Die Zukunft des Lernens - nur noch im Internet?

Online-Learning ist in Unternehmen leichter umzusetzen als in Schulen

12.11.1999
Kein Medium wird so überschätzt und dabei gleichzeitig so unterschätzt wie das Internet. Während die einen den Untergang aller kulturellen Werte vorhersagen, proklamieren andere unkritischen Fortschrittsglauben. Das Internet mit allen seinen technischen Möglichkeiten wird zwar die Art stark verändern, wie Menschen sich Wissen verschaffen. Die Auswirkungen auf die Lernweise sind jedoch begrenzt.

Im Bereich Erwachsenenbildung werden die mit Abstand meisten Schulungsmaßnahmen im Bereich Informationstechnologie angeboten. Genau hier herrscht auch akuter Fachkräftemangel. Gleichzeitig beträgt die Halbwertzeit des IT-Wissens manchmal nur noch drei bis sechs Monate. Zusätzlich sehen sich die Unternehmen einem verstärkten Wettbewerbsdruck ausgesetzt. Sie müssen einerseits innovativ sein und andererseits Kosten sparen, etwa bei teuren und zeitintensiven Schulungen von Mitarbeitern, die in der Ausbildungszeit am Arbeitsplatz fehlen.

Lerninhalte in der IT vereinheitlichen

Hier kann das Inter- oder Intranet Lösungen bieten, weil die technische Infrastruktur in den Unternehmen bereits vorhanden ist. Nur im IT-Bereich ist es zudem möglich, Lerninhalte über Kulturgrenzen hinweg zu vereinheitlichen und zu standardisieren: Ein zertifizierter Microsoft-Experte muß in der Schweiz dieselben Kenntnisse haben wie in Deutschland oder Indien.

Ein Beispiel: Die Schweizer TK-Firma Ascom nutzt das Intranet für die gezielte Aus- und Weiterbildung, um den Mitarbeitern eine Wissens- und Kursbibliothek zur Verfügung zu stellen, die sie an ihrem Arbeitsplatz nutzen können. Dabei werden Abwesenheitszeiten minimiert und die Ausbildung kann zeit- und ortsunabhängig erfolgen. Den Anfang machte Ascom mit Schulungsangeboten für die Migration auf Windows NT und die SAP-Einführung. Heute haben 3000 der 5000 Schweizer Ascom-Mitarbeiter Zugriff auf Lernsoftware von Netg.

Die Erfahrung zeigt, daß etwa 90 Prozent aller Unternehmen das Potential von Online-Learning unterschätzen. Allerdings, so prognostizieren die Auguren, wird sich der europäische Markt für "Technology-based"-Training von heute rund einer Milliarde auf etwa fünf Milliarden Schweizer Franken bis im Jahr 2002 entwickeln. Damit bleibt der Ausbildung im Frontalunterricht noch 60 Prozent aller Ausbildungsmaßnahmen im IT-Bereich.

Auf Schulen und Universitäten sind solche Prognosen aber nicht ohne Abstriche übertragbar. Zwar besteht auch hier der Zwang zu kostenbewußter Ausbildung. Gegen den vermehrten Einsatz von Online-Learning spricht jedoch, daß die technische Infrastruktur meist nicht oder höchstens rudimentär vorhanden ist und große Anfangsinvestitionen verlangen würde. Noch viel wichtiger aber ist die Unmöglichkeit der Standardisierung von Lerninhalten. Kulturelle Unterschiede, historische Gegebenheiten, fachliche Differenzen oder einfach nur verschiedene Lernmethoden machen es sehr schwer, sogenannte Soft Skills per Internet zu vermitteln.

Allerdings ist es möglich, daß in beschränktem Umfang der traditionelle Lehrer sich immer mehr in eine Art von Coach verwandelt, der individuell auf Probleme seiner Schüler eingehen kann, weil die Standardinhalte von einer Lernsoftware abgedeckt werden.

*Walter Kunz ist Geschäftsführer Zentraleuropa bei Netg in der Schweiz.