Offshore-Services: Russland bietet sich an

06.10.2003
Von Matthias Weber
Anders als ihre indischen Wettbewerber sind russische Offshore-Anbieter wie Luxoft, Reksoft, Auriga, Telma oder Digital Design auf dem deutschen Markt kaum präsent. Glaubt man indes russischen Branchenvertretern und unabhängigen Marktforschern, dürfte sich dies in absehbarer Zeit ändern.
David gegen Goliath: Mit 425 Millionen Dollar Exportumsatz kann sich die russische Softwareindustrie bei weiten noch nicht mit der Indiens messen, das Wachstum ist aber beachtlich.
David gegen Goliath: Mit 425 Millionen Dollar Exportumsatz kann sich die russische Softwareindustrie bei weiten noch nicht mit der Indiens messen, das Wachstum ist aber beachtlich.

Im Prinzip waren sich auf dem 3. Software-Outsourcing-Gipfel des russischen Branchenverbandes Russoft in St. Petersburg alle Teilnehmer einig: Die russische Softwareindustrie ist auf dem besten Wege, den Rückstand zur Konkurrenz auf dem indischen Subkontinent in puncto Unternehmensgröße, Vertretung der eigenen Interessen und vor allem auch internationaler Wahrnehmung wettzumachen. Der vorherrschende Druck zur Verringerung der Software-Entwicklungskosten wird auch Russland die Etablierung auf dem Offshore-Markt erleichtern. Und: Global tätige Auftraggeber haben ein großes Interesse, durch entsprechende Diversifizierung ihre geopolitischen Risiken zu verringern. "Russlands Softwareexport wird in diesem Jahr ein Volumen von rund 425 Millionen Dollar erreichen und gegenüber dem Vorjahr um etwa 30 bis 40 Prozent zulegen", untermauerte Russoft-Präsident Valentin Makarov diese Thesen mit konkreten Zahlen. Damit reicht man natürlich noch lange nicht an die Marktdominanz indischer Softwareanbieter heran, die laut jüngsten Erhebungen der indischen National Association of Software and Services Companies (Nascom) heuer auf ein Umsatzvolumen von 9,5 Milliarden Dollar kommen dürften - aber immerhin.

Lange mangelte es an Transparenz auf dem russischen Markt, was naturgemäß Investoren, Kunden und Geschäftspartner abschreckte. Mittlerweile schaffen jedoch einschlägige Studien wie die Russoft-Untersuchung "Software Development in Russia - A Buyer's Guide to the Russian Software Development and Services Export Industry" Abhilfe. Russoft-Frontmann Makarov warb zudem in St. Petersburg vehement für den eigenen Standort: "Russland verfügt über gute Wachstumsperspektiven seiner IuK-Industrie, vor allem dank des einzigartigen intellektuellen Potenzials." Allein in seiner Organisation seien momentan rund 3000 Softwareunternehmen registriert, davon etwa 1000 Exporteure.

Insbesondere der Export von Softwareservices entwickle sich dynamisch, "wenn auch die Statistik wegen der übermäßig verkomplizierten Valuta- und Zoll-Regulierung viele Lücken aufweist", so Makarov. Ein Teil des Marktes sei daher nach wie vor "der Schattenwirtschaft zuzurechnen". Zur Einschätzung des realen Marktvolumens hat der Verband deshalb divergierende Zahlen von Market-Visio und Ernst & Young durch eigenen Einschätzungen korrigiert . Dabei ist der Produktanteil am Softwareexport noch gering. Erst wenige Firmen wie der OCR-Spezialist Abbyy oder der Antivirus-Anbieter Kaspersky Lab sind hier erfolgreich und außerhalb Russlands bekannt. Allerdings hegen weitere Firmen entsprechende Expansionspläne - beispielsweise Speech Tech Center aus St. Petersburg, das mit einer eigenen Tochter in Saarbrücken den deutschen Markt angehen will.

Nach wie vor haben allerdings am Exportvolumen der russischen Softwareindustrie die Niederlassungen respektive Entwicklungszentren ausländischer Firmen einen Anteil von fast 25 Prozent. Ein Umstand, der laut Alexander Egorov, CEO der Softwareschmiede Reksoft, belegt, "dass sich Weltfirmen wie Intel, Sun Microsystems, Motorola, Nortel Networks oder auch Boeing einen Teufel um das vermeintlich schlechte Hightech-Image Russlands scheren". Weltweit im Einsatz befindliche Intel- und Sun-Software sei zu großen Teilen in Russland entstanden, so seine These.

Als Kronzeugen für den Aufschwung der russischen Offshore-Anbieter bot Russoft in St. Petersburg auch führende Marktforscher auf. Ian Marriott von Gartner prognostizierte etwa einen sinkenden Anteil indischer Anbieter am Outsourcing-Markt. Die Augen würden sich in den kommenden Jahren mehr und mehr auf Russland und China richten. Auch Vladimir Kroa von IDC sah die russischen Anbieter gut im Rennen. Sein Fazit: "Die Preise sind hier noch wettbewerbsfähig, sogar im Vergleich zu Indien und China."