Mensch-Computer-Kommunikation mit Hindernissen:

Ombudsmann für naive Anwender

23.09.1977

Das vielzitierte Schlagwort von der Mensch-Computer-Kommunikation erweckt den Eindruck, als könne mit einem Computer genauso kommuniziert werden wie mit einem Menschen. Bei der Auswertung von Umfragen zur Benutzerzufriedenheit solcher Systeme stellt man jedoch in zahlreichen Fällen fest, daß sie nicht wie geplant benutzt werden oder daß ihre Möglichkeiten von den Benutzern nicht voll ausgeschöpft werden; vor allem bei Systemen, die für "naive" Benutzer konzipiert wurden.

Der naive Benutzer ist EDV-technisch ungeschult und kennt die Möglichkeiten eines Computers nicht.

Doppelgesicht des Computers

Auf der anderen Seite gibt es aber einen für den naiven Benutzer kaum sichtbaren prinzipiellen Unterschied: Das "Doppelgesicht" des Computers. Er ist einerseits technisches Gerät, andererseits Ersatz für eine zwischenmenschliche Aktivität. Dies hat weitreichende Konsequenzen für die Systembenutzung und sollte auch beim Systementwurf entsprechend berücksichtigt werden.

- Dialogsprachen müssen dem Sprachgebrauch des Benutzers und seiner spezifischen Erfahrungswelt angepaßt sein,

- Gebrauchsanleitungen müssen genau so wie für Autos oder Waschmaschinen verständlich geschrieben und problemlos anwendbar sein,

- bei auftretenden Benutzerproblemen sollten nicht nur schriftliche Erläuterungen zur Verfügung stehen, sondern es sollte auch eine Person (Ombudsmann) erreichbar sein, die weiterhelfen kann.

Grundsätzlich verstehen kann man Arbeiten eines Fachgebietes nur, wenn man auch die zugehörige Fachsprache beherrscht. Daraus leitet sich die erste Forderung an eine Dialogsprache ab: Sie muß der Fachsprache der zukünftigen Benutzer angepaßt sein. Benutzer und EDV-Spezialisten müssen also beim Entwurf der Sprache zusammenarbeiten, damit die Sprache nicht aus Gedankenlosigkeit der Designer "EDV-geprägt" wird.

Gebrauchsanweisung für Konsumguter als Vorbild

Darüber hinaus sollten Anweisungen, die der Benutzer in einer Dialogsprache formulieren kann, kurz und klar sein wie die Erläuterungen und Gebrauchsanleitungen, die ihm zur Verfügung stehen. Hier sollten sich einige EDV-Spezialisten die Gebrauchsanleitungen von manchen Konsumgüterartikeln zum Vorbild nehmen.

Die Grenzen der Mensch-Computer-Kommunikation zeigen sich nicht nur im Linguistischen, an der mangelnden sprachlichen Anpassungsfähigkeit des Computers, sondern auch im psychologischen Bereich: Ein Computer hat keine Gefühle. Diese Tatsache hat größere Auswirkungen auf die Mensch-Computer-Interaktion, als man zunächst annimmt. Die Auswirkungen lassen sich anhand der Begriffe "digital" und "analog" zeigen. Digitale Kommunikation bezeichnet den Inhalt eines Gesprächs, den man aufschreiben oder digital darstellen kann.

Gesten oder Körpersprache (analoge Kommunikation) hingegen kann ein Computer nicht nachbilden. Deshalb sollten menschliche Aktivitäten nur dort durch eine Mensch-Computer-Aktivität ersetzt werden, wo es sich um digitale Kommunikation handelt und die analoge Kommunikation nicht von Bedeutung ist.

Irreführendes Schlagwort

Das Schlagwort von der Mensch-Computer-Kommunikation ist irreführend.

Dadurch, daß man den Dialog zwischen Mensch und Computer als Kommunikation bezeichnet, erhält man noch keine der menschlichen Kommunikation äquivalente Ausdrucksform.

Bei jeder Planung für ein Dialogsystem Sollten deshalb die zukünftigen Benutzer am Entwurf von Dialogsprache und GebrauchsanIeitung beteiligt werden, und es sollte von vornherein ein Ombudsmann (oder -frau) eingeplant werden.

* Sabine Rohlfs ist Diplom-Informatikerin bei Softlab

Sabine Rohlfs *