:Olivetti: Der Griff ans Eingemachte

11.10.1991

Die Prognosen für den Erhalt der Unabhängigkeit von Olivetti stehen - ähnlich wie von SNI - nicht zum Besten. Zwar konnte sich der norditalienische Konzern im vergangenen Jahr, anders als Siemens-Nixdorf oder Bull, noch aus den roten Zahlen heraushalten; im ersten Halbjahr 1991 rutschte die Gruppe jedoch ebenfalls in die Verlustzone.

In Mailand hofft man, im laufenden Jahr den gleichen Umsatz wie 1990 erwirtschaften zu können. Zum erwarteten Ertrag liegen keine Äußerungen der Unternehmensführung vor. Angesichts des anhaltenden Margendrucks und Preiswettbewerbs ist eine Fortsetzung des Abwärtstrends der ersten sechs Monate jedoch wahrscheinlicher als die Ertragswende.

Der Konzern bricht nun das "Eingemachte" an: Die Nürnberger Olivetti-Tochter Triumph-Adler AG (TA) beziehungsweise deren Tochter Adlerwerke denkt über einen Verkauf der betriebsnotwendigen Immobilien in Frankfurt am Main nach. Dieser Schritt würde die Schließung des hochdefizitären Frankfurter Schreibmaschinenwerkes voraussetzen.

Öffentlich wurde der Plan durch eine Indiskretion aus dem Kreis des Aufsichtsrats. Der Frankfurter Oberbürgermeister reagierte verschnupft und droht planungsrechtliche Schritte an: Die Erzielung von Spekulationsgewinnen zu Lasten der Arbeitnehmer müsse verhindert werden.

Für TA schlummern in Frankfurt stille Reserven in einer Größenordnung von zirka 400 Millionen Mark. Wird dieser Schatz gehoben, könnten nicht nur die erheblichen TA-Verluste des laufenden Geschäftsjahres ausgeglichen werden, nach Steuern müßte auch noch ein erfreulicher Rest übrigbleiben, der via Ergebnisabführungsvertrag seinen Weg nach Mailand fände.

Falls die Bergung des Frankfurter Immobilienschatzes noch im laufenden Geschäftsjahr gelingen sollte (was angesichts der Äußerungen des Frankfurter Oberbürgermeisters fraglich ist), würde sich die Lage für Olivetti-TA 1991 entspannen. Da es jedoch zum Wesen außerordentlicher Erträge gehört, daß sie sich nicht regelmäßig einstellen, entstünde auch so nur ein Aufschub.

Olivetti wird ohne Partner den laufenden Konzentrationsprozeß der DV-Industrie aller Voraussicht nach nicht überleben können. Bleibt das Unternehmen unabhängig, dürfte es - schon mittelfristig - in Schwierigkeiten geraten. Kommt es indes zu einem Zusammengehen nach dem Vorbild Nixdorf-Siemens, wird eine Phase des Aufräumens und der Bereinigung folgen. Erst anschließend könnte Olivetti wieder für positive Schlagzeilen gut sein; das Beispiel SNI zeigt jedoch, daß die Anteilseigner auch dann wenig Freude an ihrem Engagement haben könnten.

Fazit für Aktionäre: Beide Szenarien bergen erhebliche Kursrisiken. Obwohl sich der Kurs der Olivetti-Aktien seit Anfang 1986 gesechstelt hat, ist es für Käufe immer noch zu früh. Die an dieser Stelle mehrfach zum Verkauf empfohlenen Aktien weiter meiden.

*Arnd Wolpers ist Geschäftsführer der Vermögensverwaltungsgesellschaft CMW GmbH in München.