Office 365: Microsoft bereitet Google Sorgen

30.06.2011
Steve Ballmer macht Ernst mit seiner Cloud-Strategie und offeriert seinen Kunden künftig Office-Pakete als Software as a Service. Damit verschärft der Konzern den Wettbewerb mit dem Internet-Riesen Google

Mit Office 365 trifft Office die Cloud", sagte Microsoft-Chef Steve Ballmer anlässlich der offiziellen Vorstellung von Office 365, einem Paket von Büroanwendungen und Kollaboration-Tools, das die Anwender via Internet nutzen können. Das neue Angebot richte sich in erster Linie an Firmenkunden, ließen die Microsoft-Verantwortlichen durchblicken. Die Größe spiele dabei keine Rolle. Office 365 eigne sich für alle Unternehmen, versprach Ballmer. Rund 70 Prozent der etwa 200.000 Beta-Kunden, die das Paket in den zurückliegenden neun Monaten getestet hätten, seien kleine und mittelständische Firmen gewesen.

Verschiedene Cloud-Pakete

Office 365 ist im Grunde die nächste Version von Microsofts "Business Productivity Online Suite" (BPOS). Neben Online-Versio-nen von Büroanwendungen wie Word, Excel, Powerpoint, Access und Outlook beinhaltet Microsofts Office aus der Cloud auch verschiedene Server-Anwendungen wie Exchange für Mail-Dienste, SharePoint für Team- und Projektarbeit sowie den Lync-Server für Online-Konferenzen und Telekommunikationsdienste. Kamen in der BPOS noch die 2007er-Versionen von Exchange und Sharepoint zum Einsatz, bietet Microsoft seinen Nutzern mit Office 365 die aktuellen 2010-Releases.

Microsoft schnürt sein Cloud-Angebot in verschiedenen Paketen. Die Ausführung P1 für Selbständige und kleine Firmen kostet 5,25 Euro pro User und Monat. Für Mittelständler und größere Unternehmen gibt es die Enterprise-Pakete E1 bis E4, die sich in einzelnen Komponenten unterscheiden. Die Kosten betragen neun Euro, 14,25 Euro, 22,75 Euro beziehungsweise in der maximalen Ausbaustufe 25,50 Euro pro Nutzer und Monat. Wer sich für Microsofts Office-Dienste aus der Cloud interessiert, kann sich einen 30-Tage-Test-Account für bis zu zehn User freischalten lassen.

Mehr Wettbewerb um Cloud-Office

Mit Microsofts Vorstoß verschärft sich der Wettbewerb im Bereich Office- und Collaboration-Dienste aus der Cloud. In den vergangenen Jahren haben verschiedene Firmen Angebote entwickelt, darunter Branchengrößen wie Google, IBM, Cisco, VMware und Novell. Auch kleinere Spezialisten wie Jive Software, Socialtext, Box.net und Zoho tummeln sich in diesem Umfeld und versuchen den Großen ein Stück vom Cloud-Kuchen streitig zu machen.

In erster Linie dürften die Microsoft-Verantwortlichen mit Office 365 den Konkurrenten Google aufs Korn nehmen. Der Internet-Konzern, der den Redmondern in den vergangenen Jahren mehrfach beispielsweise mit seiner Suchmaschine oder der mobilen Plattform Android in die Quere gekommen ist, bietet bereits seit geraumer Zeit mit seinen Google Apps ein Cloud-basierendes Paket aus Büro- und Kollaborations-Tools an. Google-Mitteilungen zufolge mit Erfolg: Angeblich nutzen bereits mehr als drei Millionen Firmen die Dienste, für die ein Standardpreis von vier Euro pro Nutzer und Monat fällig wird.

"365 Gründe gegen Office 365"

Dass der Ton rauer wird im Wettbewerb um das Cloud-Business, zeigt die ungewöhnlich laute Reaktion Googles auf die Microsoft-Ankündigung. So konnte es sich Shan Sinha, Produkt-Manager für die Google-Apps, nicht verkneifen, sich in seinem Blog über Microsofts Cloud-Office lustig zu machen. Es gebe 365 Gründe, Google Apps den Vorzug zu geben, heißt es dort. Der Google-Manager bezeichnete beispielsweise Microsofts Collaboration-Werkzeuge als kompliziert und klobig. Office 365 richte sich in erster Linie an Individuen, während Google Apps Teams unterstütze: "Die meisten arbeiten nicht mehr für sich allein. Wir arbeiten mit anderen zusammen."

Darüber hinaus monierte Sinha, dass sich Microsoft nach wie vor auf seinen eigenen Kosmos konzentriere. Office 365 sei für Windows-Plattformen und Windows-Geräte optimiert. Außerdem verwies der Manager auf die manglende Erfahrung des Konkurrenten im Cloud-Geschäft: "Man kann nicht einfach veraltete Desktop-Software nehmen, einen Teil davon ins Rechenzentrum packen und es dann Cloud nennen."

Auch wenn diese Kritik mit Marketing-Polemik formuliert ist, müssen sich die Microsoft-Verantwortlichen durchaus Fragen zur Offenheit und zu Upgrade-Strategien rund um Office 365 gefallen lassen. Die mobile Verbindung in die Office-Cloud ist für Microsofts eigene mobile Plattform optimiert. Außerdem müssen Anwender, die On-Demand- und On-Premise-Komponenten parallel betreiben wollen, gewisse Abhängigkeiten in den Release-Ständen beachten. Beispielsweise müssen die Versionen der Server-Anwendungen Exchange, Lync und Sharepoint gleich sein. Außerdem funktioniert Office 365 nicht mit On-Premise-Office-Versionen, die älter als Release-Stand Office 2007 SP 2 sind. Anwender des weit verbreiteten Office 2003 bleiben also erst einmal außen vor beziehungsweise müssen ihre Office-Landschaft zunächst auf einen aktuelleren Stand bringen, um das Cloud-Office aus dem Hause Microsoft in Hybrid-Modellen nutzen zu können. Auch die bisherigen BPOS-Anwender müssen sich mit Migrationensplänen auseinandersetzen. Ihnen bleiben zwölf Monate, um auf Office 365 umzusteigen.

Analysten reagieren auf Office 365 dennoch positiv. "Microsoft macht mit Office 365 einen guten und richtigen Schritt", sagt Axel Oppermann, Senior Advisor der Experton Group. Office-Anwendungen inklusive der Infrastruktur würden den Kunden leistungsfähige Cloud-Services bieten, die so heute kein anderer Anbieter bereitstellen könne. Auch TJ Keitt von Forrester bezeichnet Office 365 als soliden Eintritt Microsofts in die Cloud-Welt. Mit seinen Funktionen müsse sich das SaaS-Paket nicht vor der Konkurrenz verstecken.

Trotz dieser Vorschusslorbeeren wird sich Microsoft mit Office 365 erst noch beweisen müssen, um das Vertrauen der Nutzer zu gewinnen. Dabei wird es auch um die Verfügbarkeit des Angebots gehen. Der Konzern verspricht 99,9 Prozent. Zuletzt hatte es allerdings einige Ausfälle der BPOS-Dienste gegeben, den letzten erst wenige Tage vor dem offiziellen Marktantritt des Nachfolgers.

Gartner-Analyst Matt Cain geht davon aus, dass die kommenden drei bis fünf Jahre zeigen werden, ob Office-Dienste aus der Cloud eine Chance bekommen werden. Dabei gehe es um Aspekte wie Wirtschaftlichkeit, Sicherheit, Stabilität und Funktionalität. Auch wenn Microsofts Cloud-Initiative oft als Kriegserklärung an Google gedeutet wird, glaubt Cain nicht, dass Google Probleme bekommt. Im Gegenteil: Mit dem Eintritt Microsofts erhalte das Thema Office aus der Cloud grundsätzlich mehr Aufmerksamkeit. Davon könnte letzten Endes auch Google profitieren.

Cloud - Risiko oder Chance?

Den Wechsel vom lukrativen Lizenz- und Wartungsgeschäft hin zu einem Mietmodell mit monatlichen Einnahmen dürften die Microsoft-Verantwortlichen mit gemischten Gefühlen beobachten. Schließlich geht es hier auch um die einträglichste Sparte des Konzerns. Im zurückliegenden Quartal steigerte die Business-Division, zu der auch Office gehört, ihre Einahmen um 21 Prozent auf 5,3 Milliarden Dollar. Mittlerweile trägt dieser Bereich mehr zum Gewinn bei als die Windows-Sparte.