Offshore-Projekte managen

08.03.2006
Für die Zusammenarbeit mit indischen Experten gelten spezielle Anforderungen.
Nicht nur die IT, auch andere Bereiche werden zunehmend in Offshore-Länder ausgelagert.
Nicht nur die IT, auch andere Bereiche werden zunehmend in Offshore-Länder ausgelagert.

Ein IT-Dienstleister, der ein Offshore-Team an einem kostengünstigen Standort steuern will, muss zusätzlich zu den klassischen Schlüsselfaktoren - flexible Preismodelle, Service-Level-Agreements (SLAs), Branchenkompetenz - ganz spezielle Aspekte berücksichtigen. Offshoring ist kein Selbstläufer. In standortübergreifenden Projekten "menschelt" es mehr, als dies normalerweise üblich ist. Räumliche Trennung, kulturelle Unterschiede und Sprachbarrieren bilden Hemmnisse, die sich nur durch gezielte Maßnahmen überwinden lassen. Entscheidend für den Erfolg sind dabei die 4 K’s: Kommunizieren, Koordinieren, Kontrollieren und Kümmern.

Kriterien für die Zusammenarbeit

• Kulturelle Sensibilität und Offenheit;

• Respekt;

• Klare Kommunikation;

• Regelmäßige Gesprächsprotokolle;

• Gemeinsame Aktivitäten, um das Zusammengehörigkeitsgefühl zu stärken.

Hier lesen Sie …

Mehr zum Thema

www.computerwoche.de/go/

572666: Indien ist wichtigster Offshore-Standort;

571624: Projekt-Management beim Offshoring;

567622: Viele Offshore-Projekte scheitern.

Unterschiedliche Sprachen und Kulturen erhöhen die Komplexität eines Softwareentwicklungs-Projektes erheblich und können sich negativ auf das Ergebnis auswirken. Nur wenn die Ziele und Erwartungen klar verstanden werden, lässt sich das Projekt erfolgreich zum Abschluss bringen. Daher müssen Onsite- und Offshore-Teams etwa in einem Land wie Indien nicht nur Englisch beherrschen. Um Missverständnisse zu vermeiden, sollten alle in das Projekt involvierten Mitarbeiter auch in der Lage sein, auf der Metaebene zu kommunizieren und zwischen den Zeilen zu lesen, damit das Gesagte richtig interpretiert wird.

Kulturelle Unterschiede

Hinzu kommt, dass das Hierarchiedenken speziell in Indien stark ausgeprägt ist. So äußern die Mitarbeiter hier selten Kritik gegenüber ihren Vorgesetzten. Ein Inder ergreift in einer Telefonkonferenz auch nicht als erster das Wort, sondern wartet ab, was sein Vorgesetzter zu sagen hat. Darüber hinaus ist es nicht immer klar, ob der Kollege auch wirklich alles verstanden hat. Da die Inder in der Regel nicht so offen und deutlich kommunizieren, wie es Deutsche gewohnt sind, helfen reine Ja-Nein-Fragen in der Regel nicht weiter. Eine wirksame Methode, das indische Hierarchiedenken "intelligent" zu managen und eine offene Atmosphäre zu schaffen, besteht darin, die Besprechungsergebnisse immer am Gesprächsende zu wiederholen und zudem schriftlich festzuhalten.

Kommunikation ist das A und O

Angesichts dieser speziellen Anforderungen sollte ein Offshoring-Anbieter sehr sensibel auf Probleme reagieren. Idealerweise ist er in der Lage, schon früh zu merken, ob etwas schief läuft. Ein ausgefeiltes Kommunikationskonzept, das festhält, wer was wann an wen berichtet, ist daher hilfreich. Darüber hinaus empfiehlt es sich, in regelmäßigen - etwa wöchentlichen - Telefonkonferenzen Statusbesprechungen mit den Offshore-Mitarbeitern und der Teamleitung abzuhalten, so dass alle Beteiligten immer über den aktuellsten Projektstand informiert sind. Auch hier ist es sinnvoll, das Gesagte in abschließenden Gesprächsprotokollen zu dokumentieren, wobei auch aufkommende Probleme Erwähnung finden sollten.

Ein entscheidender Faktor für den Erfolg des Projekts ist die Person des Onsite-Projektleiters. Er muss nicht nur die erforderlichen technischen Fertigkeiten, sondern auch eine hohe soziale und kulturelle Kompetenz mitbringen. Als Bindeglied zwischen dem ausländischen Team und dem Kunden, der nicht selten Berührungsängste mit einem Offshore-Land hat, muss der Onsite-Projektleiter dem Offshore-Team vermitteln, was der Kunde in Deutschland wünscht und die Mitarbeiter entsprechend auf das Projekt einschwören. Er muss den gesamten Überblick über das Projekt behalten und in der Lage sein, die anstehenden Aufgaben nach Wichtigkeit und Unwichtigkeit zu unterscheiden. Darüber hinaus ist er dafür verantwortlich, dass der Informationsfluss funktioniert und alle Projektbeteiligten über den gleichen Kenntnisstand verfügen. Und schließlich sollte er fähig sein, die indischen Kollegen nachhaltig zu steuern und die unterschiedlichen kulturellen Denkweisen zusammenzubringen. Es sollte ihm daher bewusst sein, dass die Inder weniger in Gesamtzusammenhängen denken als er selbst und dass er sie immer wieder dazu auffordern muss, bei Problemen sofort nachzufragen.

Bei einem standortübergreifenden Projekt sind Probleme noch schwieriger zu beheben als bei lokalen Vorhaben. Um die Fehlerquote möglichst gering zu halten, sollten die Aufgaben des Offshore-Teams daher von Anfang an und in jeder Projektphase klar verteilt sein. Die Umsetzung und Einhaltung der Projektphasen lässt sich am besten im täglichen Projektablauf kontrollieren. Dies ist dadurch gewährleistet, dass während der Telefonkonferenzen abgefragt wird, ob jeder Offshore-Mitarbeiter die in dem Pflichtenheft mit dem Kunden zusammen entwickelten Anforderungen und die daraus resultierenden Meilensteine verstanden hat.

Ständige Kontrolle muss sein

Der Onsite-Koordinator kann dies wiederum überprüfen, indem er das Team zu einer Zusammenfassung des Gesagten - etwa in Form einer Präsentation - auffordert. Eine zusätzliche Kontrolle besteht darin, aus Telefongesprächen oder E-Mails herauszuhören beziehungsweise zu -lesen, ob Probleme bestehen. Der Onsite-Koordinator ist bei den meisten E-Mails auf Kopie gesetzt und kann sich auf diese Weise über die Stimmung im Offshore-Land und den Ablauf des Projekts informieren. Eine weitere Möglichkeit sind regelmäßige Besuche, um einen engen Kontakt zu den Offshore-Mitarbeitern zu halten und die Prozesse vor Ort zu überprüfen.

Um Fehler schon im Vorfeld zu vermeiden, sollte sich die Situation des Kunden im Offshore-Center identisch nachstellen lassen. Dadurch kann der IT-Dienstleister noch in einer frühen Phase kurzfristig auf die Kundenwünsche eingehen und eventuelle Probleme transparent machen. Jedes größere Projekt sollte auch seinen eigenen Offshore-Übersetzer im Ausland haben, der die Dokumente des deutschen Kunden in die jeweilige Landessprache überträgt, so dass das Offshore-Team immer auf dem aktuellen Informationsstand ist. Um auf der sicheren Seite zu sein, empfiehlt es sich, die Informationen danach von einem weiteren Übersetzer kontrollieren zu lassen. Zu diesem Zweck sollte ein IT-Offshorer auf ein etabliertes Netzwerk von guten Übersetzern verfügen.

Besuche fördern das Verständnis

Eine weitere Herausforderung für das Gelingen eines Offshore-Projekts besteht darin, ein Zusammengehörigkeitsgefühl zu schaffen - sowohl vor Ort, als auch im Offshore-Team. Da in aller Regel nur die Onsite-Mitarbeiter in direktem Kontakt mit dem Kunden stehen, während das Offshore-Team virtuell am Projekt mitwirkt, sind gegenseitige Besuche besonders wichtig. Sie fördern das Verständnis für das Projekt, aber auch untereinander. Vor allem zu Beginn des Projekts sind solche Reisen ratsam. Konkrete Maßnahmen wie kulturelle Workshops tragen zusätzlich dazu bei, dass sich Onsite- und Offshore-Team besser kennenlernen. Die Beteiligten erhalten dadurch Informationen über die kulturellen Unterschiede und deren Auswirkungen. Auf diese Weise lässt sich das Verständnis füreinander fördern. Die hier erworbenen Kenntnisse kann das Team nach seiner Rückkehr nach Indien an das übrige Offshore-Team weitergeben.

Gute Reiseplanung ist hilfreich

Da gegenseitige Besuche durch die Visumspflicht für Deutschland und die damit verbundene bürokratischen Hürden erschwert werden, sollte die Personalabteilung rechtzeitig erfahren, wer in den nächsten Wochen oder Monaten beim kunden vor Ort sein wird, um entsprechende Maßnahmen veranlassen zu können. Wichtig ist zudem, bei der Wahl der Unterkünfte darauf zu achten, dass der Mitarbeiter während seines kurzen Aufenthaltes jede Unterstützung erfährt, um ein positives Gefühl für das Projekt zu entwickeln. (sp)