Offshoring: Deutschland hinkt hinterher

16.08.2007
Die Eigenheiten des hiesigen Markts bremsen zwar die Offshore-Entwicklung. Sie bieten den IT-Dienstleistern aber auch Chancen.

Die IT-Dienstleister aus Indien sind weiter auf dem Vormarsch auch in Europa. Den Marktforschern von Forrester Research zufolge wachsen sie hier derzeit um jährlich 30 Prozent und erwirtschaften gigantische Profitmargen. Um nicht ins Hintertreffen zu geraten, haben US-amerikanische Anbieter wie Accenture und IBM schon vor Jahren reagiert und ihre Offshore-Kapazitäten auf dem Subkontinent und in anderen Schwellenländern massiv ausgebaut. Bei den meisten großen europäischen IT-Dienstleistern besteht dagegen noch Nachholbedarf.

Auch Europas IT-Dienstleister bauen ihre Offshore-Kapazitäten aus. In Deutschland verfügt aber nur SIS über nennenswerte Ressourcen in Niedriglohnländern.
Auch Europas IT-Dienstleister bauen ihre Offshore-Kapazitäten aus. In Deutschland verfügt aber nur SIS über nennenswerte Ressourcen in Niedriglohnländern.
Foto: Forrester Research

Zahlenmäßig können bislang nur die aus der Siemens-Tochter SBS hervorgegangene IT-Sparte SIS (Siemens IT-Solutions and Services) sowie Capgemini mithalten: SIS beschäftigt derzeit rund 30 Prozent der weltweiten Belegschaft in Niedriglohnländern, der französische IT-Dienstleister kommt auf 18 Prozent allerdings ohne die Mitarbeiter des im Herbst 2006 übernommenen Offshorers Kanbay. Bei den anderen europäischen Playern sind die Offshore- und Nearshore-Anteile laut Forrester wesentlich geringer: Logica CMG schafft mit 10,6 Prozent immerhin die Zehn-Prozent-Marke. Getronics und Atos Origin liegen mit 5,1 beziehungsweise 2,4 Prozent weit dahinter. Völlig abgeschlagen auf dem letzten Platz landet T-Systems mit einem Anteil von 0,4 Prozent.

Die meisten kleineren Anbieter in Deutschland können ohnehin nicht mit nennenswerten Offshore-Kapazitäten aufwarten. Das liegt vor allem an den Eigenheiten und der mittelständisch geprägten Struktur des deutschen Markts: Abgesehen davon, dass sich die vorwiegend kleinen und mittleren lokalen Anbieter keine Zukäufe in Niedriglohnländern leisten können, ist das mittelständische Kundensegment wesentlich schwerer mit Offshore-Services zu bedienen als große Anwenderunternehmen. IT-Sicherheitsbedenken und Kommunikationsprobleme durch sprachliche und kulturelle Unterschiede schrecken kleinere Firmen nach wie vor davon ab, Tätigkeiten in Offshore-Regionen wie Indien oder China zu verlagern. Die mangelnde Akzeptanz in Deutschland ist auch darauf zurückzuführen, dass hiesigen Anwendern die Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit indischen Fachkräften fehlen, die Firmen in den USA und Großbritannien über Jahre oder Jahrzehnte hinweg gesammelt haben. "Das gegenseitige Marktverständnis, die Kenntnisse über die jeweiligen Gepflogenheiten all das muss in Deutschland noch aufgebaut werden", so Andreas Stiehler, Analyst bei Berlecon Research. "Für einen Anwender, der dem Thema Offshoring ohnehin skeptisch gegenübersteht, ist es nur schwer nachvollziehbar, warum sein Server von Bangalore aus betreut werden soll."

Große Bedenken im Mittelstand

Angesichts dieser Hemmnisse haben hiesige IT-Dienstleister grundsätzlich Probleme, ihre Kunden vom Nutzen des Offshoring zu überzeugen. "Wer Großunternehmen bedient, braucht Offshore-Ressourcen, keine Frage. Aber im Mittelstand ist die deutschsprachige Betreuung durch einheimisches Personal häufig sogar ein Verkaufsargument", fasst Stiehler zusammen. Andererseits führt die Offshore-Aversion der Anwender auch dazu, dass einige IT-Dienstleister ihre Kunden gar nicht erst darüber informieren, dass bestimmte Services in Indien erbracht werden, beobachtet Heiko Miertzsch, Manager Consulting bei der Beratungsfirma Techconsult. Aus diesem Grund sei es schwer zu sagen, wie hoch die Offshore-Anteile der Anbieter tatsächlich sind.