Vernetzte Autos und Häuser gelten zwar noch als Avantgarde, doch die Digitalisierung nimmt an Fahrt auf. Dem Handel oder der Automobilbranche kommt schon heute eine Vorreiterrolle zu. "Dass die Digitalisierung in Zukunft eine wichtige Rolle spielt, ist jedem klar. Viele wissen aber noch nicht, wie passende Geschäftsmodelle für ihr Unternehmen aussehen könnten", erläutert Frank Mang, verantwortlich für Accenture Technology.
Hier kommen die Berater ins Spiel. Ihre Aufgabe ist es, Zukunftsszenarien zu entwerfen und neue Chancen auszuloten. "In kleineren Firmen gibt es schon gute Anwendungsbeispiele, doch für einen Dax-Konzern sind solche Projekte ungleich komplexer", weiß Mang und ergänzt: "Jedem ist klar, dass hier die Zukunft liegt."
- Industrie 4.0 - Leitfaden für CIOs
Stephen Prentice (Gartner) legt den IT-Verantwortlichen zwölf Dinge ans Herz, die sie für den IT-Beitrag zu Industrie 4.0 beachten beziehungsweise tun sollten: - 1. Nur keine Panik!
Industrie 4.0 ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Die gute Nachricht: Wenn man nicht so genau sieht, wo es hingeht, kann man bislang auch nicht wirklich eine Gelegenheit verpasst haben. - 2. Integrieren Sie Informationstechnik und operationale Technik!
Unter operationaler Technik (OT) versteht Gartner Ingenieurtechnik mit einer Langzeitperspektive. Sie liefert Information über das, was im Inneren der Produktionssysteme vor sich geht. Dabei ist sie digital, aber nicht integriert. - 3. Steigern Sie den Reifegrad Ihres Fertigungsprozesses!
Lernen Sie Ihre Mitspieler auf der Produktionsseite kennen. Verstehen Sie deren Sorgen und Hoffnungen und planen Sie den gemeinsamen Fortschritt auf einem fünfstufigen Weg. - 4. Integrieren Sie Ihre Informations-Assets!
Reißen Sie Ihre Silos nieder und öffnen Sie Ihre Unternehmenssysteme auch für externe Informationsquellen: Wetterdaten, Social Media etc. "Ihre wertvollsten Daten könnten von außerhalb Ihres Unternehmens stammen", konstatierte Gartner-Analyst Prentice. - 5. Verinnerlichen Sie das Internet der Dinge!
Das Internet of Things (IoT) ist der international gebräuchliche Begriff für das, was die Grundlage der Industrie 4.0 - und des digitalen Business - bildet. - 6. Experimentieren Sie mit Smart Machines!
Virtuelle Assistenten für die Entscheidungsunterstützung, neuronale Netze, cyber-physikalische Systeme, Roboter und 3D-Druck mögen aus der heutigen Perspektive noch als Spielerei erscheinen. Aber es lohnt sich, ihre Möglichkeiten auszuloten. - 8. Scheuen Sie sich nicht, den Maschinen ein paar Entscheidungen anzuvertrauen!
Der Fachbegriff dafür ist Advance Automated Decision Making. Es gibt schon einige Bereiche, wo Maschinen statt des Menschen entscheiden, beispielsweise bei der Einparkhilfe für Kraftfahrzeuge. - 9. Denken Sie wirklich alles neu!
Jedes Produkt, jeder Service, jeder Prozess und jedes Device wird früher oder später digital sein. Denken Sie sich einfach mal Sensoren und Connectivity zu allem hinzu. - 10. Führen Sie bimodale IT ein!
Die Koexistenz zweier kohärenter IT-Modi (einer auf Zuverlässigkeit, einer auf Agilität getrimmt) gehört zu den Lieblingsideen der Gartner-Analysten. Stabilität und Schnelligkeit lassen sich so in der jeweils angemessenen "Geschwindigkeit" vorantreiben. - 11. Kollaborieren Sie!
Werden Sie ein Anwalt für Industrie 4.0. Schließen Sie sich Peer Groups, Konsortien und Standardisierungsgremien an. Denn die besten Ideen müssen nicht zwangsläufig aus dem eigenen Unternehmen kommen. - 12. Halten Sie die Augen offen!
Die Dinge verändern sich - ständig. Erfolgreiche Unternehmen wie Google und Amazon wissen das. Sie sind immer auf der Suche nach neuen Entwicklungen und Möglichkeiten. - 7. Werden Sie ein Digital Business Leader!
Der CIO sollte sich für das digitale Business engagieren. Dazu muss er aber seinen Elfenbeinturm verlassen. Denken Sie von innen nach außen, rief Prentice die IT-Chefs auf, und verbringen Sie etwa 30 Prozent Ihrer Arbeitszeit mit Menschen von außerhalb Ihrer Organisation.
Unternehmen rüsten sich für den digitalen Wandel
Der Technologie-Experte Mang sieht drei große Treiber der Digitalisierung, nämlich mobile Unternehmensanwendungen (Mobility), Datenanalyse (Analytics, Business Intelligence) und das sogenannte "Customer Experience Design", also die einfache Nutzung von Produkten und Dienstleistungen. Denn Unternehmen sind dabei, ihre digitalen Angebote und Kanäle auszubauen und ihre Organisation für den digitalen Wandel fit zu machen, der damit einhergeht. Auch die Datenanalyse eröffnet viele neue Geschäftsmodelle.
Aber was bedeutet der digitale Wandel für die Mitarbeiter? "Unsere Aufgabe ist es, die Möglichkeiten der Digitalisierung in die reale Welt zu übersetzen", sagt Mang. Dazu brauchen Berater vor allem umfangreiches Wissen über etablierte Technologien wie Business Intelligence (BI), ERP, Analytics sowie Java. Simone Wamsteker, verantwortlich für das Recruiting von Accenture in Deutschland, Österreich und der Schweiz ergänzt: "Unsere Mitarbeiter müssen die Prozessabläufe in unterschiedlichen Branchen genau verstehen, um Ideen für digitale Projekte zu entwickeln und umzusetzen. Dieses Wissen erwerben die wenigsten an den Hochschulen, sondern sie sammeln es im Berufsalltag."
Interdisziplinären Teams gehört die Zukunft
Aber auch die Expertise von Maschinenbauern, Ingenieuren oder Mathematikern zählt neben den klassischen Disziplinen wie Informatik und Wirtschaftsinformatik zu den gefragten Skills bei Accenture. "Wir haben schon immer Naturwissenschaftler eingestellt. Heute setzen wir sie stärker nach ihren Studienschwerpunkten ein, also beispielsweise Ingenieure in Projekten zum vernetzten Auto oder Industrie 4.0", erklärt Mang.
Zu einem gelungenen Projekt gehört auch ein ansprechendes Design und eine intuitiv bedienbare Oberfläche. Accenture integrierte vor zwei Jahren die global agierende Multimedia-Agentur "Fjord" mit ihren weltweit mehr als 400 Spezialisten, von denen 50 in Berlin arbeiten, in das Beratungsunternehmen, um diesem Trend noch mehr Rechnung zu tragen.
Denn komplexe Aufgaben, wie sie die Digitalisierung bereithält, lassen sich nicht von einem Spezialisten alleine lösen. Interdisziplinäre Teams, in denen sich Mitarbeiter mit unterschiedlichen Qualifikationen gemeinsam einer Aufgabe widmen, werden immer wichtiger. "Unsere Aufgabe ist es, Digitalisierung mit der klassischen IT zusammenzubringen", erläutert Mang.
Wamsteker und ihr Recruiting-Team wollen in diesem Geschäftsjahr 1200 neue Mitarbeiter für Accenture gewinnen. Idealerweise bringt die Hälfte der Bewerber Berufserfahrung mit. "Das Wissen um Unternehmensprozesse ist uns sehr wichtig, ebenso ein Gespür dafür, was sich wie digitalisieren lässt", erklärt die Personalerin.
Aber auch die Berater von Accenture bilden sich kontinuierlich weiter. Weltweit absolviert jeder Mitarbeiter im Technologiebereich rund 70 Trainingsstunden im Jahr. Über das interne Schulungsportal offeriert das Unternehmen rund 25.000 Online-Kurse, virtuelle Trainings und Präsenzveranstaltungen. Doch hier erwartet die Generation Y neue Angebote, wie Wamsteker weiß. "Gerade die jüngeren Kollegen wünschen sich vernetzte und interaktive Lernangebote. Sie wollen im persönlichen Dialog auch von erfahrenen Führungskräften lernen."
Studie: Ängstliche Führungskräfte
Im Frühjahr 2015 befragte Accenture 2500 Arbeitnehmer und 500 Führungskräfte in der Europäischen Union zur Digitalisierung. Mehr als die Hälfte der Beschäftigten (57 Prozent) zeigten sich optimistisch. Sie gehen davon aus, dass Apps, Roboter, Datenanalyse und künstliche Intelligenz ihren Arbeitsalltag verbessern werden. Etwas kritischer äußerten sich die in Deutschland Befragten, denn hierzulande glauben nur 46 Prozent, dass digitale Technologien einen Vorteil für ihr Arbeitsumfeld bringen werden, zehn Prozent befürchten eine Verschlechterung.
- Warum Sie sich jetzt um Industrie 4.0 kümmern sollten
Industrie 4.0 bietet zahlreiche Chancen, um die Herstellungsprozesse nicht nur nachhaltig zu verbessern, sondern einen Quantensprung innerhalb der Produktion zu erreichen. - Individualisierung von Kundenwünschen ...
... durch Rentabilität bei der Produktion von Kleinstmengen (Losgröße 1), Berücksichtigung individueller und kurzfristiger Kundenwünsche beim Design sowie in der Planung und Produktion. - Flexibilisierung und Verkürzung ...
... der Lead Time und Time to Market. - Dynamische Geschäftsprozess-Gestaltung ...
... durch Verkürzung von Entwicklungszeiten und Ad-hoc-Vernetzung von cyber-physischen Produktionssystemen. - Schnelle, flexible Reaktion auf Veränderungen ...
... wie Ausfälle von Zulieferern oder kurzfristige Erhöhung von Liefermengen. - Durchgehende (digitale) Transparenz in Echtzeit, dadurch schnelle und flexible Entscheidungen sowie globale Optimierungen in Entwicklung und Produktion. - Optimierung der Produktion ...
... hinsichtlich Ressourcen- und Energieverbrauch sowie Emissionen. - Predictive Maintenance ...
... im Produktionsbereich (Vorhersage und Optimierung von erforderlichen Wartungsprozessen). - Innovative Geschäftsmodelle, ...
... Dienstleistungen und B2B-Services durch Themen wie Big Data und RFID-Chips, Angebote für komplette Lösungen und Rundum-Dienstleistungen. - Demografieorientierte Arbeitsgestaltung ...
... durch das Zusammenspiel zwischen Mensch und technischen Systemen. - Verbesserte Work-Life-Balance ...
... aufgrund höherer Flexibilität in der Arbeitsorganisation.
Erstaunlich zurückhaltend äußerten sich die Führungskräfte. Zwar gehen 77 Prozent der befragten Manager davon aus, dass sie in den kommenden drei Jahren den Wandel zum digitalen Unternehmen vollziehen werden, doch der Mehrheit (55 Prozent) fehlt eine passende Strategie. 70 Prozent der deutschen Manager wollen zunächst die weitere Entwicklung abwarten. Das verwundert kaum, denn 62 Prozent gaben an, dass sie keine Digitalstrategie haben. Das bietet Startups im digitalen Umfeld gute Chancen, mit pfiffigen Ideen zu punkten.