Risiken bei der Einführung von Web-Technik

Ohne Projektplanung führen Intranets in die Pleite

21.08.1998

Anbieter weisen vielfach nur auf den Nutzen von Intranets hin, Risiken bei der Einführung und dem Betrieb verschweigen sie. Dabei sind die Schwierigkeiten so vielfältig wie die Einsatzmöglichkeiten.

Erster Knackpunkt: Intranets setzen eine Client-Server-Umgebung und TCP/IP-Infrastruktur voraus. Doch bereits das Bereitstellen der Architektur für das interne Web führt in der Regel zu umfangreichen Projekten. Mitunter muß das Unternehmen sich im Zuge der Vereinheitlichung auf ein Kommunikationsprotokoll von Altsystemen trennen beziehungsweise diese für den Einsatz im Intranet vorbereiten. Aufwand und die Dauer eines solchen Initial-Projekts sind oft um ein Vielfaches höher als zunächst angenommen und gefährden möglicherweise Folgeprojekte.

Da Intranet-Daten über lokale Netze sowie Weitverkehrsstrecken transportiert werden, müssen die Verantwortlichen die zusätzliche Belastung der Verbindungswege in Betracht ziehen. Steht nicht genügend Netzkapazität zur Verfügung, kann die Performance sehr schnell sinken. Für die Akzeptanz des hauseigenen Web wäre dies Gift. Vielfach läßt sich die Anzahl der Zugriffe auf Intranet-Dienste im Vorfeld nicht einmal abschätzen, was die Dimensionierung der Server-Kapazitäten und der Übertragungsbandbreiten zusätzlich erschwert.

Geblendet von der vermeintlich einfachen Intranet-Technik unterschätzen IT-Manager oft den Aufwand, bestehende IT-Systeme zu integrieren. Plant ein Unternehmen ein internes Web, um Informationen einfacher zu verteilen, müssen logischerweise vorhandene Datenbestände eingebunden werden. Dies schließt den Zugriff auf Legacy-Systeme ein. In der Regel fehlen dem Unternehmen für die Einbeziehung heterogener Datenbestände sowohl Standard-Schnittstellen als auch die entsprechenden Werkzeuge, daher sollten diese Aspekte mit in die Zeit- und Kostenplanung einfließen.

Außerdem verleitet die Einfachheit der Web-Technik zu Schnellschüssen. "Ein elektronisches Telefonverzeichnis mittels Web-Technologie an einem Wochenende", "wenige Links führen zu neuen Anwendungen" und ähnlich klingende Aussagen der MarketingStrategen aus der Softwarebranche führen in Wirklichkeit zu "Quick-and-dirty"-Lösungen. Sie bergen aber die Gefahr von Informationsinseln, die von den bestehenden Datenbeständen abgeschnitten sind. Überhastete Entwicklungen verführen ferner dazu, die Dokumentation der entstehenden Applikationen zu vernachlässigen. Im Lauf der Zeit geht damit der Überblick verloren.

Fehlt in der Planung zudem die Strukturierung der Inhalte, kann dies zu Terminüberschreitungen oder aufwendigen Nachbesserungen der Projekte führen. Zur Vermeidung der Informationsfriedhöfe von morgen ist eine koordinierte Vorgehensweise bereits bei der Einführung der Web-Technik erforderlich.

Da sich Web-basierte Lösungen schnell realisieren lassen, vergessen die Planer häufig, daß nach der Einführung die Arbeit noch nicht beendet ist. Wird die Pflege der Informationen im Intranet stiefmütterlich behandelt, sehen Nutzer keine Veranlassung mehr, das System weiter in Anspruch zu nehmen. Für Aktualität, Umfang und Korrektheit der Inhalte sind organisatorische Regelungen zu treffen. Unternehmen müssen hierzu Verfahren einführen, welche die technische und inhaltliche Pflege der Web-Sites sicherstellen. Schon während des Projekts sollte klar sein, wer für welche Intranet-Inhalte verantwortlich ist.

Oft läßt das Management auch außer acht, daß Intranets zu einer Umstellung der Arbeitsweise eines jeden Mitarbeiters führen. Mit den organisatorischen Veränderungen geht mitunter auch ein kultureller Wandel einher. Zum Beispiel gelingt die Einführung von Web-basierten Diskussionsforen zwar auf technischer Ebene sehr leicht, doch meist nutzen die Angestellten diese Foren kaum, da ihnen die Anreize dazu fehlen. Die potentiellen Anwender sind es nicht gewohnt, Probleme mit einer größeren und vielleicht unbekannten Gruppe von Kollegen zu diskutieren. Erst wenn ihnen klar wird, welchen persönlichen Nutzen sie aus Diskussionen im Intranet ziehen, sind sie auch bereit, das Tool einzusetzen.

Damit Intranets Zuspruch beim Anwender finden, sollte das Intranet-Team nicht nur aus Technikern bestehen. Entscheidend für den Erfolg ist vielmehr, daß auch Leute aus den Fachbereichen, die von dem Intranet profitieren sollen, mit in der Projektgruppe sitzen.

Alle aufgezählten Klippen lassen sich nur mit einer detaillierten Planung umschiffen. Doch für die Abwicklung von Intranet-Projekten existieren heute noch keine vorgefertigten Methoden, die alle relevanten Fragestellungen berücksichtigen. Um hier Abhilfe zu schaffen, hat das Institut für Wirtschaftsinformatik an der Universität St. Gallen 1997 zusammen mit den Unternehmen ABB, AGI Holding AG, CSS Versicherung, Credit Suisse, LGT Bank in Liechtenstein, Swisscom und Winterthur-Versicherungen das Kompetenzzentrum Inter-/Intranet (CC I-NET) gegründet. Mit Abschluß des CC I-NET Ende 1998 wird ein Methodenhandbuch für Intranet-Projekte vorliegen, das Firmen helfen soll, Gefahren bei der Einführung und Nutzung von Internet-Technologien zu vermeiden.

Dr. Petra Vogler ist Gründerin des Kompetenzzentrums Inter-/Intranet an der Universität St. Gallen.