IT-Kandidaten und Personaler kommen öfter elektronisch zusammen

Online-Bewerbungsstrategien stehen vor dem Durchbruch

20.03.1998

"Wir können sofort 100 Mitarbeiter für unsere IT-Abteilung einstellen", sagt Jürgen Müller-Methling, Leiter der Personalentwicklung bei der DG Bank in Frankfurt. "Doch wer geht schon zu einem Geldinstitut?" räumt der Banker freimütig ein.

Sorgen um ihre personelle Zukunft brauchen sich dagegen Unternehmen wie SAP kaum zu machen. "Es ist schwieriger geworden, wir sind aber zuversichtlich, unsere Einstellungsziele für 1998 zu erreichen", stapelt man in Walldorf tief. Personal-Manager Stefan Müller zufolge türmten sich 1997 stolze 21000 Bewerbungen auf den Tischen der Entscheider. Allein für das badische Headquarter will SAP die Mitarbeiterzahl im laufenden Jahr um 1800 erhöhen; etwa 3000 Stellen sind bei den ausländischen Töchtern zu besetzen.

Um den Nachwuchs ins Haus zu locken, bedarf es weit mehr als der klassischen Personalanzeige. Unternehmen tummeln sich auf Absolventenkongressen, sponsern mit ihren Produkten ganze Universitätsfachbereiche oder schicken schon mal einen Headhunter in den Elfenbeinturm, der die Klientel zwischen Mensa und Hörsaal frühzeitig ködern soll. Eine entscheidende Rolle im Personalpoker spielt aber das Internet.

Wer glaubt, das weltweite Netz ziehe nur den IT-Nachwuchs in seinen Bann, sieht sich getäuscht. "Mittlerweile haben auch Bewerber aus anderen Branchen verstanden, daß die 039;Volltextsuche 039; in den Zeitungen zuviel Aufwand erfordert", behauptet Walter Leberl, Personalberater in München. Wer die richtigen Suchkriterien eingebe, könne sich gewinnbringend aus der Bewerbermasse abheben.

Im Auftrag eines bayerischen Maschinenbauers hatte Leberl eine Führungskraft sowohl in einer Zeitung als auch über eine Jobbörse gesucht. 50 Bewerber auf die Anzeige und fünf auf das Internet-Angebot kamen in die engere Auswahl - das Rennen machte schließlich ein Online-Bewerber.

Spricht man die Personalverantwortlichen auf ihre Internet-Aktivitäten an, strahlen die Gesichter um die Wette.

Über das Netz der Netze liefen bei der Debis AG in Berlin zehn Prozent der insgesamt 40000 Bewerbungen im vergangenen Jahr. Wie Unternehmenssprecher Christian Schubert mitteilt, hat man 1997 einen stolzen Anteil von insgesamt 3400 Jobs mit Online-Bewerbern besetzt. Vor allem das Systemhaus habe davon profitiert. Bei Intershop aus Jena kommen mittlerweile 30 Prozent der Bewerbungen online ins Haus.

Nicht zu verachten ist auch die Quote, die Claudia Schulz von der Berliner Condat GmbH vermeldet. Die Sprecherin des Software- und Beratungshauses ist auch für die Internet-Präsenz verantwortlich. Sie gibt zu bedenken: "Es ist ein Unterschied, ob wir 5000 Mark für eine Anzeige in der Zeitung bezahlen oder 600 Mark für ein vier Wochen in der Jobbörse erscheinendes Stellenangebot. "Man habe außerdem gute Erfahrungen mit Online-Kandidaten gesammelt. Zudem komme es Stellenanbietern entgegen, daß immer mehr Verlage kostenlosen Platz für Internet-Jobofferten zur Verfügung stellen.

Im elektronischen Stellenmarkt der COMPUTERWOCHE (www.computerwoche.de) stehen beispielsweise über 400 Stellenanzeigen. Die Jobs lassen sich über einige Begriffe wie Position, Region, Rubrik schnell sortieren. Immerhin 140000 Interessenten schauen sich monatlich die Angebote an. Alle Offerten aus der Papier-CW sind vier Wochen via Web verfügbar.

Wichtig, aber nicht entscheidend ist das Internet für die Westdeutsche Landesbank. Der klassischen Anzeige falle vor allem die Aufgabe zu, der Auslagerung des DV-Bereiches in die jüngste Tochter West LB Systems ein gutes Image zu verschaffen. Wie Personalreferent Ralf Wilms mitteilt, wolle man 1998 und 1999 etwa 210 neue Mitarbeiter für den eigenständigen DV-Ableger einstellen. Von besonderem Gewicht für die Personalpolitik sind die frühzeitigen Kontakte zu den Hochschulen sowie die Präsenz auf Absolventenmessen und Workshops. Durch "exzellent vorbereitete" Kandidatengespräche auf Hochschulveranstaltungen erreiche man einen Großteil der späteren Kollegen.

"Zirka zehn Prozent unserer Bewerber nutzen heute das Internet, um sich ins Gespräch zu bringen", sagt Ekkehard Schmider vom Münchner Beratungs- und Softwarehaus Ixos. Um das ehrgeizige Ziel zu erreichen, bis Ende 1998 von derzeit 300 auf etwa 400 Mitarbeiter zu wachsen, zieht das Softwarehaus alle Register der Personalarbeit.

Das gleiche gilt auch für Lotus Development, nur mit dem Unterschied, daß man noch nicht soviel von der Internet-Euphorie hält. Birgit Eberlein von der Personalabteilung: "Auf unser Stellenangebot unter www.lotus.de erhalten wir nur geringe Resonanz. "Stellenanzeigen in Printmedien seien nach wie vor ohne Konkurrenz.

Eine Einstellungsquote von elf Prozent Bewerbern aus dem Internet gibt das Beratungshaus Softlab an. Viele neue Leute, so Personalchef Volker Jansen, habe man jedoch durch frühzeitige Kontakte mit dem Hochschulnachwuchs genommen. Praktikanten, Werksstudenten und Mitarbeiter, die ihre Diplomarbeit im Hause der BMW-Tochter schreiben, profilieren sich über die Jahre im Kollegenkreis. Das Softwarehaus räumt jedoch ein, daß 90 Prozent der 1997 eingestellten Mitarbeiter Profis mit "mindestens vier Jahren Berufspraxis" seien. Besonders gesucht sind Bewerber mit ausgewiesenem Branchen-Know-how.

Um den richtigen Kandidaten ins Boot zu holen, verfolgen freilich nur wenige Unternehmen neue Ansätze. SAP hat bereits 1997 einen Online-Fragebogen konzipiert, den die Bewerber ausgefüllt per Post zurückschicken sollen. 6000 machten davon Gebrauch. Neu ist die Möglichkeit, das Interview gleich per E-Mail einzureichen. Müller freut sich über Online-Bewerber, die teilweise sogar ihre Fotos elektronisch einklinken.

Neue Ideen verfolgt auch Softlab. Die Münchner BMW-Tochter gleicht eigene Anforderungsprofile mit chiffrierten Stellengesuchen ab und erzielt damit eine Rücklaufquote von 50 Prozent. "Zwar kostet diese Methode viel Zeit. Aber der Erfolg gibt uns recht", sagt Jansen. Knapp 20 Prozent der Einstellungen resultieren inzwischen aus diesem Kunstgriff.

Ungewöhnlich ist dagegen eine andere Idee zur Personalbeschaffung. Wie Jansen erläutert, habe das Softwarehaus in Kooperation mit einem auf Outplacement spezialisierten Beratungsunternehmen im letzten Jahr zwölf Manager eingestellt, die samt und sonders Downsizing-Strategien zum Opfer gefallen waren.

Auch die Personalberater müssen sich in Zukunft auf Veränderungen einstellen. "Bei der erfolgreichen Besetzung von Management-Positionen in den USA", so Axel Bichara, Partner von Atlas Venture in München, "wird der Headhunter immer öfter mit Aktienoptionen honoriert. "Die Kopfjägertruppe muß sich also auch am Risiko beteiligen.

Winfried Gertz ist freier Journalist in München.