E-Business/Für Firmen von Firmen: Business-to-Business-Auktionen

Online-Markt für Überschüsse

28.04.2000
Dem Online-Handel mit gebrauchten und überschüssigen Gütern sagen Experten eine rosige Zukunft voraus. Ein Blick auf Auktionshäuser für Firmen zeigt einen Trend zur Spezialisierung.Von Gerda von Radetzky*

Virtuelle Auktionen vereinen das, was als Erfolgsformel im E-Business gilt: die Kombination der drei C - Community, Content, Commerce. Von tiefgefrorenem Grünkohl bis zur Müllverbrennungsanlage lassen sich Güter aller Art ersteigern respektive Gesuche danach über Auktionsplätze einstellen. Laut dem Marktforschungsinstitut Meta Group setzten 1999 Online-Auktionshäuser 8,5 Milliarden US-Dollar um. Die Analysten mutmaßen, dass das Volumen 2004 auf mehr als 100 Milliarden steigt. Forrester Research glaubt, dass rund 90 Prozent des weltweiten Online-Handels künftig über Business-to-Business-Auktionen abgewickelt werde.

Für Clemens Fritzen, Geschäftsführer des Industrieauktionshauses Netbid, stellt "der B-to-B-Bereich zwar extrem hohe Anforderungen an den erfolgreichen Markteintritt einer Auktionsplattform, bietet aber ein ungleich höheres Marktpotenzial". In Netbid sieht Andrew Heath, einer der Gründer der Ende März online gegangenen Goindustry, seinen einzigen Konkurrenten, da dort von der Prüfung von Verkäufer, Käufer und Ware über die Logistik bis zur Bezahlung alles gesichert sei. So ganz neu ist dabei nicht alles, richtete doch Atrada 1999 schon für seine Privatauktionen einen Logistikservice sowie ein Treuhandkonto ein.

Heath ist davon überzeugt, dass sein Konzept mit Fokus auf bestimmte Warengruppen und Mehrsprachigkeit "weltweit führend" sei. Begonnen hat es mit Fertigungsmaschinen und Büroartikeln, als nächstes wird der Bausektor angepeilt: Nicht nur eine Mischmaschine soll angeboten werden, sondern möglichst alle, die ungenutzt irgendwo in Europa verstauben. Abbau, Transport und Wiederaufbau übernimmt grenzüberschreitend gegen entsprechende Bezahlung Allied Pickfords.

Goindustry, ausgerüstet mit einem für Europa ungewöhnlich hohen Startkapital von zehn Millionen Dollar der Atlas Venture, startete von München aus gleichzeitig in England und Frankreich; Spanien, Italien und Norwegen sollen folgen. Für den Herbst ist eine asiatische Ausgabe geplant. Einen Deal im Wert von mehr als einer Million Mark konnte die Firma Ende März verbuchen: Ein deutsches Unternehmen löste ihren Maschinenpark auf, jetzt stehen die Geräte in anderen deutschen und in britischen Firmen. Acht Prozent des Eine-Million-Mark-Umsatzes kassierte Goindustry; Netbid lässt sich 15 Prozent bezahlen, Surplex, ein dritter Anbieter in diesem Bereich, bis fünf Prozent.

Die Schweizer SGS prüft die Waren, die Deutsche Bank regelt Transaktions- und Treuhanddienste - beide Firmen sind in dieser Funktion auch für Surplex.com tätig. Für Bruno Schick, Vorstandsvorsitzender bei Goindustry, spielt die internationale Ausrichtung eine entscheidende Rolle. So verkaufe sein Unternehmen vorwiegend nach Osteuropa. Offenbar sind auch Geldgeber von dieser Plattform überzeugt: Anfang April spülte eine zweite Finanzierungsrunde 43 Millionen Mark in die Kasse der Düsseldorfer.

Neuester Business-to-Business-Versteigerer ist die Elabseurope, die in München und London am 12. April mit einem Markt- und Wissensplatz für den rund zehn Milliarden Dollar schweren Laborsektor begann. Auf das Spartenkonzept setzt Siemens mit Maschinen aus Anlagenbau, Automatisierung und Elektrotechnik über Industrialweb.de. Im Mai soll der erste Hammer fallen, sofern bis dahin Transfer- und Logistikhintergrund geklärt sind.

Noch können Käufer und Verkäufer gebrauchter oder überschüssiger Industriegüter viele Auktionen besuchen. Wer schließen muss, weil Ware und Kunden ausbleiben, lässt sich noch nicht sagen. Eines zeigt jedenfalls die Höhe des spendierten Kapitals: Auf Gewinn hoffen nicht nur die jungen Macher, sondern auch viele Risiko-Kapitalisten.

* Gerda von Radetzky ist freie Journalistin in München.