Ohne Siemens wäre SBS am Ende

11.07.2006
Mit tiefen Einschnitten auch beim Personal will das Management noch seine Renditeziele erreichen.
Das zuletzt verbesserte operative Ergebnis lässt SBS hoffen, das Renditeziel von fünf Prozent im März 2007 zu erreichen.
Das zuletzt verbesserte operative Ergebnis lässt SBS hoffen, das Renditeziel von fünf Prozent im März 2007 zu erreichen.

Hohe Kosten, komplexe Organisation, mangelhafte Qualität, fehlende Strategie und ein Verbrauch an Barmitteln von einer Milliarde Euro innerhalb von neun Jahren - die aktuelle Geschäftsführung von Siemens Business Services (SBS) stellt dem vorherigen Management ein verheerendes Zeugnis aus. "Als selbständiges Unternehmen wäre SBS bereits in Konkurs", heißt es in einem internen Konzeptpapier der Unternehmensleitung um Bereichsvorstand Christoph Kollatz, das der computerwoche vorliegt. Seit seinem Amtsantritt im September 2005 hatte sich der Siemens-Manager in das Studium der finanziellen Daten zurückgezogen und sich weder Mitarbeitern noch Öffentlichkeit gegenüber erklärt. Was er in den Büchern entdeckte, war offenbar schlimm.

"Der Fokus lag auf Auftragseingang und Umsatz", bemängelt das interne Schreiben die Tendenz, sich auch dann auf Projekte einzulassen, wenn keine Aussicht auf Gewinne bestand. "Wir werden nicht akzeptieren, wenn beispielsweise Projekte nicht wirklich durchdacht und ohne Marge sind", teilt Kollatz nun mit.

Offshore-Trend verschlafen

Insbesondere in Deutschland seien zudem die Kosten zu hoch. Ulrich Assmann, Chef der hiesigen und größten SBS-Landesgesellschaft rechnet vor, dass die eigenen Mitarbeiter im Durchschnitt sieben Prozent teurer sind als die der tarifgebundenen Wettbewerber. Insgesamt ergebe sich beispielsweise im Projektgeschäft ein Kostennachteil von 27 Prozent. SBS habe strukturelle Nachteile durch einen niedrigen Offshore- und Low-Cost-Onshore-Anteil.

Die Geschäftsergebnisse fielen entsprechend aus: SBS schloss das Geschäftsjahr 2005 mit dem schlechtesten Ergebnis der Firmenhistorie ab (minus 690 Millionen Euro einschließlich Restrukturierungskosten und Sondereffekten). Dass es auch besser geht, zeigt das Management anhand der Vergleichsdaten der Konkurrenten. Außer EDS konnten die Wettbewerber Accenture, HP, CSC und IBM in den vergangenen sieben Jahren durchgehend Gewinn vorweisen. "Die Zielmarge von fünf bis sechs Prozent liegt beträchtlich unter dem Durchschnitt der Konkurrenz", heißt es im Papier.

Das Management bereitet die deutschen Mitarbeiter nun auf tiefe Einschnitte vor. Bis Ende des Jahres, und damit neun Monate früher als geplant, will Assmann 357 Millionen Euro einsparen, und zwar durch Offshoring, Low-Cost-Onshoring, Standortschließungen sowie Prozessverbesserungen und Kapazitätsabbau.

"Wir benötigen beides: Personalabbau und Entgeltreduktion", fordert der Deutschland-Chef. Dem Zeitplan zufolge laufen derzeit Verhandlungen mit dem Betriebsrat über einen Ergänzungstarifvertrag sowie die Vorbereitungen für betriebsbedingte Kündigungen. Eine Entscheidung soll im September fallen.

Mit diesen Maßnahmen sowie eine neuen Organisation und Kundenansprache (siehe Seite 32 "Siemens bindet SBS enger an sich") hofft das Management auf eine Punktlandung. Im März 2007 will Kollatz, der als Spezialist für Sanierungsfälle gilt, dem Siemens-Konzern eine Profit-Marge von fünf Prozent präsentieren. Bis dahin, so eine Vereinbarung mit der Muttergesellschaft, werde Siemens SBS freie Hand bei der Restrukturierung geben und bei Bedarf Geld bereitstellen. "Wir haben ein Gesamtkonzept, mit dem wir das Ziel erreichen", zeigt sich Kollatz zuversichtlich und verweist auf die Stärken von SBS: Kunden, Know-how, Marktposition und Siemens.

Kritik am Siemens-Vorstand

Offen bleibt jedoch die Antwort auf die Frage, warum sich der Siemens-Zentralvorstand erst jetzt intensiv der IT-Tochter widmet. "Dort hat man in der Vergangenheit eher wenig Interesse an dem Geschäft gezeigt und auch mit klaren strategischen Vorgaben gegeizt", bemängelt Ovum-Analystin Grimme, die zudem die bisherigen Unternehmenslenker in Schutz nimmt. "Das SBS-Management war und ist in seiner Handlungsfähigkeit immer ein wenig gehemmt, weil es dem Siemens-Zentralvorstand untersteht." Nun ist es an Kollatz, dies zu ändern. Er verfügt angeblich über einen kurzen Draht zu Siemens-Chef Klaus Kleinfeld, mit dem er seit den gemeinsamen Anfangsjahren bei der hausinternen Unternehmensberatung befreundet ist.