Online-Dienste/Der eigene WWW-Server muss nicht die beste Wahl sein

02.02.1996

Ein unternehmenseigener WWW-Server muss kein Luftschloss sein. Dies beweist nicht zuletzt die wachsende Anzahl an Unternehmen, die das Medium fuer PR- und Informationszwecke nutzen. Eric Tierling* und Ingo Lackerbauer* eroertern das Pro und Contra eines eigenen Servers im Unternehmen.

Die Attraktivitaet des Internet und des World Wide Web (WWW) mit seinem grafischen Outfit ist ungebrochen. Unternehmen, verstaerkt auch aus dem Nicht-Computer-Sektor, entdecken das Internet als Kommunikations- und PR-Medium, um ihren Vertriebs- und Werbeaktivitaeten einen neuen Rahmen zu verleihen. Besonders kleine und mittelstaendische Firmen mit regionalem Aktionsradius sind dank einer Praesenz im World Wide Web in der Lage, ueberregionale oder internationale Maerkte zu erschliessen, ohne gleich immense Summen in Werbung und PR investieren zu muessen.

So schoen und faszinierend die Moeglichkeiten der eigenen Netzpraesenz auch sein moegen - sie stehen und fallen mit der Anbindung an das Internet. Da dieses im Gegensatz zu den Online- Diensten keine Eigentuemer hat, stellen Internet-Service-Provider (ISP) Anschluesse an das globale Netz bereit. Ueber diese speisen sie die Informationen ihrer Kunden in das weltumspannende Netz ein.

Dementsprechend ist einer der wichtigsten Aspekte bei der Wahl des geeigneten Providers dessen Verfuegbarkeit beziehungsweise die Art und Weise, ueber die dieser in die Struktur des weltweiten Internet eingebunden ist. Groesstes Handicap bildet hierzulande die derzeit recht zerstueckelte Internet-Landschaft. So haben es die in Deutschland agierenden Anbieter immer noch nicht geschafft, untereinander ein einheitliches, deutschlandweites Hochgeschwindigkeits-Netzwerk als "Backbone" aufzubauen. Fuer den Anwender bedeutet dies haeufig, dass er selbst zum Besuch eines deutschen Internet-Servers bei einem anderen Provider lange Wartezeiten in Kauf nehmen muss.

Infrastruktur fehlt in deutschen Landen

Grund fuer diese Misere ist die fehlende einheitliche Infrastruktur in deutschen Landen: Jeder Internet-Service-Provider besitzt seine eigenen Wege in das weltweite Internet. Ob es sich hierbei um eine zweispurige Schnellstrasse oder eine achtspurige Datenautobahn handelt, auf der es auch zu Stosszeiten nicht zu Staus kommt, ist fuer den potentiellen User nicht transparent. Aufgrund der fehlenden nationalen Infrastruktur bleibt oftmals nur der Umweg ueber die USA und zurueck nach Deutschland zum Ziel-Server. Besonders zu den Hauptverkehrszeiten quaelen sich die Bits und Bytes dann ueber die transatlantischen Leitungen. Das Ergebnis ist eine lange Wartezeit. Boese Zungen erklaeren WWW zur Abkuerzung fuer Welt-Weites-Warten, bei dem sich die einzelnen Bytes per Handschlag begruessen lassen.

Mitverantwortlich fuer diese Situation ist nicht zuletzt die deutsche Bundesregierung, die es im Gegensatz zur USA und dem dortigen Vorbild "NFSnet" versaeumte, das Ganze zur Chefsache zu erheben und eine nationale Kommunikations-Infrastruktur zu schaffen, an die sich jeder Internet-Service-Provider anschliessen kann. Zumindest am Horizont ist Besserung in Sicht: Inzwischen gibt es in Deutschland hauptsaechlich zwei grosse Backbone-Netzwerke ("DE-CIX" und "D-GIX"), zu denen die grossen deutschen Access- Provider Leitungen unterhalten. Leider existieren bis dato keinerlei gemeinsame Knotenpunkte zwischen diesen Netzen.

Ein Unternehmen, das sich mittels WWW-Server im Internet praesentieren moechte, steht somit nicht selten vor dem elementaren Problem, einen Provider suchen zu muessen, der mit einer guten Performance auch zu Hauptverkehrszeiten und einer Anbindung an die wichtigsten Backbone-Netze aufwartet. Die zweite Frage ist, ob der WWW-Server in eigener Regie im Hause oder bei einem Provider plaziert wird.

Befindet sich der Rechner im lokalen Netzwerk, so erfordert dieses Verfahren einen Router, der die Verbindung zum ISP managt. Sobald ein Netzsurfer diesen WWW-Server besucht, gelangt seine Anfrage ueber das Internet zum Provider des Informationsanbieters, der mit diesem dann Verbindung aufnimmt. Fuer den Kontakt zwischen ISP und Anbieter kommt in Deutschland vor allem ISDN in Betracht. Die hierbei anfallenden Telekom-Gebuehren hat in der Regel der Server- Besitzer zu tragen - ein Kostenfaktor, der in der Kalkulation eines WWW-Projekts unbedingt zu beruecksichtigen ist. Einige Internet-Service-Provider stellen auch eine direkte Verbindung zum Router des Anbieters her und bauen diese nach einer gewissen Wartezeit wieder ab. Die dabei anfallenden Telekom-Gebuehren zeichnet der Provider auf und stellt diese, manchmal auch mit Aufschlag, seinem Kunden am Monatsende in Rechnung.

Call-back sorgt fuer Kostentransparenz

Andere Access-Provider bevorzugen das "Call-back"-Verfahren: Sobald ein Datenreisender auf den WWW-Server zugreifen moechte, teilt der ISP diese Absicht dem Router seines Kunden mit. Dieser erkennt die einkommende Anfrage und ruft zurueck, um die Verbindung zu etablieren. So fallen alle Telekom-Gebuehren ausschliesslich auf seiten des Anbieters an, eine Loesung, die der Kostentransparenz dient. Fuer dieses Verfahren spricht zudem die erhoehte Sicherheit durch die Call-back-Funktion. Der Pferdefuss dieser Methode ist der erforderliche Rueckruf. Sollte der Router beim Provider inzwischen besetzt sein, wartet der Anwender vergeblich auf eine Antwort des WWW-Servers. Aus diesem Grund bieten einige ISPs gegen Aufschlag auf die monatliche Gebuehr einen reservierten Zugang fuer Call-back- Kunden an.

Eine weitere Anschlussvariante des lokalen WWW-Servers an das Internet eroeffnet sich mit einer permanenten Verbindung zum Provider. Vorteil einer solchen Loesung ist die hoehere Performance. Doch diese hat ihren Preis: Zum einen verlangt die Deutsche Telekom erhebliche Gebuehren fuer diese Verbindungsart, zum anderen laesst sich der Internet-Service-Provider die staendige Verfuegbarkeit auch noch einmal kraeftig bezahlen. Fuenfstellige Summen pro Monat sind dabei keine Seltenheit - wenn auch dafuer keine Verbindungskosten mehr anfallen.

Welche Variante sich fuer den potentiellen WWW-Anbieter besser eignet, ist im voraus kaum zu bestimmen, denn die Zahl der tatsaechlich stattfindenden Zugriffe auf einen WWW-Server laesst sich in der Regel nur schaetzen, aber nicht exakt ermitteln.

Wer seinen WWW-Server im eigenen LAN positioniert, muss zusaetzlich gewaehrleisten, dass im lokalen Netzwerk Schutzmechanismen gegen unbefugte Eindringlinge aus dem Internet existieren. Sogenannte "Firewalls" (entweder eine reine Softwareloesung oder aber eine Kombination aus Hard- und Software) nehmen diese Aufgabe wahr und blocken - sofern entsprechend konfiguriert - jeden unberechtigten Zugriff und Einbruchsversuch ab, um die Unternehmensdaten zu schuetzen. Um jedoch in den Genuss dieser Sicherheitsoption zu kommen, werden meist zusaetzliche Kosten fuer die Anschaffung eines Firewalls faellig.

Die Staerke eines WWW-Servers im eigenen Haus ist seine staendige Verfuegbarkeit. Auf diese Weise lassen sich neue Informationen direkt einarbeiten, abrufen und bei Problemen sofort wieder herausnehmen oder anpassen. Diese Moeglichkeit ist vor allem fuer solche Anbieter von Bedeutung, deren Informationen haeufigen Aenderungen oder Erweiterungen unterliegen.

Als Alternative zum eigenen WWW-Server bietet sich die Moeglichkeit an, diese Dienstleistung direkt bei einem Provider zu bestellen. Eine Loesung, die je nach Beschaffenheit des Informationsangebots effizienter sein kann als ein Inhouse-Engagement. Der Betreiber spart sich dabei die Anschaffung zusaetzlichen Equipments wie etwa Router oder Firewall. Da der WWW-Server beim Internet-Service- Provider steht, braucht sich das Unternehmen keine Gedanken um den Datenschutz seines lokalen Netzwerks zu machen, da keine Verbindung vom Internet ins Firmen-LAN besteht. Zudem eruebrigen sich eventuelle Call-back-Verbindungen. Dies kommt nicht nur der Performance zugute, sondern spart auch Telekom-Gebuehren.

Eines der groessten Probleme bei der Evaluierung einer Online- Praesenz ist die Kalkulation der voraussichtlichen Zugriffe auf den WWW-Server. Einerseits wird jeder Anbieter bestrebt sein, so viele Datenreisende wie moeglich auf den eigenen WWW-Server zu locken. Andererseits muss der Betreiber fuer jeden Zugriff Verkehrsgebuehren bezahlen, und zwar unter Umstaenden nicht nur an die Telekom: Abhaengig von dem Vertragsmodell eines ISPs koennen fuer jedes uebertragene MB zusaetzliche Kosten anfallen. Doch wie viele MB das wirklich sein werden, ist im voraus schlichtweg nicht zu ermitteln.

Die Positionierung eines WWW-Servers beim Provider beinhaltet dagegen meist ein unbegrenztes Uebertragungsvolumen und laesst die oben genannten Kostenfaktoren auf Null schrumpfen - zumindest auf den ersten Blick, denn der Internet-Service-Provider bietet diese Moeglichkeit natuerlich nicht umsonst an. In der Regel ist eine monatliche Gebuehr zu entrichten, die die anfallenden Telefonkosten, Bereitstellung und Betrieb des WWW-Servers sowie eine Pauschale fuer die Uebertragung einer unbegrenzten Informationsmenge enthaelt. Die Ausgaben stellen hier eine feste Groesse dar, so dass eine WWW-Praesenz aufgrund regen Surfer-Besuchs nicht zum unkalkulierbaren finanziellen Risiko wird.

Dieses Verfahren besitzt aber Nachteile im Hinblick auf die Pflege des WWW-Servers, die in der Regel per Fernwartung erfolgt. Im Falle der Einbindung groesserer Inhalte oder umfangreicherer Wartungsarbeiten bleibt es dem Anbieter nicht erspart, einen Mitarbeiter zum Sitz des Service-Providers zu schicken und dort die entsprechenden Aktivitaeten vorzunehmen, was mit groesserem Aufwand und Kosten als bei einem lokalen WWW-Server verbunden ist.

Eine weitere Alternative ist der komplette Verzicht auf einen eigenen WWW-Server. Vor allem wenn nur ein eingeschraenktes Engagement im World Wide Web geplant ist und sich die Inhalte eines Servers nur auf wenige Seiten erstrecken, lohnt sich der Aufbau eines eigenen Internet-Rechners kaum. Daher vermieten einige Unternehmen und Internet-Service-Provider als sogenannte "Presence-Provider" Plattenplatz auf einem ihrer eigenen WWW- Server und binden dort die WWW-Seiten anderer Unternehmen ein. Dies spart Geld, Zeit und Systempflege auf seiten des eigentlichen Anbieters der Informationen, da kein eigener Maschinenpark erfoderlich ist und keine Mitarbeiter zur Betreuung des Servers abgestellt werden muessen. Dem WWW-Surfer gegenueber praesentieren sich diese einzelnen Seiten als eigenstaendiger WWW-Server, so dass es nicht auffaellt, das dieser "nur" von einem Serviceunternehmen betrieben wird. Pro Monat muss der Informationsanbieter eine Gebuehr an seinen Presence-Provider bezahlen, die sich nach der Zahl der Seiten, der darin enthaltenen Grafiken, der uebertragenen Datenmenge oder aehnlichem richten kann. Oft uebernehmen die Vermieterfirmen auch das Design der WWW-Seiten, falls gewuenscht.

Auch WWW-Server muessen beworben werden

Der Erfolg des WWW-Servers eines Unternehmens - gleich ob lokal, bei einem Internet-Service-Provider oder Presence-Provider - steht und faellt mit der Form der Praesentation und den Inhalten. Ein weiterer, oft vernachlaessigter Punkt, der mit ueber den Erfolg eines Internet-Engagements entscheidet, ist die Werbung.

Wer mit seinem WWW-Server moeglichst viele Internet-Anwender erreichen moechte, muss seine Online-Praesenz auch publik machen - woher sollte ein WWW-Surfer sonst wissen, dass es einen neuen WWW- Server zu besuchen gilt? Da sich das Internet inzwischen zum Massenmarkt entwickelt hat, bietet es sich an, fuer die betreffende Werbung ebenfalls Massenmedien wie Anzeigen, Rundfunk- oder TV- Spots zu nutzen, um die Adresse des WWW-Servers im Rahmen der ohnehin geschalteten Reklame mitzuteilen.

Zusaetzlich zu den ueblichen Mailings, Faxrundsendungen oder dem Abdruck der WWW-Adresse auf der Visitenkarte ist es empfehlenswert, Adresse und Beschreibung in hierfuer online zur Verfuegung stehende Internet-Kataloge eintragen zu lassen. Die bekanntesten wie etwa "Yahoo" bieten verschiedene Sparten, um die WWW-Server entsprechend thematisch zu ordnen. Eine E-Mail an den "Master" des jeweiligen Verzeichnisses reicht meist schon aus, um den WWW-Server manchmal binnen weniger Stunden in die Reihe der anderen Rechner aufnehmen zu lassen.

*Die Autoren arbeiten als freie Journalisten und Berater in Leichlingen und haben sich auf Fragen der Datenkommunikation spezialisiert.

Kurz & buendig

Sie sind die Shooting-Stars der Internet-Euphorie: WWW-Server. Kaum ein Tag, an dem nicht ein weiteres Unternehmen diesen neuen Weg der Informationsvermittlung betritt. Viele mag daran die Chance reizen, mit dem Einstieg ins Netz ein ueber 40 Millionen zaehlendes Publikum ansprechen zu koennen. Doch das Engagement gibt es nicht zum Nulltarif. Ob sich der Anwender fuer eine Inhouse- Loesung entscheidet, alles outsourct oder eine Mischloesung bevorzugt - bei allen Varianten fallen zum Teil erhebliche Kosten an: entweder fuer die eigene Hardware und TK-Gebuehren oder fuer die Dienstleistungen der Service-Provider.

Geld verdienen mit Online-Engagement ?

Viele Unternehmen unterliegen dem Trugschluss, mit einer Praesenz im World Wide Web den Umsatz steigern zu koennen. Geld ist derzeit aber kaum zu verdienen, und es fehlen verlaessliche Methoden, einen eventuellen Verkaufszuwachs durch das Online-Engagement nachzuweisen. Hauptsaechlich dienen WWW-Server heutzutage als Ergaenzung zu den traditionellen Marketing-Kampagnen in Printmedien, Rundfunk und Fernsehen, um das entsprechende Unternehmen als modern, progressiv und fortschrittlich darzustellen. Erst mit der Zeit wird sich zeigen, ob sich mit dem neuen Medium traditionelle PR ersetzen laesst. Gleichwohl ist es fuer viele Unternehmen schon heute von Bedeutung, in der Online-Welt Flagge zu zeigen und so Erfahrungen zu sammeln, die fuer die Zukunft von Bedeutung sein koennen. Nicht auszuschliessen ist dabei auch die Erkenntnis, dass sich eine Online-Praesenz schlichtweg nicht lohnt.

Ebenfalls kaum in Heller und Pfennig berechnen laesst sich die Effizienz eines elektronischen Kundensupports via Internet. Da die WWW-Server jedoch rund um die Uhr erreichbar sind, kann davon ausgegangen werden, dass diese Art von Kundenservice, schnelle Rueckantwort und aktuelle Hilfetexte vorausgesetzt, eher zur Kundenbindung beitraegt als manche chronisch ueberlastete Telefon- Hotline, die in der Regel dann Feierabend hat, wenn ein Problem beim Anwender auftritt.

Eher als Ausnahme von der Regel gibt es bereits Unternehmen, die Geld mit dem World Wide Web verdienen: Wenn tagtaeglich nachweisbar etliche Zugriffe auf den WWW-Server erfolgen, kann dies das Interesse potentieller Anzeigenkunden wecken. Topadressen mit mehreren hunderttausend oder gar etlichen Millionen Zugriffen pro Tag wie etwa der Suchdienst "Yahoo" oder Netscapes eigener WWW- Server zeigen, wie es geht. Andere Unternehmen laden ueber einen WWW-Server zum Shoppen oder dem Abruf spezialisierter Informationen ein und eroeffnen so neue Vertriebswege. Solange jedoch bei der Uebertragung sensibler Informationen wie etwa einer Kreditkartennummer noch keine Sicherheit garantiert ist, wird dieser Bereich noch auf die erhoffte Bluete warten muessen.