Dienstleister müssen sich diversifizieren

Offshore-Diskussion verunsichert indische Anbieter

20.02.2004
MUMBAI (CW) - Trotz glänzend laufender Geschäfte sorgen sich die indischen Softwarehäuser um ihre Zukunft. Der wachsende Unmut der IT-Arbeitnehmer in den Industrieländern gegenüber Offshore-Diensten sowie die starke Exportabhängigkeit trüben die Aussichten.

Eigentlich bot Anfang Februar 2004 veranstalteten Jahresmesse "Nasscom" des gleichnamigen indischen IT-Verbandes den indischen Softwarehäusern die ideale Plattform, sich im Glanz ihres Erfolgs zu sonnen. Doch stattliche Zuwachsraten von 30 Prozent im IT-Bereich und 60 Prozent im Business Process Outsourcing verblassten vor der aktuellen Diskussion, die die westlichen Industriestaaten, allen voran die USA, über die Auswirkungen der Offshore-Dienste auf die heimischen Arbeitsplätze führen. 90 Prozent der Einnahmen indischer IT-Häuser stammen aus dem Export, die Abkehr westlicher Unternehmen vom Offshoring träfe Anbieter wie Tata Consultancy Services (TCS), Infosys, Satyam Computers und Wipro Technologies ins Mark.

Zumindest die britische Regierung plant nicht, wie von vielen Delegierten befürchtet, Offshore-Anbieter von öffentlichen Aufträgen auszuschließen. Handels- und Industrieminister Steven Timms beruhigte die Nasscom-Mitglieder: "Wir werden keine Barrieren errichten, um britische Firmen vor dem Wettbewerb aus Indien zu schützen. Indische Wettbewerber tun der britischen Wirtschaft gut und stärken sie." Um dies zu unterstreichen, forderten weitere Redner die Offshore-Anbieter auf, mehr westliche Manager einzustellen, so dass die indischen Dienstleister in der öffentlichen Wahrnehmung als Investoren auftreten.

Die Nasscom-Mitgleider sind sich außerdem darüber im Klaren, dass die Wachstumsphase endlich ist. "Das reine kostengetriebene Outsourcing wird möglicherweise noch drei bis fünf Jahre funktionieren", warnte Joseph Quinlan von der Bank of America. "Die indischen Anbieter müssen sich diversifizieren."

Angesichts der dürftigen IT-Nutzung in der eigenen Industrie, die nur ein Prozent des Bruttoinlandprodukts für IT ausgibt (zum Vergleich: US-amerikanische Unternehmen investieren acht Prozent in die eigene IT) sehen die indischen Anbieter künftig auch im Heimatmarkt Verkaufspotenzial. "Wir können uns nicht länger als immun dagegen betrachten, was im Rest der indischen Wirtschaft vor sich geht", sagte Nandan Nilekani, CEO von Infosys, gegenüber der "Financial Times". "Viel vom Wachstum der Zukunft müssen wir onshore, also im eigenen Land, erzielen." (jha)

USA: IT-Experten gegen Offshore

Eine aktuelle Online-Befragung der Gewerkschaft Wash Tech unter 410 IT-Spezialisten heizt die Offshore-Debatte in den USA an. 86 Prozent wollen die Vergabe von öffentlichen Aufträgen an heimische Arbeitskräfte gesetzlich verankert sehen. 81 Prozent würden die Visumsvergabe für ausländische Arbeitskräfte einschränken. Das Thema findet auch Eingang in den Vorwahlkampf: Der demokratische Kandidat John Kerry möchte Call-Center-Betreiber zu Angaben über ihre Standorte verpflichten. In die Schusslinie geriet auch der Finanzdienstleister American Express, der anonymen Quellen zufolge 70 Prozent seiner Entwicklungstätigkeiten ins Ausland verlagern will. Offizielle bestritten lediglich das Ausmaß der Pläne.