Beta 2 der Bürosuite erschienen

Office 2003 setzt auf XML und Teamarbeit

28.03.2003
MÜNCHEN (CW) - Microsoft hat die zweite Betaversion seiner kommenden Bürosuite "Office 2003" veröffentlicht. Bei der Weiterentwicklung hat der Konzern den Schwerpunkt mit weit reichender Unterstützung der Extensible Markup Language (XML) und verbesserten Funktionen für Arbeitsgruppen eindeutig auf den Einsatz im Unternehmen gelegt.

Office 2003 soll nach dem Willen von Microsoft Menschen, Daten und Geschäftsprozesse miteinander verbinden. Es enthält neben den traditionellen Anwendungen zwei neue Desktop-Applikationen: "Infopath" zur Erfassung semistrukturierter Daten, vereinfacht gesagt ein XML-basierender Formulareditor, sowie den digitalen Notizblock "One Note", der vor allem Benutzer von Tablet PCs ansprechen dürfte.

Auffallend neu: Office Outlook 2003

Für den Office-Gewohnten am stärksten verändert präsentiert sich der Messaging- und Groupware-Client Outlook in dreispaltiger Ansicht und Vorschau in voller Fensterhöhe mit "Cleartype"- Schriftdarstellung. Auch unter der Haube hat sich etliches getan - etwa die Möglichkeit, regelbasiert virtuelle Postfächer anzulegen ("alle Mails vom Chef der letzten 14 Tage"), oder ein mächtiger Spam-Filter. Outlook bemüht sich in Version 2003 generell, dem Benutzer kontextsensitiv die gerade wichtigsten Informationen zu präsentieren.

Dazu kommen neue Sicherheitsfunktionen, größere Postfächer (bis 20 GB), Unicode-Support sowie eine dank lokal vorgehaltenem Postfach verbesserte Exchange-Replikation - mit RPC über HTTP auch ohne VPN-Verbindung. Für Outlook wird es ferner als Zusatz eine speziell auf kleine und mittlere Unternehmen zugeschnittene einfache CRM-Erweiterung namens "Business Contact Manager" geben, deren internationale Ausprägungen wohl im zweiten Halbjahr auf den Markt kommen.

Unauffällige Systempflege

In den übrigen Kernanwendungen sind die Veränderungen weniger augenfällig. Microsoft weiß sehr wohl, dass sich Version 2003 nicht mehr über das x-te neue Feature verkaufen lässt. Erwähnenswert sind dennoch beispielsweise

- eine neue Ansicht in Word, die Dokumente für das Lesen am Bildschirm optimiert,

- die Möglichkeit in Excel, einen bestimmten Bereich des Arbeitsblattes als Liste zu behandeln,

- Integration mit Windows Media und direkter Export auf CD in Powerpoint,

- Tracking abhängiger Objekte und einstellbare Schrift im SQL-Fenster von Access, sowie

- gegenüber der Vorversion ausgebaute "Smart Tags", verbesserte Instant-Messaging- und Hinweis-Funktionen und Unterstützung der "Ink"-Technik von Tablet PCs.

Rechteverwaltung und Gruppenfunktionen

Ganz neu und vor allem für die Arbeit in Gruppen wichtig sind neue Office-Features für das so genannte Information Rights Management (IRM). Autoren können dabei festlegen, was welcher Empfänger mit ihren Dokumente oder Unterbereichen davon anstellen darf und was nicht. Beispielsweise lässt sich vorgeben, dass eine E-Mail sich nicht weiterleiten oder ein Word-Text sich nicht ausdrucken lässt. Auch die Lebensdauer eines Dokuments kann der Ersteller definieren. Die technische Infrastruktur hierfür stellen Windows Server 2003 mit Active Directory und dessen Desktop-Pendant Windows Rights Management Client zur Verfügung. Für Nicht-Office-2003-Nutzer wird es einen eigenen IRM-Client und eine spezielle Browser-Erweiterung geben.

Speziell dem Thema Teamarbeit widmen sich die gleichfalls auf Windows Server 2003 aufsetzenden Sharepoint Services. Diese stellen gemeinsam genutzte virtuelle Arbeitsbereiche (Kalender, Meetings, Dokumentbibliotheken etc.) zur Verfügung, auf die Office 2003 zurückgreift. Wer beispielsweise an seine Projektgruppe ein E-Mail mit Attachment verschickt, kann beim Versand wählen, ob dieses tatsächlich der Mail anhängen oder stattdessen über Sharepoint zentral publiziert werden soll. Die Kommunikation aus Office inklusive Versioning und Check-in/Check-out erfolgt über Web-Services.

Die Kernanwendungen von Office 2003 beherrschen allesamt den Im- und Export von XML. Wie Jean Paoli, Mitautor der ursprünglichen XML-Spezifikation und führender Kopf hinter dem Parser "MSXML", bei der Vorstellung der Beta 2 in New York erläuterte, setzt Microsoft klar auf kundendefinierte XML-Schemata und damit primär den Austausch von Inhalten und weniger von Formatierungen.

Davon verspricht der Hersteller sich und seinen Anwendern grundlegende Vorteile: Der Austausch von Daten zwischen Office-Anwendungen soll einfacher werden, Information Worker sollen leichter Daten mit Backend-Systemen und Web-Services austauschen, und last, but not least soll das in Dokumenten schlummernde Wissen (die "größte Datenbank der Welt") durch die strukturierte Speicherung erschlossen werden.

Für viele Unternehmen bedeutet dies allerdings zunächst, dass sie ihre Dokumentvorlagen und Geschäftsprozesse in XML-Schemata überführen müssen - ein erheblicher Aufwand, der zudem entsprechendes Know-how erfordert. Ist eine Vorlage aber mittels XML Schema Definition Language (XSDL) erst einmal in ein "Smart Document" verwandelt, bietet sie Vorteile wie automatische Validierung oder programmierbare Aufgabenbereiche.

Daneben bringen die Office-Programme eigene Schemata mit. Diese enthalten zusätzlich Formatierungsinformationen. Ferner ist beim Abspeichern eine XSLT-Formatierung möglich, sodass man auch Standards wie XSL-FO oder CSS einbinden kann. Natürlich gibt es auch weiterhin die proprietären binären Dateiformate (die nach Angaben des Herstellers unverändert blieben).

Infopath - ein Fremdkörper?

Das eindeutig XML-lastigste Programm ist Infopath, dem Gartner-Analyst Michael Silver erhebliche Komplexität und von den übrigen Office-Programmen abweichende Funktionen unterstellt. "Das ist kein Produkt, das der End-User ,out of the box'' verwenden kann", warnt der Experte. Infopath mache aber deutlich, dass Microsoft Office von einem "horizontalen Produktivitätsprogramm" stärker zu einer Plattform machen wolle, für die Entwickler Anwendungen erstellen können. Microsoft bezeichnet die Suite deswegen neuerdings auch als "Office System".

Office 2003 soll in der endgültigen Version Mitte des Jahres erscheinen. Wie üblich dürfte es eine Standard-, eine Professional- sowie eine Entwicklervariante geben. Deren genaues Bundling und Preise sind zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht bekannt. Ob speziell Infopath fester Bestandteil von Office oder separat verkauft wird, ist noch nicht entschieden.

Als Systemvoraussetzungen für Office 2003 nennt Microsoft einen PC mit mindestens 133 Megahertz schnellem Pentium, 64 MB RAM (128 ratsam), Windows 2000 ab SP3 oder Windows XP, 245 MB Plattenplatz sowie einen Bildschirm mit wenigstens SVGA-Auflösung und 256 Farben. (tc)

Die Konkurrenz schläft nicht

Kaum ein Zufall ist wohl, dass Sun Microsystems fast zeitgleich eine erste Beta von "Staroffice 6.1" angekündigt hat. Die kommerzielle Variante von Openoffice.org soll unter anderem neue Management-Tools für den Firmeneinsatz, weiter reichende Unterstützung für Behinderte und PDF-Export bieten. Auch die Lokalisierungsmöglichkeiten wurden ausgebaut - noch heuer dürfte es Staroffice in Hindi, Hebräisch und Arabisch geben. Eine zweite Beta soll im Mai folgen, das endgültige Release im kommenden Oktober. Auch Corel arbeitet an der Weiterentwicklung von "Wordperfect Office". Die Kanadier wollen hier die neue Version 11 im April präsentieren.