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"Online-Durchsuchungen nötig" - Polizei widerspricht Zypries

13.02.2007
Im Kampf gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität besteht die Polizei darauf, über das Internet heimlich Computer verdächtiger Personen durchsuchen zu dürfen.

Beim 10. Europäischen Polizeikongress widersprach der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Jörg Ziercke, am Dienstag in Berlin vehement Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD). Diese hatte zuvor schwere Bedenken vorgebracht gegen Online-Durchsuchungen, wie sie auch Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) fordert. Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg, widersprach Zypries ebenfalls.

Ziercke verlangte rasch eine gesetzliche Grundlage, nachdem der Bundesgerichtshof (BGH) Online-Durchsuchungen wegen fehlender Rechtsgrundlage verboten hatte. Auch Schäuble will die Gesetze ändern. Die Forderungen stießen auf heftige Kritik von FDP, Linkspartei, Grünen und Anwälten.

Zypries wandte sich gegen Politiker, die im Interesse der Sicherheit bei jeder Gelegenheit zusätzliche Befugnisse für die Polizei forderten. "Das staatliche Eindringen in Festplatten hat eine besondere Qualität." Anders als bei einer Hausdurchsuchung in Anwesenheit des Beschuldigten würde der Staat virtuell in eine Wohnung eindringen. Bevor man vorschnell nach neuen Gesetzen rufe, müsse man prüfen, ob dieses Instrument überhaupt gebraucht werde.

Ziercke wies die Bedenken zurück. Die Polizei müsse mit dem Fortschritt auf Täterseite Schritt halten. "Der Staat wird dadurch nicht zum kriminellen Hacker." Online-Durchsuchungen sollten nur bei Verdacht im Einzelfall nach richterlicher Anordnung gezielt eingesetzt werden. Es werde im Internet keine Rasterfahndung geben. 99,9 Prozent der Bürger seien nicht betroffen. Niemand brauche einen Überwachungsstaat zu befürchten.

Ziercke begründete seine Forderung mit der Bedeutung des Internets, das immer stärker von Terroristen und Kriminellen genutzt werde. "Die Kriminalität im Internet kennt keine Grenzen mehr." Nur mit verdeckten Maßnahmen könne man die dahinter stehenden kriminellen Netzwerke entdecken. Ziercke wies auch den Hinweis von Zypries zurück, man könne als Alternative die Computer Verdächtiger beschlagnahmen. Die klassische Hausdurchsuchung warne die Täter. Auch könnten verschlüsselte Festplatten kaum entschlüsselt werden. Zudem würden Daten oft auf externen Servern irgendwo in der Welt gespeichert. Nur bei einer Online-Durchsuchung bestehe die Chance, an diese Daten zu kommen. "Wir brauchen dieses Instrument."

Die innenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Gisela Piltz, sagte, die Hemmschwelle für Eingriffe in die Privatsphäre der Bürger dürfe nicht immer weiter gesenkt werden. "Sicherheit und Freiheit müssen in einem sinnvollen Verhältnis zueinander stehen." Es dürften nicht immer neue Ermächtigungsgrundlagen hinzukommen, ohne dass die bisherigen Eingriffe in die Bürgerrechte überprüft würden.

Die Vizevorsitzende der Linksfraktion, Petra Pau, sagte, Online-Durchsuchungen seien weder mit dem Datenschutz vereinbar noch mit rechtstaatlichen Grundsätzen oder mit dem Grundgesetz. Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth warnte vor immer mehr Eingriffen in eine immer weniger geschützte Privatsphäre. "BKA und Innenministerium sind auf einem gefährlich falschen Holzweg."

Auch der Deutsche Anwaltverein (DAV) lehnte die Forderung ab, verdeckte Online-Durchsuchungen gesetzlich zu erlauben. "Staats-Hacking darf nicht legitimiert werden", erklärte die Vorsitzende des DAV-Ausschusses Gefahrenabwehrrecht, Heide Sandkuhl.

Ziercke äußerte sich auch sehr kritisch über das Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgericht zur Wohnraum-Überwachung. Karlsruhe hatte im März 2004 einen absolut geschützten privaten Kernbereich definiert, der nicht belauscht werde dürfe. Ziercke sagte, durch die Entscheidung des Verfassungsgerichts sei diese polizeiliche Überwachungsmaßnahme praktisch unbrauchbar geworden. Das BKA habe seither keine Wohnraum-Überwachung mehr durchgeführt. (dpa/tc)