Twitter

Online-Portal lockt User zur anonymen Beichte

03.03.2009
Von pte pte
Twitterer können nun auch online beichten. Die Betreiber der Site SecretTweet versprechen Anonymität im Netz.

Echte Bekenntnisse und persönliche Geständnisse sind im Internetzeitalter nicht länger auf Reality-TV-Shows, kirchliche Beichten oder Tagebucheinträge beschränkt. Heute kann jeder, der sich etwas von der Seele reden will, dies ohne Probleme auch im Web tun. Dass diese Möglichkeit von den Nutzern sehr gerne in Anspruch genommen wird, zeigt das Beispiel des Online-Dienstes SecretTweet, der seit geraumer Zeit steigende Zuwachsraten verzeichnet. Auf der entsprechenden Webseite werden Bekenntnisse jeder Art gesammelt und anschließend auf dem bekannten Micro-Blogging-Portal Twitter veröffentlicht. "SecretTweet wurde entwickelt, um Twitter-Usern die Möglichkeit zu geben, persönliche Geheimnisse anonym miteinander zu teilen", erklären die Verantwortlichen auf der eigenen Homepage.

Über 25.000 solcher namenlosen Bekenntnisse sind derzeit bereits abgegeben worden. "Die Tatsache, dass jeder unsere Seite nutzen kann, um seine aktuellen Gedanken auszudrücken, ohne Angst vor sozialer Zurückweisung haben zu müssen, kommt bei den Usern sehr gut an", stellt SecretTweet-Betreiber Kevin Smith gegenüber der "New York Times" fest. Laut dem 21-jährigen Grafikdesign-Studenten aus West Virginia, der den Online-Geständnis-Dienst lediglich nebenbei in seiner Freizeit entwickelt hat, werden gegenwärtig im Durchschnitt an die 600 neue Geheimnisse pro Tag auf dem Portal veröffentlicht. Ausschlaggebend für die große Beliebtheit des Angebots bei den Nutzern sei vor allem die Anonymität, die SecretTweet den Usern bieten könne. "Die Postings auf unserer Seite stammen von namenlosen Usern, die über ihre IP-Adresse nicht identifiziert werden können", betont Smith. Auf diesem Versprechen fuße das gesamte Konzept des Geständnis-Portals.

"Der Begriff der 'Anonymität' hat im Internetzeitalter eine völlig andere Bedeutung bekommen. Während er in der realen Welt in erster Linie beschreibt, ob jemand durch persönliche Dokumente oder Bekanntschaft identifiziert werden kann, sind im Web-Kontext vor allem die Datenspuren gemeint, die User hinterlassen", stellt Hans Zeger, Obmann der österreichischen Arge Daten, im Gespräch mit pressetext fest. Diese würden im Grunde bei jeder Art von Online-Tätigkeit entstehen. "Mit genügend Motivation und Aufwand lassen sich diese Spuren ohne weiteres aufspüren", meint Zeger. Insofern sei Anonymität im Web fast unmöglich. "Andererseits können die Nutzer aber auch mit einem gewissen technischen Aufwand dafür sorgen, dass solche Versuche der Spurensuche ins Leere laufen", merkt Zeger an. Ob sich jemand im Fall von SecretTweet auf das Anonymitätsversprechen der Betreiber verlasse oder nicht, hänge im Endeffekt vom Vertrauen des jeweiligen Users ab, der auf den 'good will' des Anbieters angewiesen sei. "Man weiß nie, ob derartige Versprechen auch eingehalten werden", so Zeger abschließend. (pte)