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Office XP - der zehnte Aufguss (1)

11.04.2001
In einem zweiteiligen Special wollen wir Ihnen Microsofts kommende Bürosuite Office XP vorstellen. Heute geht es um die technischen Neuerungen, morgen um die Groupware-Funktionen.

Von CW-Redakteur Wolfgang Miedl

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Microsoft steht mit einer neuen Bürosuite vor der Tür. Ab Mai soll die deutsche Version von "Office XP" ausgeliefert werden. Die aufregendste Neuigkeit ist zunächst der Name des intern als "Office 10" bezeichneten Produkts: er steht nun in Analogie zum angekündigten Windows XP. Doch gelang es den Redmondern auch, funktional genügend Neues zu entwickeln, um die Anwender zum Update zu bewegen?

Die Luft wird dünn für Microsoft im Office-Segment. Der Marktführer hat bereits seit längerem einen Anteil von über neunzig Prozent bei den Büroanwendungen, Rivalen wie "Wordperfect" oder "Lotus Smart Suite" wurden teils durch die Marketing-Maschine der Redmonder verdrängt, teils war der Abstieg durch unausgereifte Versionen auch hausgemacht. Die schärfste Konkurrenz für die neuen Anwendungen stammt daher aus den eigenen Reihen: Da bereits Office 95, 97 oder 2000 eine überbordende Fülle an Funktionen besitzen, muss der Hersteller schon gute Argumente aufführen, um Anwender zum Update zu bewegen.

Collaboration-Funktionen zählen daher zu den Begriffen, die Microsoft im Vorfeld des Office-XP-Starts möglichst oft zu platzieren versucht. Die Suite soll sich nach dem Willen des Herstellers zunehmend als Groupware gegen etablierte Produkte wie "Lotus Notes" durchsetzen (mehr dazu im morgigen zweiten Teil). Aber auch im angestammten Einsatzgebiet als persönliches Einzelplatz-Bürowerkzeug will Microsoft seine Klientel mit einer Reihe von Verbesserungen ködern.

"Kopierschutz" durch Produktaktivierung

Als auffallendste Neuerung springt die bereits im Vorfeld viel diskutierte "Aktivierung" des Produkts ins Auge. Auch die der COMPUTERWOCHE zur Verfügung stehende Vorabversion, die "Corporate Preview Beta" von "Office Professional", ist bereits mit dieser neuen Form des Kopierschutzes ausgestattet. Besser würde allerdings der Ausdruck "Verdongelung" passen, da bei der Aktivierung die Software an die Hardware gekoppelt wird. Eine Neuinstallation auf einem anderen PC zwingt zur telefonischen Freischaltung. Bei der Aktivierung werden Seriennummern von Hardwarekomponenten wie etwa dem BIOS oder einer Festplatte herangezogen. In Verbindung mit der Seriennummer von Office wird daraus eine individuelle Kennzeichnung errechnet und auf einem Microsoft-Server gespeichert. Da der Hersteller nicht bekannt gibt, welche Hardwarekomponenten bei diesem Verfahren berücksichtigt werden, könnte eine PC-Umrüstung den unerfreulichen Nebeneffekt haben, dass Office bei einer Neuinstallation eine erneute Aktivierung verlangt.

Die Redmonder bieten übrigens zwei Optionen der Aktivierung an - übers Web oder per Telefon, wobei keine persönlichen Daten angegeben werden müssen. Die erstmalige Aktivierung kann via Web erfolgen und erfordert lediglich die Angabe des Heimatlandes. Bei weiteren Aktivierungen über das Telefon will Microsoft nach eigenen Angaben nicht restriktiv vorgehen und erst ab etwa 100 Aktivierungen beim Anwender nachhaken.

Nicht die Masse macht´s

Erfreulich ist, dass Office XP entgegen dem Trend der letzten Jahre im Datenumfang nicht gewachsen, sondern sogar geschrumpft ist. So passt die Professional Suite mit "Word 2002", "Excel 2002", "Access 2002", "Powerpoint 2002", "Frontpage 2002" und "Outlook 2002" auf eine CD und belegt in der Standardinstallation nur etwa 250 MB. Als Mindestanforderung an die Hardware ist ein Pentium 90 mit 64 MB Speicher angegeben, in der Praxis dürfte aber erst ab 400 Megahertz Taktfrequenz und 128 MB ein flüssiges Arbeiten möglich sein.

Optisch fällt zunächst das neue Menü-Design im 2D-Look auf. Falls Microsoft seinen Traditionen treu bleibt, dürfte dies - wie bei früheren Office-Versionen - ein Vorgriff auf die Optik von Windows XP sein. Ins Auge fällt auf Anhieb auch eine vertikale Leiste am rechten Rand der Programmfenster. Beim Start der einzelnen Programme präsentieren sich darin in Hyperlink-Manier gängige Funktionen wie die zuletzt geöffneten Dateien oder Office-Vorlagen.

Neu, aber derzeit nicht für die europäischen Versionen vorgesehen sind die Spracheingabe und die Eingabe per Stift inklusive Handschrifterkennung. Letztere ist derzeit für die Sprachen Englisch, Chinesisch, Japanisch und Koreanisch erhältlich. Neben der Eingabe über ein Digitalisier-Tablett wäre die Handschrifterkennung vor allem für Notebooks interessant, die bereits über ein berührungsempfindliches Display verfügen. Die Erkennungsgenauigkeit ist erstaunlich hoch, im CW-Test wurde selbst das unbeholfene Gekrakel mit der Maus in einen korrekten Text übersetzt.

Automatisch formatieren mit "Smart Tags"

Als eines der wichtigsten neuen Features von Office XP hebt der Hersteller die "Smart Tags" hervor. Es handelt sich dabei um eine kontextsensitive Funktion in Word, Excel und Outlook, die als Mini-Icons in den Programmfenstern sichtbar ist. Die Grundfunktionen der Smart Tags drehen sich um automatische Formatierungen - deshalb sind die entsprechenden Konfigurationsoptionen auch über das Menü "Auto Text" zu erreichen. Fügt man beispielsweise in Word Text über die Zwischenablage ein, erscheint ein kleines Icon. Per Mausklick lassen sich nun damit verbundene Optionen wie "Rückgängig machen" oder "Formatierung übernehmen" auswählen.

Auch die teils lästigen Automatismen wie das Umwandeln von kleinen Anfangsbuchstaben in große können Anwender nun besser kontrollieren. Wird der Mauszeiger über eine veränderte Textstelle gehalten, erscheint ein Smart-Tag-Icon mit dem entsprechenden Kontextmenü. Offenbar hat man bei Microsoft erkannt, dass die zunehmende Eigenintelligenz von Programmen bei den Anwendern oftmals mehr Verwirrung stiftet als Nutzen bringt - solche Notschalter machen das Arbeiten tatsächlich etwas transparenter.

Die Smart Tags sollen sich aber nicht auf die Reparatur- und Kontrollmöglichkeiten beschränken. So werden beispielsweise Personennamen erkannt und mit einer gepunkteten Linie unterstrichen. Über das Kontextmenü stehen dann eine Reihe von Funktionen rund um Outlook zur Verfügung. So kann der Name beispielsweise in das Adressbuch übernommen oder es kann direkt eine E-Mail an die Person versandt werden.

Das Smart-Tag-Konzept geht allerdings weit über die genannten, bereits eingebauten Funktionen hinaus. Microsoft versucht damit offenbar, in Office ein eigenes, proprietäres Hypertext-System zu etablieren.

Smart Tags - Microsofts neues Hypertext-System

Die in Office XP bereits mitgelieferten Smart-Tag-Funktionen deuten nur ansatzweise das umfangreiche Konzept an, das Microsoft zugrunde gelegt hat. Der Hersteller hat hier eine Art Hypertext-System für Office auf der Basis von XML oder HTML entwickelt. Im Gegensatz zu Hyperlinks in Auszeichnungssprachen wie HTML bieten Smart Tags nicht nur Links zu Ressourcen innerhalb oder außerhalb eines Dokuments, ob auf Servern in Web-Seiten oder in anderen Office-Dateien.

Zusätzlich sind diese Links auch noch so angelegt, dass sie automatisch als bestimmter Datentyp erkannt werden können. In Verbindung mit COM-basierten Aktions-Handlern haben Office-Entwickler vielfältige Möglichkeiten, kontextbezogene Aktionen zu definieren. So könnte beispielsweise eine Nummer wie "555-555-1212" in einem Word-Dokument von einem Smart Tag Recognizer als Telefonnummer oder als Seriennummer für ein Produkt erkannt werden. Daraus ergeben sich Möglichkeiten für Aktionen in Verbindung mit anderen Office-Programmen.

Auf den Entwicklerseiten des Microsoft Developer Network (MSDN) gibt es bereits zahlreiche Anleitungen für die individuelle Programmierung von Smart Tags. Derzeit funktionieren sie in Verbindung mit Word, Excel und dem Internet Explorer. Smart Tag Recognizer können entweder auf XML-Basis in Verbindung mit dem "Smart Tag XML List Schema" erstellt werden oder in Form von HTML-Code zur Einbettung in eine Web-Seite. Für den automatisierten, dynamischen Zugriff auf Smart Tags empfiehlt Microsoft allerdings die Entwicklung von Smart Tag DLLs auf der Basis von Visual Basic und COM. Das Smart Tag SDK kann unter msdn.microsoft.com/msdn-files/027/001/562/stsdk.exe heruntergeladen werden.

Neue Smart Tags können über das Autotext-Menü hinzugefügt werden. Per Knopfdruck öffnet sich eine entsprechende Seite auf der Microsoft-Website. Während des CW-Tests war das Angebot allerdings noch nicht fertig. Immerhin versuchen die Redmonder damit, die Nutzung und Verbreitung des neuen Systems so einfach wie möglich zu gestalten, um es populär zu machen. Für die zahlreichen Entwickler von Office-basierten Lösungen ergeben sich dadurch vielfältige neue Möglichkeiten. Dennoch spricht in nächster Zeit einiges gegen eine breite Akzeptanz. Einerseits setzen Smart Tags den flächendeckenden Einsatz von Office XP voraus - das ist wohl auch das Kalkül von Microsoft. Außerdem handelt es sich wieder einmal um eine proprietäre Technik auf Office-Basis.

Auch im Bereich Sicherheit hat Microsoft einige Defizite der Vergangenheit ausgebügelt. Der "Speichern"-Dialog beispielsweise bietet unter Extras nun ein eigenes Menü "Sicherheitsoptionen". Zum einen gibt es die Möglichkeit, eine Datei stärker als bisher zu verschlüsseln, beispielsweise mit RC4. Neben Word und Excel unterstützt nun auch Powerpoint diese Funktion. In Verbindung mit einer digitalen Signatur kann die Authentizität von Dokumenten sichergestellt werden.

Sicherheit: Privatsphäre und VBA optional

Wichtig ist auch die Option "Persönliche Informationen beim Speichern entfernen". In den bisherigen Office-Dateiformaten waren jede Menge Informationen über den Autor und das System des Anwenders im Klartext gespeichert - Profis konnten diese mit minimalem Aufwand sichtbar machen. Wie ernst es Microsoft mit der Sicherheit meint, zeigt sich auch darin, dass nun die Makro- und Programmiersprache Visual Basic for Applications (VBA) komplett deinstalliert werden kann. Nach den teils verheerenden Makroviren-Epidemien der vergangenen Jahre zieht die Gates-Company offenbar die Notbremse, um weitere Imageschäden zu vermeiden. Wer auf Nummer Sicher gehen will, kann so in Zukunft die Ausführung von destruktivem Code ein für alle Mal ausschließen.

Auch der Datensicherheit haben sich die Office-Entwickler angenommen. Bisher bestand bei der Arbeit mit Office stets ein gewisses Risiko, dass beim Absturz der gerade geschriebene Text verloren ging oder eine beschädigte Datei sich nicht mehr öffnen ließ. Der Öffnen-Dialog bietet hierzu nun die Zusatzoption "Öffnen und Reparieren", die defekte Dateien wiederherzustellen versucht. Falls eine Office-Anwendung einmal hängt und nicht mehr ordnungsgemäß beendet werden kann, gibt es nun unter Umständen Abhilfe. Unter den Office-Tools findet sich dazu ein Wiederherstellungs-Utility, das versucht, die gestörte Anwendung zu schließen und gleichzeitig die gerade bearbeitete Datei korrekt zu speichern.

Arbeitsumgebung als Datei

Sehr nützlich ist der ebenfalls zu den Office-Tools gehörende "Settings-Wizard". Auch hier handelt es sich um einen Zusatz, den Profi-Anwender schon lange vermisst haben. Der Wizard erlaubt das Speichern aller individuellen Office-Einstellungen, und zwar wahlweise in einer lokalen Datei oder im Web auf einem Server bei Microsoft. Bei der Online-Speicherung verspricht das Unternehmen die verschlüsselte Übertragung über das Internet sowie einen Schutz der persönlichen Daten. Vorausgesetzt wird dabei eine Kennung beim Passport-Service. Im Fall einer Neuinstallation von Office XP oder einer Installation an einem anderen Ort kann die gespeicherte Konfiguration über das Web oder aus der gespeicherten Datei eingelesen werden, um so die gewohnte Arbeitsumgebung herzustellen. Ebenfalls zum Zubehör zählt nun ein OCR-Modul für die Texterkennung von gescannten Dokumenten.

Integration als Motto

Insgesamt fällt bei Office XP die noch weiter als früher gehende Integration der Anwendungen auf. So ist Word der voreingestellte Mail-Editor von Outlook, wobei Mails hierbei standardmäßig im HTML-Format verschickt werden. Word seinerseits verfügt über einen "Mail"-Knopf, der den Mail-Versand unter Umgehung von Outlook direkt aus der Textverarbeitung heraus ermöglicht.

Integration bezieht sich nun aber nicht mehr nur auf einzelne Office-Anwendungen, sondern wird auch auf Web-Services von Microsoft ausgeweitet. Der Passport-Authentifizierungs-Service, einer der Kernbestandteile der .NET-Strategie, entwickelt sich hierbei zunehmend zum Dreh- und Angelpunkt. Ob es um die Speicherung der Office-Einstellungen im Web oder um die angebotene Nutzung eines Sharepoint-Collaboration-Dienstes über MSN geht, überall schaltet sich die Authentifizierung über Passport dazwischen. Und auch die Smart-Tag-Technologie ist letzten Endes darauf ausgerichtet, möglichst komplexe Verflechtungen zwischen Office-Anwendungen und Outlook aufzubauen. Für Anwender, die sich voll auf die Microsoft-Infrastruktur einlassen, ist das allerdings nicht unbedingt ein Nachteil.

Fazit: Die Qualität liegt im Detail

Paradoxerweise besteht der Fortschritt beim neuen Office darin, dass Microsoft viele vermeintlich große Entwicklungen der Vergangenheit zur Disposition stellt. Wer mehr Sicherheit will, muss nun nicht mehr auf Gedeih und Verderb mit der Skriptumgebung leben und darf sie ganz abschalten. Und wem die einst so gepriesenen Eigenintelligenz-Funktionen immer schon suspekt waren, der kann sie nun über die Smart-Tag-Optionen Schritt für Schritt abwählen.

Interessant ist die Smart-Tag-Technologie überdies, weil Microsoft damit seinen Dateiformaten einen modernen Anstrich geben will. Die Office-Konzepte stammen aus einer Zeit, in der man in erster Linie gedruckte Dokumente bearbeitete. Nach HTML und XML soll nun diese neue Hyperlink-Technik offenbar dafür sorgen, dass die Office-Dokumente jenseits der Internet-Standards eine neue Existenzberechtigung beim elektronischen Datenaustausch erhalten. Gleichzeitig beantwortet sich hierbei auch die Frage, mit welchen Methoden die Redmonder dieses Mal einen Zugzwang zum Updaten erzeugen wollen: Smart Tags erfordern den breiten Einsatz von Office XP. Wirklich neue Features sind beim neuen Office dünn gesät und wurden auch von kaum jemandem erwartet. Die Summe der kleinen Detailverbesserungen macht das Paket aber durchaus attraktiv und könnte für eine Fortsetzung der Erfolgsstory sorgen.

Preise und Verfügbarkeit

Office XP soll ab 31. Mai in vier Varianten in Deutschland verfügbar sein. Die "Standard"-Version enthält Word 2002, Excel 2002, Outlook 2002 und Powerpoint 2002 und kostet 1329 Mark (Update: 599 Mark).

Die "Professional"-Ausgabe wird zusätzlich Access 2002 enthalten und 1529 Mark (Update: 799 Mark) kosten. In der Einführungsphase gibt es auch die "Professional Special Edition" als Update zum Preis von 999 Mark, die neben den oben genannten Anwendungen auch noch Frontpage 2002, die Sharepoint Team Services sowie den Publisher 2002 und die Maus "Intellimouse Explorer" enthalten wird.

Die "Developer"-Variante schließlich soll auch noch über zusätzliche Entwicklungs-Tools verfügen und kostet dann 2699 Mark (Update: 1499 Mark). Die OEM-Version "Small Business", die auf neuer Hardware vorinstalliert sein wird, enthält Word 2002, Excel 2002, Outlook 2002 und Publisher 2002.